Diesmal ist es eine doppelte Wahlkampagne. Es geht am 9. Juni um die Europa-Wahlen und um die Kommunalwahlen (Bürgermeister, Stadt- bzw. Gemeinderat, Vorsitzender des Kreisrates, Kreisrat). Ein Argument für diese Zusammenlegung lautete, dass so eine bessere Beteiligung an den Wahlen für das EU-Parlament zustande kommt.
Das Interesse für die Wahl des Bürgermeisters oder der Vertreter im Stadt- oder Gemeinderat ist bestimmt auch im Kreis Kronstadt viel größer als die Antwort auf die Frage, wer uns und unsere Interessen in Straßburg und in Brüssel vertritt. Welche Partei hat die besseren Kandidaten? Da kommen nur die pro-europäischen Parteien und Parteifamilien in Frage. Alles andere stellt das bisher Erreichte in Frage und bringt uns, das vereinte Europa und Rumänien, keinen Schritt weiter.
Für Kronstadt selber zeichnet sich in der Bürgermeisterwahl, wie auch vor vier Jahren, wieder ein Zweikampf an zwischen denselben Kontrahenten, diesmal aber in vertauschten Rollen. Amtsinhaber Allen Coliban (USR) versucht, eine zweite Amtszeit zu erzielen und wird dabei von der Allianz „Vereint für Kronstadt“ unterstützt, dem auch das Stadtforum Kronstadt angehört. Sein Herausforderer ist George Scripcaru, der zwischen 2004 und 2020 ununterbrochen Kronstädter Bürgermeister war, aber vor vier Jahren, für viele überraschend, von Coliban knapp besiegt wurde. Diesmal ist Scripcaru der gemeinsame Kandidat einer sonderbaren, wenn nicht sogar fragwürdigen Allianz zwischen Nationalliberalen (PNL) und Sozialdemokraten (PSD).
Nachdem er vom Stadtrat zurücktrat, ist Scripcaru untergetaucht. Nichts war von ihm zu hören oder zu lesen. Für ihn war das wohl auch gut so, denn in Erinnerung blieben die Skandale, in die er verwickelt war. Nun will Scripcaru mit seiner 16 Jahre langen Erfahrung als Bürgermeister („Am Arbeitsplatz fortgebildet“ lautet einer seiner Werbeslogans) bei den Wählern punkten und alles besser als Coliban machen.
Warum sollte der Ex-Bürgermeister diesmal gewinnen? Seine Zeit ist abgelaufen, er wird mit Interessengruppen im Bereich Immobilienentwickler in Verbindung gebracht und er biedert sich nun auch den Sozialdemokraten an, die in Kronstadt bekanntlich kaum etwas zu sagen haben, so dass sogar manche PNL-Anhänger nicht wählen gehen werden oder, wenn sie das tun, nicht „ihren“ aus Bukarest durchgesetzten Kandidaten wählen.
Allen Coliban hingegen steht für zukunftsorientierte Projekte (sein Werbeslogan: „Für die Zukunft Kronstadts“). Umweltschutz und eine bessere Lebensqualität sind einige seiner Prioritäten, zu denen Gesundheit (fertige Projekte für neue Krankenhäuser) und Unterricht (neue Kindergärten, Unterstützung des dualen Unterrichts), Förderung neuer Investitionen (Ankauf des CET-Geländes als einzurichtender Industrie- und Gewerbepark) gehören. Er setzt auf die Erkenntnisse der Wähler und nicht auf ideologische und populistische Rhetorik. Seine Partei ist nicht mehr die vermeintliche Antisystem-Partei, gehört aber der Opposition an. Das wirkt sich auch im Stadtrat aus, wo die PNL-PSD-Mehrheit nicht nur den Bürgermeister und seine Projekte, sondern dadurch auch Kronstadts Entwicklung blockiert.
Das kann sich nach dem 9. Juni ändern, wenn möglichst viele in Kronstadt wählen gehen. Mehr Wähler sind bisher für PSD und PNL immer ein Problem gewesen, weil dadurch ihre Stammwähler an Bedeutung verlieren. Gut informierte Wähler, verantwortungsbewusste Bürger, eine aktive Zivilgesellschaft kann erneut den Unterschied zugunsten von Coliban machen. Dass nach vier Jahren Pause das Kronstädter deutsche Forum über die Wahlliste der Allianz „Uni]i pentru Bra{ov“ erneut im Stadtrat vertreten sein könnte, müsste entscheidend sein, wenn die Kronstädter Forumsmitglieder ihren Stempel auf den Wahlzettel drücken.