Ein wichtiger Faktor der die Lebensqualität einer Stadt beeinflusst, ist der städtische Verkehr. In Kronstadt mehren sich Initiativen und Debatten zu diesem Thema. Die Stadtverwaltung hat eine britische Planungsfirma (WSP Parkers Brickerhoff) beauftragt, eine Studie zu erarbeiten um das städtische Transportsystem zu verbessern. Nun liegt ein umfangreicher Zwischenbericht vor, der auch auf der Webseite des Bürgermeisteramtes Kronstadt/Braşov eingesehen werden kann. Ihr langer Titel gleicht einer Wunschliste „Die Gestaltung eines integrierten, nachhaltigen, sicheren Transportsystems: allgemein zugänglich, Menschen und Orte verbindend, die Wirtschaft, die Umwelt und die Lebensqualität fördernd“.
Mehr Verkehr, größere Distanzen
Nach 1989 hat sich Vieles auch in Kronstadt geändert: die Zahl der Pkws hat stark zugenommen, neue Stadtviertel entstanden, obwohl die Stadtbevölkerung verglichen mit 1989 geschrumpft ist. Großbetriebe wurden geschlossen, manche Werke wurden aus dem Stadtgebiet ausgegliedert, neue Industrieplattformen entstanden in der Nähe der Stadt, wie auch große Einkaufzentren. Die Umleitung des Transitverkehrs entfernte aus dem Stadtverkehr vor allem die Fernlaster. Auf die Straßenbahn wurde verzichtet; Trolleybusse werden seltener. Erste Radwege wurden angelegt, der Versuch eines Radverleihsystems wurde unternommen. Der Kreisverkehr ersetzt immer mehr das Ampelsystem an den Straßenkreuzungen. Straßen und Straßenzufahrten wurden erweitert, oft auf Kosten der Bürgersteige und Grünflächen. Der Bau an einem neuen Flughafen bei Weidenbach wurde mit dem Anlegen der Landebahn gestartet.
Alte und neue Probleme konnten nur teilweise oder gar nicht gelöst werden: an Parkplätzen mangelt es vor allem in der Inneren Stadt, während vor den Wohnblocks der Platz für Pkws ebenfalls knapp wird, obwohl die Spielplätze und Grünflächen geschrumpft sind. In der Inneren Stadt und in der Oberen Vorstadt/ Schei-Viertel verläuft der Verkehr in den engen Gassen schwierig.
Der Einbahnverkehr z.B. der Ring um das neue Verwaltungszentrum (Kogălniceanu – 15. November – Toamnei – Hărmanului) erleichtert den Verkehr, verleitet aber auch zu höherer Geschwindigkeit – ein Risikofaktor. Bei vielen Kreisverkehrsinseln kommen die Fußgänger zu kurz: Die Fußgängerstreifen sind verlegt worden und es braucht mehr Zeit, vor allem für Personen mit Gepäck oder für Senioren, die breiten Boulevards zu überqueren. Nachträglich wurden sogenannte „Inseln“ im Mittelbereich eingerichtet – die Fußgänger müssen also nicht in einem Zug die Straße passieren.
Fußgänger und Radfahrer verlangen mehr Rücksicht; die Stadt soll nicht zu stark vom Auto dominiert werden. Der öffentliche Verkehr soll laut dieser Studie verbessert und umweltfreundlicher gestaltet werden –indem Elektrobusse und mehr Trolleybusse zum Einsatz kommen, indem die Busse besser gewartet werden und die Entwertung der Fahrkarten bzw. Cards vereinfacht wird. Einige Haltestellen sollen nach dem „Park and Ride“-Konzept eingerichtet werden. Da könnten Radfahrer ihre Räder abstellen und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen. Die Pendler und Fahrgäste aus benachbarten Ortschaften die per Fernbus oder Bahn anreisen, steigen dort um – so dass dort Verkehrs-Schnittstellen entstehen. Der Hauptbahnhof, die Postwiese, die Haltestelle beim ehemaligen IAR-Werk sind Knotenpunkte („noduri intermodale“) die in der Planung berücksichtigt werden. Andere wie Rulmentul und Triaj werden von Experten, wie z.B. Architekt Gruia Hilohi, in Frage gestellt.
Unterführungen als Variante
Derselbe Fachmann weist auf einen zunehmenden Druck hin, der im Westen der Stadt verzeichnet werden könnte. Die Zufahrt zur Autobahn, die Kronstadt mit der Hauptstadt verbinden wird, erfolgt nämlich über Neustadt, so dass der Verkehr Richtung Bukarest nicht mehr über Dârste – Untertömösch -Predeal abläuft. Wenn man in Betracht zieht, dass auf der Calea Făgăraşului (zwischen Bartholomäer Kirche und ehemaligem Munizipalstadion) auch der Verkehr in Richtung Hermannstadt abläuft, dann wird klar, dass das zu viel für diesen Straßenabschnitt ist. Nicht zu vergessen, der zukünftige Flugplatz liegt nicht weit von da entfernt. Der dazu gehörende Nahverkehr samt Anbindung an die öffentliche Verkehrsregie erfordert auch neue Straßen.
Vorgeschlagen wurde und nun in den Zwischenbericht aufgenommeneine Unterführung der Eisenbahngleise bei Bartholomä vom Tineretului-Stadion Richtung Hauptbahnhof in Länge von 650m (allerdings mit der Anmerkung, dass die Machbarkeitsstudie noch vorgelegt werden muss). Somit würde die Verbindung zum Stadtgebiet nördlich dieser Gleise viel leichter zustande kommen, da die Schienen als Verkehrshindernis verschwinden würden. Ein älteres Projekt kommt in diesem Bericht wieder vor, weil es die Verbindung zwischen dem historischem Stadtzentrum und dem Burggrundviertel wesentlich verkürzen würde: der Tunnel unter der Zinne. Für die Umsetzung dieses Projekts werden (wahrscheinlich erstmals) auch die Kosten geschätzt: um die 90.700.000 Euro. Nicht genannt, also darauf verzichtet, wird das Projekt einer unterirdischen Passage bei der Graft – ein Vorhaben gegen das unter anderem auch das Ortsforum Kronstadt protestiert hatte.
Der Verkehr in die Schulerau/Poiana Braşov läuft aus Kronstadt über den Schulerauweg ab, der bei der Postwiese beginnt. Um dahin zu gelangen muss man, egal aus welcher Richtung, die ganze Stadt durchqueren. Vor allem bei gutem Skiwetter am Wochenende ist die Schulerau voll. Die Folgen sind: keine freien Parkplätze und Staus, so dass die Verkehrspolizei manchmal gezwungen ist, den Verkehr zu sperren. Vorgeschlagen und teilweise bereits umgesetzt ist die Erweiterung der Parkplatzzahl mit dem Bau eines Parkhauses. Als Alternative zum Schulerauweg und zur Auffahrt aus Rosenau stehen im Gespräch: eine Zufahrt aus dem Westen der Stadt, eine neue Straße aus Neustadt zur Poiana Cristianului (wo es z.T. bereits eine Forststraße gibt) und eine zweite Variante aus Rosenau über das Cheişoara-Tal.
Um die Nutzung des Fahrrades in Kronstadt zu fördern, wird vorausgesetzt, dass die existierenden Radwege vernetzt und auch ausgebaut werden. Es fehlen noch Stellen, wo die Fahrräder abgestellt werden können, wie auch Stellen wo diese ausgeliehen werden. Am Marktplatz gibt es zwar eine solche Möglichkeit – aber gerade in der Inneren Stadt ist es wegen den engen Gassen und der Fußgängerzone entlang der Purzengasse schwieriger mit dem Rad zu fahren. Dafür sollten die Studenten als potentielle Radler leichter zu den verschiedenen Fakultäten der Transilvania-Uni kommen. In der Inneren Stadt wäre es denkbar, unter gewissen Voraussetzungen (Geschwindigkeitsbegrenzung, Entfernung von Hindernissen wie Bordüren oder Abgrenzungspfeiler) auf manchen Straßen ein System einzuführen das sich in manchen westeuropäischen, auch von Touristen stark besuchten historischen Stadtzentren bewährt hat. Es handelt sich um das Konzept von „Shared Space“ wo Fußgänger, Radfahrer, Pkw sich die Straße gemeinsam teilen indem gegenseitig Rücksicht genommen wird und Konfliktsituationen vermieden werden.
Aktuelle Herausforderungen und überraschende Vorschläge
Dass es sich bei der Stadtmobilität nicht nur um theoretische Überlegungen handelt, beweisen mehrere aktuelle Gegebenheiten für die man möglichst schnell Lösungen finden sollte. Drei Beispiele dafür:
- Jeden Morgen gegen acht Uhr kommt es in der Inneren Stadt zu kompletten Staus dem gegenüber auch die 5-6 Verkehrspolizisten im Sonderein-satz machtlos sind. Der Hauptgrund ist der Pendelverkehr der Eltern die ihre Kinder mit dem eigenen Pkw zur Schule fahren. Als Alternativen wären mehr Schulkleinbusse und ein zeitlich versetzter Beginn des Schulunterrichts zu nennen.
- Die Obere Vorstadt bleibt mit dem Auto schwer erreichbar. Der Verkehr in diesem Stadtteil ist, in den engen, oft auch steilen Gassen, nicht allein im Winter vor allem eine Herausforderung nicht nur für die Bewohner, sondern auch für Müllabfuhr, Feuerwehr und ärztlichen Rettungseinsatz.
- Das Noua-Stadtviertel ist vom Stadtzentrum her nur über den Umweg entlang der ohnehin verkehrsreichen Bu-karester Straße erreichbar. Eine parallel verlaufende Straße, stadtauswärts auf der rechten Seite der Bukarester Straße und eine direkte Verbindung von Noua zur Umleitungsvariante werden den Verkehr in der Bu-karester Straße entlasten und die Verkehrszeiten reduzieren.
In Ergänzung zu diesem Zwischenbericht kamen Vorschläge von Christian Macedonschi, Kronstädter Stadtrat seitens des Forums. Sie betreffen unter anderem mehrere Tiefgaragen z.B. im neuen Verwaltungszentrum, aber auch unter dem Marktplatz im historischen Stadtzentrum. Eine unterirdische Parkanlage mitten in der Inneren Stadt ist ein überraschender Vorschlag, der ausnahmslos von der Lokalpresse als unpassend und exzentrisch bezeichnet wurde. Damit würde der Pkw-Verkehr in der verkehrstechnisch schwer erreichbaren Inneren Stadt zusätzlich belastet werden. Dieser Vorschlag geht genau in die Gegenrichtung einer Überlegung des gegenwärtigen Bürgermeisters George Scripcaru, der eine erweiterte Fußgängerzone in der Inneren Stadt bevorzugen würde, in der die Klostergasse quasi zu einer zweiten Purzengasse mit Läden und Terrassen verwandelt würde. Dafür sollte der Verkehr hinter der Stadtmauer entlang der Graft umgeleitet werden. Ein weiterer Vorschlag Macedonschis - die Straßenbahn wieder einzuführen und zu erweitern – wird ebenfalls in Frage gestellt, da deren Trasse auch durch drei Stadtparks führen sollte und von nicht gerade breiten Straßen noch mehr an Fahrbahn verloren geht.
Das Thema Stadtmobilität gewinnt an Bedeutung, auch weil 2016 ein Wahljahr ist. Diskussionen sind erwünscht, wobei aber die Fachleute das letzte Wort haben sollten, nachdem sie die Erwartungen der Bevölkerung zur Kenntnis genommen haben.