Können Insider objektiv berichten? Das ist keine einfache Sache, doch ich will´s versuchen. Es gibt Leute, die solche Berichte aus dem Ärmel schütteln, dann gibt es manche, die sich Zeit lassen und nicht zuletzt solche, die alle Eindrücke unter Druck zu Papier bringen. Ich ließ mir Zeit und ließ das Erlebte zur Ruhe kommen, denn auch die gemeinsam erlebte Freude soll ihre Ruhe haben und sich setzen.
Termin stand schon vor zwei Jahren fest
Bereits 2023, bei der Begegnung der Arbeitsgemeinschaft „Neustadt in Europa“ in Neustadt an der Donau entstand in der Planung der nächsten Treffen, die in der Bürgermeisterrunde vorgenommen wurde, eine Lücke für 2024. Schon damals, beeindruckt von der Festlichkeit, wollte sich unser Bürgermeister Gicu Cojocaru für das Jahr 2024 melden, doch wir hielten ihn zurück, mit der Begründung, keine Rückendeckung vom Gemeinderat zu haben. Und die hatte er sich im Oktober 2023 eingeholt und trotz politischer Veränderungen durch die Wahlen im Juni 2024 wurden die Vorbereitungen schon zu Jahresende gestartet. Die Einladungen wurden im Januar 2024 verschickt, mit dem genauen Terminplan, an den man sich halten sollte. Ein Termin dafür stand bereits 2 Jahre davor fest, weil das große Siebenbürgertreffen der Siebenbürger Sachsen in Hermannstadt/Sibiu schon bekannt war. Eine Woche darauf sollte auch das Heimattreffen der ausgewanderten Burzenländer Sachsen aus Neustadt/Cristian stattfinden. So hatte man den Termin und arbeitete darauf los. Die Einladungen waren verschickt worden, doch nur zaghaft kamen Rückmeldungen. Rumänien… Cristian… Reise… Quartier… all diese Fragen wurden mit einem gewissen Vorurteil analysiert. Doch es hat sich gelohnt, Fragen und wieder Fragen zu stellen und sich schließlich den Entscheidungen und Hinweisen von Denisa Boltres zu ergeben. Sie hat diese Koordinierung von 188 Neustadt-Gästen wunderbar geschafft. Dazu Plakate organisiert, Wappen bestellt, Texte drucken lassen usw. Sie hat Telefonate und Mails wunderbar im Griff gehabt und auch die Betreuung während der Festlichkeiten über die Freiwilligen gut überwachen können.
Ein umfangreiches Programm
Doch da ist schon weit vorgegriffen. Denn außer dem Quartier für die geladenen Gäste musste noch weit ausgeholt werden. Denn nur Essen und Trinken sollte es nicht werden. So wurde dann mit dem Bürgermeister entschieden, beide Gruppen zusammen zu bringen; – die Gruppe „Neustadt in Europa“ und die HOG Neustadt (Gemeinschaft der Ausgewanderten Sachsen – Deutschen – aus Neustadt/Cristian). Aber dafür gab es keinen geeigneten Raum und auch andere Wünsche kamen zur Aussprache. Und als das Programm für die Gäste „Neustadt“ feststand, gesellte sich auch das Gemeindefest, die „Neustädter Tage“ hinzu. Ein Eventmanager wurde beauftragt Bühnen, Festzelte, Gastronomie, Sicherheit, Musik und Sänger für die Tage vom 8. bis 11. August 2024 unter einen Hut zu bringen, und dabei das Programm für „Neustadt in Europa“ beizubehalten, was ihm auch gelungen ist. Es war abwechslungsreich und für alle Geschmäcker hinreichend. Mehr als 7000 Besucher haben diese Tage genießen können, obwohl Neustadt/Cristian statistisch nur 7002 Einwohner zählt. Das Neustadt-Treffen begann am 8. August 2024 mit einem Paradeaufmarsch der Teilnehmer. Allen voran die Blasmusik des Deutschen Forums von Kronstadt. Es ging über die Hintergasse, die Mühlgasse zum Marktplatz, wo auf der Bühne die feierliche Eröffnung des Treffens durch Bürgermeister Gicu Cojocaru mit einer freundlichen Begrüßungsrede erfolgte. Reihum wurden die teilnehmenden Ortschaften „Neustadt“ an der Leinwand vorgestellt und durften ihre Paradetafeln entgegennehmen. Ein schönes Bild, Bürgermeister und Delegationen, in strahlender Positur zu sehen! Martin Frank, in Vertretung des Vorstandes, richtete eine kurze ergreifende Botschaft an alle Teilnehmer. Der Eröffnung wurde noch ein kurzes Kulturprogramm beigefügt, bestehend aus siebenbürgisch-sächsischen Tänzen (Zeiden), ungarischen Tänzen (Apa]a) und später folgenden rumänischen Darbietungen (Bran). In Siebenbürgen wohnen nämlich drei Ethnien beieinander, Rumänen, Ungarn und Deutsche (Siebenbürger Sachsen). Unmittelbar nach diesem Kulturprogramm unter klarem Himmel und bei drückender Hitze ging man zu der Ringmauer der Kirchenburg, wo die Wappen der einzelnen Ortschaften „Neustadt in Europa“ angebracht waren, um diese feierlich zu enthüllen. Als unser Bürgermeister die verhüllten Wappen freilegte, war das AHA-Erlebnis maximal. Freude über Freude zeigte sich unter den teilnehmenden Delegationen, hier fern im Osten, ihr Ortswappen zu sehen. Auch in der geselligen Runde beim Großen Saal von Cristian/Neustadt legte sich dieses Erleben schwer, so beeindruckend war das Geschehen, in internationaler Solidarität einander zu begegnen.
37 Eichen für 37 Mitglieds-Ortschaften
Der zweite Tag, der 9. August, war für touristische Ziele reserviert. Dafür wurde ein Angebot für das Bärenreservat und die Dracula-Burg ausgewählt. Das eine war ein Erfolg, jedoch das Zweite kam nicht ganz zur Durchführung, wegen des außergewöhnlichen Touristenstromes, – ja, jeder wollte doch Dracula begegnen. Es folgte pünktlich um 17.00 Uhr die Bürgermeisterrunde, in welcher in einer internen Sitzung Rechenschaft abgelegt und über Zukunftsprojekte verhandelt wurde. Alle anwesenden Bürgermeister und Delegierten konnten ihre Gedanken einbringen, was diese Gemeinschaft auch nach einjähriger Pause für die Zukunft brauchte. Als Abschluss dieser bedeutenden Runde wurde, so wie wir es von Neustadt an der Donau abgesehen hatten, das Begießen der Eichen auf der Neustadt-Allee vorgenommen. Eichen und Eichenbäume sind nämlich das Symbol von Cristian/Neustadt wegen der jahrhundertealten Eichen, die sich auf dem Hattert von Neustadt befinden.
Jeder Ortschaft, die Mitglied der AG Neustadt in Europa ist, das sind zurzeit 37, wurde bereits im April eine junge Eiche gepflanzt, mit Tafel und QR-Code. Begeisterung und ergreifende Freude sah man, als die Bürgermeister aus Ost und West um die 300 Jahre alte Eiche, in der Mitte dieser Neustadt-Allee „tanzten“. Worte reichen hier nicht, die muss man sich aus den einzelnen Presse-Berichten rausholen. Den Bürgermeistern wurde anschließend, weil die Zeit drängte, ein Besuch zum neuen Kloster von Neustadt/Cristian (beim Schillerbrunnen) geboten, wo der orthodoxe Pope des Klosters sie freundlich empfing und seinen Segen spendete. Leider konnte dieser freundliche und aufgeschlossene Geistliche an der Feierlichkeit des ökumenischen Gottesdienstes in der Evangelischen Kirche am Samstag nicht teilnehmen. Den Abschluss dieses Tages machte ein Protokollessen, welches diese Gemeinschaft noch mehr festigen konnte.
Zweisprachiger Gottesdienst
Laut Programm wurde von einigen Teilnehmern das Augenmerk auf den Samstag, 10.8, gelenkt, wo nach siebenbürgischem Muster das eigentliche Treffen der drei Gruppen seinen Höhepunkt haben sollte. Und das war dann eine gelungene Sache. Zum Gottesdienst wurde mit dem imposanten Glockengeläute eingeladen, einzigartig in der Harmonie der Burzenländer sächsischen Gemeinden. Der ökumenische Gottesdienst verlief nach vorgeplanter Ordnung, in welcher die über 500 stillen Teilnehmer nicht enttäuscht wurden. Das Orgelspiel, der Kirchenchor von Honigberg und die vielen Ansprachen passten vollkommen zusammen. Faszinierend die spätere Bemerkung, dass während der eineinhalb Stunden des Gottesdienstes kein Handy klingelte. Der alte rumänische orthodoxe Priester Nicolae Floroiu und unser evangelischer Pfarrer Uwe Seidner gestalteten, beidsprachig rumänisch-deutsch, die Liturgie und die Verkündigung nach siebenbürgischem Muster. Begrüßungen, Befreundungen, Adressenaustausch, Küsschen, Hallo usw., haben mit Sicherheit stattgefunden, – das war eigentlich der Zweck dieser europäischen Gemeinschaft, die erlebt werden sollte. Anschließend an das ökumenisch Erlebte im Gottesdienst des evangelischen Gotteshauses von Neustadt folgte der beeindruckende Festzug. Voran die Blaskapelle des Deutschen Forums Kronstadt, es folgte der siebenbürgische Trachtenzug vom Kirchenchor Honigberg, der Trachtengruppe Cristian, die Amtsträger von Cristian/Neustadt mit ihrem Bürgermeister und anschließend die Teilnehmer der Ortschaften „Neustadt“ – zum Abschluss dann die anderen Teilnehmer am Neustadt-Treffen, sowie die der Heimatortsgemeinschaft Neustadt aus Deutschland. Das war ein langer Festzug von etlichen hundert Metern, welcher sich von der Evangelischen Kirche im Zentrum bis zum großen Saal (dem sogenannten Gesellschaftshaus) bewegte. Im Hof des Gesellschaftshauses (gebaut 1927) stellte man sich im Kreis auf und gab sich gegenseitig durch Klatschen und Ovationen die gebührende Ehre. Das war auch so gedacht, damit sich alle „Neustädter“ begegnen und Freundschaft schließen. Noch mehr, dass sich die Delegationen der Teilnehmer an dem Treffen „Neustadt in Europa“ näher kennen lernen, miteinander kommunizieren und aneinander teilhaben. Es war auch Zweck und Grundgedanke, welcher dieses internationale Treffen begleiten sollte, nicht nur touristisch trockene Gedanken zu übermitteln, sondern Gemeinschaft auf sozial-kultureller Ebene zu schaffen. Das vorzügliche Essen im Festzelt und die anschließend befolgten Tanzaufforderungen von der Hermannstadt-Band wurden angenommen und ausgekostet.
Laser-Show und Konzerte
Doch es blieb nicht dabei. Die Neustädter/Cristian-Tage hatten bereits am 8. August am Marktplatz bei großer Bühne und Erlebnisständen der vorzüglichen rumänischen Gastronomie begonnen und die laute Musik hallte über den ganzen Ort. Hier konnten sich alle, auch Auswärtige beteiligen. Die Gruppe „Neustadt in Europa“ im Festzelt und die HOG-Neustadt im großen Saal waren jedoch geschlossene Gesellschaften, die nur durch Armband und Erkennungsmarke zueinander finden konnten. Trotz dieser notwendigen Differenzierung, weil bei einem Zulauf von 7000 Leuten die Möglichkeiten beschränkt sind, war der Samstag, 10.08, ein gelungenes Treffen. Das Echo aus allen Ecken Europas spricht dafür. Bis spät hat man im großen Saal tanzen können und bis spät gab es am Marktplatz von Cristian/Neustadt Bewegung. Den Abschluss machte eine Lasershow erst spät in der Nacht, welche die Teilnehmerortschaften von „Neustadt in Europa“ an den großen Kirchturm projizierte. Am Marktplatz unterm Kirchturm waren ringsum Stände aufgestellt, welche die vielen Besucher der angebotenen Konzerte bewirteten. An Konzerten gab es rumänische Folklore, bekannte rumänische Musik mit ihren Sängern, super moderne Auftritte, sowie ein wenig klassische Musik. Das ist der heutige Trend. Doch abgesehen davon, der Zulauf zu diesem Dreierfest, den Neustädter Tagen, dem Treffen „Neustadt in Europa“ und der Gemeinschaft mit der HOG (Heimatortsgemeinschaft) Neustadt war enorm.
Es ist nicht die Gier nach Kultur oder Event maßgebend, sondern der Wunsch nach Gemeinschaft, nach Zusammenschluss und Anteilnahme. Das haben die Siebenbürger Sachsen 800 Jahre hindurch im Karpatenbogen gepflegt. Sie haben Türkenkriege, Bürgerkriege und Epidemien überlebt, dank den einzigartigen Nachbarschaftlichen Statuten in Europa bis 1945, und haben somit den nationalen Veränderungen standhalten können. Was nach 1945 unter russischer Doktrin geschehen ist, wird die Geschichte noch klären. Enteignung, Deportation, Zwangsumsiedlung, Schauprozesse, Demütigungen und panikartige Auswanderung waren die Folge. Trotzdem blieb man heimatverbunden. Dieses Treffen war dafür die Bestätigung. Im großen Saal gab es Begegnungen besonderer Art. Kinder und Enkelkinder der durch den kommunistisch erwachsenen Druck ausgewanderten Neustädter Sachsen (Deutschen) konnten die Heimatstätte ihrer Ahnen besuchen und an dem traditionellen Gemeinschaftswesen teilhaben.
Gemeinschaft fördern und Gemeinschaften binden
Der Abschluss am 11. August in der Honigberger Kirchenburg, in welcher während der Türkengefahr Zuflucht gesucht wurde, sollte auch ein Highlight werden. Ein gemeinschaftliches Überleben bei großen Gefahren sollte hier sichtbar werden. Kirchenburg mit Wohnkammern zeugen davon. Nicht alle Gruppen konnten das sehen. Aber hier wurde christlicher Glauben und siebenbürgische Mentalität weitergegeben, was dieses Gemeinschaftswesen auch bekannt machte. Unser Bürgermeister Gicu Cojocaru verabschiedete sich würdig und stolz bei allen anwesenden Gruppen mit dem Wunsch „Gott gebe Frieden zu einem neuen Treffen“.
Letzte Frage steht offen, wem gebühren Ehre und Lob? Ich denke nicht nur den Organisatoren, sondern auch den Teilnehmern, also uns allen, die wir uns dem angebotenen Programm fügten. Der gebührende Dank ist bereits im ökumenischen Gottesdienst angesprochen worden, an welchem auch Prinz Eugen Ferdinand vom Hause Andronik-Cantacuzino teilnahm. Letztendlich war es eine gute Entscheidung, die drei Veranstaltungen für „Neustadt“ unter einen Hut zu bringen. Es war wohl nur ein Teilerfolg, die Gemeinschaft zu fördern und Gemeinschaften zu binden, doch es gelang aus unserer Sicht, nach altem Siebenbürger Spruch zu zeigen „was sich gehört“! Dass wir Gemeinschaft hatten, kann wohl kein Teilnehmer verneinen und die Hoffnung in der Arbeitsgemeinschaft „Neustadt in Eu-ropa“, diese Gemeinschaft zu pflegen, soll nicht nur ein Wunsch sein, sondern international, Länder übergreifend, wirken – ja greifen, trotz Gefahren, Leiden, Krieg und Not. Die Siebenbürgische Geschichte, als Geschichte Deutscher Siedler im Osten, ist ein Beispiel dafür. Trotz Reserven, gegen-über diesen „Neustädter“ Tagen, konnten alle auf der Bühne, im Zelt und im Gemeindesaal, wie auch als Publikum in den Veranstaltungen, eine wertvolle Erinnerung mitnehmen, um daran noch lange Zeit zu zehren. Einzelne Pannen beim Auschecken werden dabei übersehen, denn Gemeinschaft bindet sogar in einzelnen Nöten, und der Zweck des Treffens war somit erfüllt. Ob dieses Treffen zu Partnerschaften führen wird, liegt nicht an meiner Entscheidung, sondern in Gottes Willen.