Man hat nicht jeden Tag die Gelegenheit, die Stadt und die umgebende Natur von oben zu bewundern, das Knirschen der Dielen auf dem Dachboden der Schwarzen Kirche zu erleben, neben der mittleren Glocke zu stehen, wenn sie gerade läutet, oder die bunte Turmuhr von ganz nah zu betrachten. Deshalb war die Turm-, Glocken- und Dachführung von vergangenem Mittwoch ein Erlebnis. Auch die Buchholz-Orgel – die größte mechanische Orgel Rumäniens - hört man selten aus der Höhe, was dem Klang eine ganz andere akustische Dimension verleiht.
Von dem Turm der Schwarzen Kirche reicht der Blick bis weit weg an die Grenzen des Burzenlandes. Durch die Purzengasse schlängeln sich brav die aneinandergereihten Sonnenschirme und Terrassen, die herbstlich getönte Zinne wirkt von hier erst recht imposant, die Dächer gehen von mittelalterlich (in der direkten Umgebung) bis modern (in den Vierteln), man kann die Konturen der ehemaligen Stadtbefestigung an den übriggebliebenen Türmen und Basteien genau erkennen, die Obere Vorstadt strahlt Ruhe und Gelassenheit aus, und wer ein Auge für Details hat, entdeckt eine Vielfalt von Schornsteinen und Wetterfahnen in allen Größen und Formen.
Die Gruppe von zwanzig Besuchern, die sich alle lang im Voraus angemeldet hatten, wurde von Liliana [elaru auf den Turm geführt. Allerdings muss man schon gewissermaßen sportlich und fit sein, um die hohen Treppen ohne Aufschnaufbedarf zu besteigen. Die Hauptattraktion, nachdem man den riesigen Dachboden hinter sich lässt, sind die drei Glocken. „Die größte schwingende Glocke Rumäniens“ wiegt ganze 5870 kg. Vor mehr als 150 Jahren wurde sie zur Kirche auf einem von acht Paar Ochsen gezogenen Wagen gebracht und drei Tage lang bis hinauf auf den Turm gehoben.
Erst seit 1970 verfügt sie über ein elektrisches Läutewerk, bis dann wurde sie von acht Männern gezogen – ein dickes Stück Seil „von früher“ ist heute noch zu sehen. Da die Glocken treue Begleiter für den Alltag der Kronstädter und für die wichtigsten Feiern im Leben der Kirchengemeinde sind, werden sie personifiziert. So erzählt die große Glocke mittels einer Inschrift über sich selbst: „Im Jahre 1858 schufen mich durch Meister Johann Andraschofski, seine Söhne Johann und Ephraim und seinen Neffen Ephraim aus Klausenburg die Liebesgaben der Gemeine in Kronstadt.“
Christliche Symbole sowie die Bibelzitate „Wachet und betet“ (der Wahlspruch von Johannes Honterus) und „Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit“ verzieren die Glocke, die auch von Engelfiguren beschützt wird. Kein Wunder, dass sie im Laufe der Geschichte Sturz, Feuer und Schmelzung überlebt hat. Die „Werktagsglocke“ ist etwas älter (1839) und wiegt rund 1000 kg. Sie dürfte den Kronstädtern am bekanntesten klingen. Die kleinste und älteste Glocke stammt aus dem Jahr 1791 und wiegt 235 kg.
Die einstündigen thematischen Führungen unter dem Titel „Vergangenheit im Lichtkegel“ gibt es auch im September, jeweils mittwochs ab 17 Uhr. Die Themen lauten: „Ich will dem Herrn singen mein Leben lang“ - Eine Orgelführung mit Steffen Schlandt (5. September), „Bloß Glanz des Islams?“ - Teppichführung mit Ágnes Ziegler (12. September), „Des Gestühls Streitigkeit...“ - Sitzordnung, Gestühlnutzung und Tischlerkunst, präsentiert von Richard Sterner (19. September). Der Eintritt kostet sechs Lei. Anmeldungen im Pfarramt der Honterusgemeinde: Marktplatz 17, Telefon 0268/511824, E-Mail info@biserica-neagra.ro