Vor 50 Jahren

Aus den Geschehnissen, über welche die Volkszeitung in der ersten Jahreshälfte (März-Juli) berichtete, wollen wir in diesem Rückblick bei denen verweilen, welche sich von dem Propagandatrend absonderten.
In der Ausgabe vom 18. März (Seite 2) wird z.B. knapp über die erste Tagung derer berichtet, welche im Tourismus mit Ausländern arbeiten - eine Schulung wie aus dem Text hervorgeht - für die Umgangsweise mit den „Ausländern“, wobei die ersten massiven Reisegruppen aus dem Westen gemeint sind, die nach Kronstadt oder in die Schulerau kamen. Ein anderer Vermerk über die Öffnung Richtung Westen finden wir in der Ausgabe vom 5. April (Seite 4) als über die Beteiligung Rumäniens an einer Touristikmesse in Dänemark berichtet wird.

Die Landesgeschichte, Gegenstand einer stetigen „Neueinschätzung“ (andere Bezeichnung für Umschreibung) wurde manchmal sehr gekonnt genutzt: so für eine dem Theologen und Humanisten Johannes Honterus und dem ersten Rektor des Kronstädter Gymnasiums Valentin Wagner gewidmete Ausstellung im „Arta“ Saal. Der Autor des Beitrages, Historiker Gernot Nussbächer, nutzte die Gelegenheit, um den Lesern der Volkszeitung mehr als nur die in der Ausstellung enthaltenen Angaben zu vermitteln. Ausführlicher wurde in der Ausgabe vom 8. April, von Paul Binder, von der Regionsbibliothek über die Geographen-Tätigkeit von Honterus berichtet: der Untertitel meint das Honterus eine „territoriale Einheit richtig erkannt“ hat, doch im Text selbst ist keine Rede davon.
Eine Erwähnung verdient auch ein Bildtext, der sich von den geläufigen Straßenbezeichnungen der Jahre absondert: eine von neuen Plattenbauten gesäumte Verbindungsstraße zwischen der Bukarester und der Seusoner Straße. Damals ist die damals kaum bebaute „Zizinului“ gemeint, für die es allerdings auch heute noch keine verbriefte deutsche Bezeichnung gibt.

Ein krasses Beispiel für die Umschreibung der Geschichte konnten die Kronstädter jedoch in der Ausgabe der Volkszeitung vom 22. April lesen, als über den Besuch des jugoslawischen Staats- und Parteichef Josip  Broz Tito  berichtet wurde. Da der Autor dieser Zeilen selbst in der Bahnstraße zusammen mit der ganzen Schule Spalier stehen musste, sind noch Erinnerungen lebendig. Die Bemerkungen der Erwachsenen, ob wohl auch alle Plakate, welche den serbischen Marschall blutrünstig mit einer Axt als Schlächter darstellten, rechtzeitig entfernt worden sind, klingt auch heute nach. Bis vor kurzem war er der große Feind, im April ’66 war er der Bruder und wir kauften uns die beliebten Rollkragenpullover Helanka, natürlich geschmuggelt.
Am 12. Mai widmete die Volkszeitung etwas Platz auf Seite eins, um den Lesern die neue Regelung für Fahrzeugkennzeichen zu erklären. Vor das Kreiskennzeichen BV kam eine Zahl oder Zahlengruppe welche die Einstufung als Privatauto, Dienstfahrzeug, Sonderfahrzeug usw. angab.         
     
1966 gab es  auch einige Filmpremieren, die volle Kinosäle brachten. Abenteuerfilme, wie die Winnetou und Old Shatterhand Serien, die Haiducken hatten die Partisanenfilme endgültig abgelöst. Den „Galanten Festen“, eine französisch-rumänische Produktion (Regie: Rene Claire) widmete die Volkszeitung gebührende Aufmerksamkeit und Raum als der Streifen im Juni 1966 nach  Kronstadt kam, ebenso wie den „Haiducken“, die Marga Barbu zum Star des rumänischen Films machten. Die Degen & Mantel-Filme erreichten ihren Höhepunkt mit „Der kühne Pardaillan“ (mit Gerard Barry), „Mir nach, Canaillen!“ (DEFA Berlin mit Manfred Krug) oder „Scaramouche“.
Auch französische Streifen gab es mehr, vor allem Abenteuerfilme und Komödien. Den Anfang machten die der „Angelique“ Reihe mit Michelle Mercier, deren Frisur nachgeahmt wurde und die Fortsetzung der „Fantomas“ Serie durch die Louis de Funčs zum Publikumsliebling wurde.