Weil der Vertrieb von Dokumentar- und Autorenfilmen sehr lahm ist in Rumänien und es kaum noch Kinos gibt, wo diese gezeigt werden, sind Filmkarawanen eine gute Alternative. Manche finden unter freiem Himmel statt, andere in Kinematheken oder Kulturhäusern, in großen und in kleinen Städten. Sie sind sehr willkommen, wie etwa Anfang des 20. Jahrhunderts, als es noch keine Kinos gab und in Jahrmärkten oder unterschiedlichen Einrichtungen ausgestrahlt wurde.
Schon zum fünften Mal nacheinander bringt die Filmkarawane des rumänischen Dokumentarfilms „Docuart“ neuste Produktionen in die Zinnenstadt und fährt bis Juni durch 9 weitere Städte, mit dem Ziel, dieses Filmgenre dort bekannt zu machen, wo es sonst wenig oder gar nicht zu sehen ist.
Acht Leinwandgeschichten haben am vergangenen Donnerstag und Freitag, trotz unfreundlichem Wetter, zahlreiche Filmliebhaber in den Saal der Patria-Kinemathek angelockt. Besonders begehrt sind die Frage-Antwort-Runden mit den Filmemachern, die den Ausstrahlungen folgen. “Für mich ist es wichtig zu sehen, wie der Film in den verschiedenen Orten aufgenommen wird” sagt Regisseur Victor Galușcă und die Kamerafrau Ileana Szasz ist begeistert über das “neugierige, offene und warme Publikum” aus Kronstadt.
Ionaș, ein alter Mann aus einem abgelegenen Dorf aus der Maramuresch, verbringt jede Nacht auf seinem Maisfeld, um es vor den Wildschweinen zu beschützen. Er sitzt in seinem Wohnwagen und kämpft mit dem Schlaf, weil er davon überzeugt ist, dass das Träumen verstorbener Menschen den Regen bringt und der Regen bringt, zweifelsohne, die Wildschweine. Obwohl der Kampf mit dem Schlaf und den Wildschweinen nichtig erscheinen mag, ist er doch wesentlich für Ionaș.
Auf seiner Suche nach einem Thema für seine Bachelorarbeit stößt der Student Victor Galușcă auf ein verlassenes Haus in einem fast leeren Dorf in der Republik Moldau. Dort liegen etwa 4000 Schwarzweißnegative aus den 60er Jahren, die die Welt der Dorfbewohner darstellt. Der Student macht den poetischen Film „Cine iubește și lasă“ über diese Fotos und das Dorfleben früher und jetzt und bringt somit den Fotografen Zaharia Cușnir wieder zum Leben.
Ein Dorf, gute Ernte aber keine Verkaufsstrategie. So sieht die Landwirtschaft im Dorf Lungule]u im Süden Rumäniens aus. Obwohl sie nach harter Arbeit 100.000 Tonnen Kohl und Kartoffeln geerntet haben, warten die Bauern vergeblich auf Kunden und bleiben mit der Ware, die sie entweder vernichten oder verscherbeln. Regisseur Șerban Georgescu hat ein Jahr lang im Dorf verbracht um zu verstehen, was schief läuft und portraitiert im Film ”Kohl, Kartoffel und Dämonen” die Situation der hiesigen Landwirtschaft.
Bis im Sommer werden diese und andere beim Bukarester Dokumentarfilmfestival “Docuart Fest” preisgekrönten Dokus unter anderen in Hermannstadt/ Sibiu, Vălenii de Munte, Târgu Jiu, Klausenburg/ Cluj-Napoca, Temeswar/ Timișoara ausgestrahlt. „Wir wollen im Land Dokumentarfilm-Gemeinschaften gründen, oder die bestehenden Gemeinschaften stärken und es ist eine Pflicht für uns geworden, die Karawane jährlich durchzuführen, weil ein riesiger Bedarf danach besteht“, sagt Daniela Apostol, Veranstalterin seitens des Vereins “Docuart”. Das sehe sie an der andauernd steigenden Anzahl des Publikums, die sich in manchen Städten in den fünf Jahren verzehnfacht hat.
Die Karawane ist eine “notwendige Folge” des “Docuart Fest”, das seit sieben Jahren in Bukarest stattfindet, erklärt Apostol. Sie hat das Festival ins Leben gerufen, aus der Notwendigkeit rumänische Dokumentationen zu sehen und auch anderen Filmliebhabern zu zeigen. Vor allem Studentenfilme sehen hier zum ersten Mal das Tageslicht und kommen an ein breites Publikum, was für die jungen Künstler eine hervorragende Chance ist zu sehen, wie ihr Werk aufgenommen wird.
Neben Festival und Karawane stehen auf der Docuart-Online-Plattform das ganze Jahr über etwa 50 Dokumentationen kostenlos zur Verfügung. Für Neugierige und Filmliebhaber wurde dieses Jahr sogar eine Privatakademie gegründet, “Academia Docuart”/ “Docuart Akademie”, die mehrere Ausbildungsangebote im Bereich Dokumentarfilm anbietet, wobei das Endprodukt ein Film ist. An den Filmhochschulen im Land wird diesem Genre sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sodass jede Initiative in diese Richtung mit offenen Armen aufgenommen wird.
Die Docuart-Karawane wird vom Verein Docuart organisiert und vom Rumänischen Kultusministerium und dem Nationalen Filmzentrum (CNC) mitfinanziert und sieht freien Zugang für Zuschauer vor.