Der Lehrerstreik hat vieles durcheinander gebracht. Die Rochade an der Spitze der Regierungskoalition musste verschoben werden, die Schule fiel für drei Wochen aus, die Abschlussprüfungen waren in Gefahr, nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt stattfinden zu können. Die Straßenproteste in Bukarest und in vielen anderen Städten waren größer als die Regierung es erwartet hatte. Bis zuletzt konnten die Protestierenden vieles erreichen von dem, was sie ursprünglich gefordert hatten, so dass behauptet werden kann, sie haben nicht umsonst gestreikt.
Eigentlich sollten Lehrer nicht streiken und erst recht nicht für ein besseres Gehalt. Denn ihr Platz sei in den Klassenräumen mit ihren Schülern. Diese Meinung vertritt Mircea Bertea, Vorsitzender des Landesverbandes der Päda-Kollegs und -Lyzeen. Sie wird von vielen geteilt, die der Ansicht sind, dass die Gesellschaft, der Staat dafür zuständig seien, den Unterricht, angefangen von Kindergarten bis zur Hochschule, entsprechend zu fördern. Das sei etwas Selbstverständliches und von größter Bedeutung, denn es gehe um die Erziehung der nächsten Generationen, um die Zukunft und den Wohlstand des Landes. Dass Lehrer für mehr Geld protestieren, sei eine Demütigung, eine Schande für alle, vor allem für die politische Klasse.
Eltern und Schüler zeigten Verständnis für die Proteste der Lehrer und sagten ihnen ihre Unterstützung zu. Allerdings bis zu dem Punkt, in dem der Streik persönliche Konsequenzen zur Folge haben könnte. Zum Beispiel ein Aufschub der Prüfungen oder sogar ein Einfrieren des Schuljahres, also ein verlorenes Jahr. Da war eine Grenze erreicht – denn nun konnte der Streik auch als Erpressung angesehen werden; ein Kampf der Lehrer, der auf Kosten von unschuldigen Kindern ausgetragen wird.
Andrerseits kann behauptet werden: die Lehrkräfte haben vorgezeigt, wie man sich für die eigenen Rechte, aber auch für einen besseren Unterricht also für das Allgemeinwohl einsetzen kann oder sogar muss. Eine praktische Lektion von Solidarität und Engagement.
Es geht nicht nur um Geld
Das Ansehen, die Wertschätzung die den Lehrkräften entgegen gebracht wird, hatte, nicht nur nach 1989, viel zu leiden. Wenn Unternehmer, Stars aus dem Showbusiness und sogar Politiker sich regelrecht loben, dass die Schule eigentlich nicht viel für sie bedeutet hätte, dass man auch ohne Schule im Leben viel erreichen kann, dann sind das eindeutig die falschen Beispiele, denen man entschieden widersprechen sollte. Wenn es zu Gewalttaten gegen Lehrer kommt, wenn Eltern sich abschätzend über sie äußern und glauben, dass deren Autorität in der Schule wann immer in Frage gestellt werden kann, dann ist eine Grenze überschritten. Hinzu kommt das weit verbreitete Klischee, der Lehrerberuf sei eigentlich kein richtiger Beruf. Mit den Kindern einige Stunden verbringen – das sei eine leichte Aufgabe. Und dafür noch drei Monate Urlaub pro Jahr zu haben, dafür könne man den Lehrer oder die Lehrerin nur beneiden. Zugegeben, so eine Einstellung ist nicht nur hier und jetzt festzustellen. „Schaffst du‘s nicht zum Straßenkehrer, wirst du wohl Realschullehrer“, ist ein recht verbreiteter Spruch in Deutschland, womit man die Lehrerschaft ärgern und nicht schätzen will.
Vor der Wende waren die Lehrer hierzulande in der Situation, nicht nur politische Auffassungen vertreten zu müssen, die ihnen auferlegt wurden, sondern es wurde Druck ausgeübt, möglichst wenige Schüler durchfallen zu lassen. Von alternativen Lehrbüchern, internationalem Schüleraustausch, Gastlehrern konnte man damals nur träumen.
Heute wird dem Unterricht allgemein bescheinigt, besonders wichtig zu sein. Sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen dem Unterrichtswesen zu, heißt es seit 2011 im Unterrichtsgesetz. Nur wird dieses Gesetz nie eingehalten. Knappe 50 Milliarden Lei sollen in diesem Jahr dem Unterrichtsministerium zugewandt werden, was rund 3,2 Prozent vom BIP darstellt. Mehr Geld ist aber nicht nur als Zuschuss für die Personalkosten zu verstehen. Neue Schulgebäude, eine bessere Ausstattung, vor allem betreffend Digitalisierung, Geld für Schulbusse und Schülertransport in kleinen abgelegenen Ortschaften, Maßnahmen gegen den Schulabbruch sind notwendig. Aber eine Steigerung der Qualität des Unterrichts zu erwarten, ohne dabei die Arbeit der Lehrer entsprechend zu entlohnen, das wird nicht gelingen. Die vielen Reformversuche der letzten Jahrzehnte brachten eher Unsicherheit und Inkonsequenz als die erwarteten und so notwendigen Erneuerungen. Präsident Klaus Johannis, selber von Beruf Physiklehrer und als Generalschulinspektor in Hermannstadt tätig, bevor er zum Bürgermeister gewählt wurde, hat das Landesprojekt „Das gebildete Rumänien“ initiiert. Leider ist dieses eher als theoretisches Konzept wahrzunehmen, dessen Umsetzung wohl erst mit den neuen Unterrichtsgesetzen in Verbindung gebracht wird.
Koeffizienten und Budget-Aufteilung
Die Lehrkräfte und alle, die mit dem Erziehungswesen in Verbindung gebracht werden, gehören bekanntlich zu den Staatsangestellten („bugetari“). Deren Zahl liegt bei rund 1,3 Millionen Personen. Im Bereich Unterricht sind fast 300.000 Personen tätig. Die einheitliche Entlohnung im Staatssektor war schon immer ein Thema, das heftig umstritten blieb. Denn es geht um die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Geldmittel aus dem Staatshaushalt. Was ist wichtiger und sollte dementsprechend entlohnt werden: Gesundheit, Armee, Unterricht, Verwaltung oder Justiz?
Der Experte in öffentlicher Politik und Entwicklung Sorin Ioni]˛ glaubt, dass eine einfache arithmetische Lösung uns in diesem endlosen Disput weiter bringen könnte. Sein Vorschlag: Man nehme die zur Verfügung stehende Gesamtsumme für Gehälter („anvelopa salarial˛“) und teile diese auf die Gesamtzahl der Staatsangestellten auf. So kommt man auf einen Mittelwert, einem Koeffizienten 1. Nun müsste man sich einigen, welche Bereiche über diesem Koeffizienten stehen und welche darunter fallen. Einfach als Rechenbeispiel nennt er auch einige Zahlen: Justiz Koeffizient 3; Gesundheit 1,5; Unterricht 1; Beamte in ländlichen Bürgermeisterämtern 0,85. Wie und wann man sich auf eine solche Hierarchie einigt, wäre ein langer, schwieriger und konfliktreicher Prozess. Wünschenswert wäre, dass da transparent verhandelt wird, dass nicht die eine oder andere Berufskategorie sich Vorteile auf Kosten einer anderen Gruppe oder (warum nicht?) auf Kosten der gesamten Gesellschaft sichert. Wenn man solche Koeffizienten als Grundlage für die Entlohnung akzeptiert, wäre das besser als mit Geldsummen zu rechnen und über verschiedene Prämien, Zuschläge oder Entschädigungen immer wieder ausgleichend einzugreifen, wobei nicht vergessen werden sollte, dass ein einmal erkämpftes Recht (der Lohnwert) nicht auf Dauer rückgängig gemacht werden kann. Diese Koeffizienten würden für Gleichgewicht sorgen, wenn z.B. die Zahl der Staatsangestellten ansteigt oder fällt, denn es müsste nicht ständig neu verhandelt werden, wer wie viel hinzuverdient.
Nun soll die Entlohnung im Unterrichtswesen berücksichtigen, dass einem Lehrer als Berufseinsteiger der Brutto-Durchschnittsgehalt auf Landesebene zugesichert wird.
Die Gehaltsabstufung in diesem Bereich geschieht nach der Lehramtsstufe („grad didactic“), nach dem Dienstalter, nach der Ausbildung, gegebenenfalls nach der Funktion im Falle von Rektoren, Direktoren, Inspektoren. Lohnerhöhungen gibt es auch im Fall der Angestellten, die nicht direkt am Unterrichtsprozess beteiligt sind.
Ein allgemeines Durchatmen gab es allerdings nicht. So richtig vertrauen die Lehrkräfte und ihre Gewerkschaften der Regierung nicht, weil die jüngere Geschichte gezeigt hat, dass versprochene Gesetzesänderungen aufgeschoben werden oder durch Anwendungsbestimmungen aufgeweicht werden können. Deshalb sprechen die Gewerkschaftsvertreter von einem Aussetzen des Streiks, der sofort wieder aufgenommen wird, falls die vereinbarten Abkommen nicht eingehalten werden. Das Beispiel der Lehrer machte, wie erwartet, „Schule“. Auch im Gesundheitswesen und unter den Ordnungskräften werden nun Forderungen betreffend Lohnerhöhungen und erste Protestdrohungen geäußert. Auch sie meinen, nicht entsprechend ihrer Arbeit und deren Bedeutung bezahlt zu werden. Selbst wenn alle mehr Geld vom Staat verlangen und eine bessere Entlohnung durchsetzen, heißt das nicht, dass Inflation, Krise oder politische Instabilität aus der Welt verschwinden.