„Die Unsterblichkeit der Wildfrauen“ ist der neuste Band des 1951 in Oberwischau geborenen Sprachforschers Anton-Joseph Ilk, der kurz vor Weihnachten erschienen ist. Am gleichen Tag traf bei der Buchpräsentation ein zahlreiches interessiertes Publikum ein, um an dem festlichen Ereignis im Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich in Linz, von dem der Band herausgegeben worden ist, teilzunehmen. Die bilinguale Ausgabe umfasst 200 mündlich überlieferte Märchen, Sagen, Schwänke und Alltagserzählungen altösterreichischer Holzfäller aus den nordrumänischen Waldkarpaten, die in Wischaudeutsch bzw. Hochdeutsch wiedergegeben werden. Der Band ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Feldforschung des Sprachforschers und Theologen Anton-Joseph Ilk, die er bis zu seiner Ausreise 1998 in das Herkunftsland seiner Vorfahren unternommen hat. 2009 promovierte er an der Universität Wien in der Disziplin Europäische Ethnologie, ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde und im Arbeitskreis Karpatendeutscher Schriftsteller. Durch diesen neuen, fast 700 Seiten starken Band wird die Übersicht des Erzählguts der verschiedenen Gruppierungen der deutschen Bewohner Rumäniens – Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Sathmarschwaben, Zipser – abgerundet.
Im Vorwort der Herausgeber zu diesem umfangreichen Band betonen Mag. Stephan Gaisbauer, Sprachwissenschaftler am Stifter-Institut und Univ.-Prof. Dr. Hermann Scheuringer, Germanist an der Uni Regensburg und Sprachwissenschaftler am Stifter-Institut, dass Anton-Joseph Ilk „sich sein ganzes Leben lang mit Aufzeichnung und Veröffentlichung der verschiedenen Erzähltypen befasst. Nach zahlreichen Veröffentlichungen aus früheren Jahrzehnten, weitgehend noch im kommunistischen Rumänien publiziert und bibliographisch schwer zugänglich, erschien im Jahre 2010 seine Wiener Dissertation, mehr Summe als Auftakt eines wissenschaftlichen Lebens, unter dem Titel ‚Die mythische Erzählwelt des Wassertals‘ als Band 15 der ‚Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich‘. Was sein Doktorvater Olaf Bockhorn schon in seinem damaligen Geleitwort als ‚opus magnum‘ bezeichnet hat, wird mit dem vorliegenden Band wenn nicht übertroffen, so zumindest noch einmal vermehrt und vergrößert“.
Nach dem Band „KARPATENbeeren. Bairisch-österreichische Siedlung, Kultur und Sprache in den ukrainisch-rumänischen Waldkarpaten“ von Stephan Gaisbauer und Hermann Scheuringer hat der Arbeitsbereich Sprachforschung des Adalbert-Stifter-Instituts sich immer auch dieser Sprachinsel gewidmet. Anton-Joseph Ilk veröffentlichte gemeinsam mit Johann Traxler 2009 die „Geschichte des deutschen Schulwesens von Oberwischau“. Es folgte 2010 „Die mythische Erzählwelt des Wassertales“ von Anton-Joseph Ilk. 2014 brachte Gertraude Schmitzberger den Band „Die Entstehung des Waldwesens im Wassertal“ unter der Mitarbeit und Herausgeberschaft von Kurt Druckenthaner und Anton-Joseph Ilk heraus, der dann 2015 erneut gemeinsam mit Johann Traxler den Band „Liedgut und Bräuche aus dem Wassertal“ veröffentlichte. Zu erwähnen ist auch, dass der Oberwischauer Autor bis zu seiner Ausreise mehrere Sammlungen mit dem Erzählgut seines Heimatge bietes in Rumänien veröffentlicht hat und ein geschätzter Mitarbeiter unserer Wochenschrift und vieler anderen deutschen Publikationen war.
Die 200 Erzählungen im Inhalt des Bandes sind thematisch gegliedert. Beispielweise die Märchen und märchenhaften Erzählungen umfassen u.a. Lebensweisheiten, mündliche Überlieferungen über besondere Vorfälle in dieser Welt der Holzfäller. Es folgen Grusel- bzw. Legendenmärchen, Sagen und sagenhafte Erzählungen von Waldmännern und Wildfrauen, von Werwölfen, von Wichtelmännlein und von Seelen Verstorbener, vom Teufel und seinem Kind, von Hexern und Hexen u.a. Aber auch Schwänke mit belehrenden Erzählungen, Begebenheiten aus dem Zipser Alltag, Belehrungen, Bezugnahmen auf Bräuche, Riten und Vorschriften aber auch auf das ethnische Zusammenleben in dem Gebiet, über Träume und Traumdeutung. Außer dem Vorwort und der Einleitung des Autoren, der den Leser in diese wunderbare Welt-die leider durch das zahlenmäßige Schwinden dieser Volksgruppe droht, sich dem Ende zu neigen-einführt, enthält der Band außer den zahlreichen Illustrationen (zum Großteil vom Autoren selbst gemacht), auch einen Anhang der Karten zu dem Gebiet und eine Übersicht der Straßennamen aus Oberwischau. Der Band bietet außerdem einen Blick auf die Feld-, Flur und Waldbezeichnungen im Gebiet, eine Liste der Buchveröffentlichungen von Anton-Joseph Ilk sowie Beiträge in Anthologien, Sammelbänden und Nachschlagewerken, Rezensionen zu den vom Autor verfassten Büchern, Interviews, die er gewährt hat. Zu erwähnen ist desgleichen auch die abschließende Erzählung des Wiener Kunsthistorikers Rudolf Bergner „Das Wächterhaus von Suliguli“, die er 1885 veröffentlicht hat und dem Wassertal widmete. Zudem enthält der Band auch eine Audio-CD mit 12 live aufgenommenen Erzählungen.
Es ist schwer, eine Auswahl zu treffen, auf den Inhalt der einen oder anderen Erzählung einzugehen, eine Wertschätzung vorzunehmen, da alle aufgenommenen Texte ihre Eigenheiten aufweisen, in jedem Besonderheiten entdeckt werden. Auch gibt es mehrere Varianten der gleichen Erzählung, aufgenommen von unterschiedlichen Bezugspersonen. Über die „Wildfrauen“ gibt es zwei, über die bezüglich „Warum schreien die Gänse bei Nacht, und warum hat die Nuss in der Mitte ein Kreuz?“ werden acht und über „Petrus und der Meister“ sogar elf Varianten geboten. Die Siedler des Wasserales, die vorwiegend aus dem ober-österreichischen Salzkammergut und aus der slowakischen Zips Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts herkamen und sich da niedergelassen haben, bewiesen Fleiß und Fachkenntnisse, aber auch den Glauben an Gott in dem sie lebten, eine Kulturtradition, die durch ihre Besonderheiten einzigartig für die deutschen Siedlungsgebiete in Rumänien auffällt. Durch die schwere Arbeit, die sie leisteten und den Gefahren, denen sie besonders als Holzfäller ausgesetzt wurden, entstanden auch diese Erzählungen, die von Aberglauben bis zu konkreten Erlebnissen reichen. Ebenfalls spezifisch für diese Siedler ist die gegenseitige Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt, der gegenseitige sprachliche Einfluss durch das Zusammenleben mit den anderen da lebenden Gemeinschaften wie Rumänen und Ukrainern. Der Autor hat den Titel des Bandes der Wildfrau gewidmet, da diese eine ganz besondere Stellung in dem Erzählgut der Zipser einnimmt.
Anton-Joseph Ilk hat eine Mammutarbeit durch das Sammeln, Ordnen, Bearbeiten und Veröffentlichen des Kulturguts aus diesem Landstrich geleistet, das somit für die Nachwelt erhalten bleibt. Besondere Anerkennung ist dem Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich zu geben, das fünf umfangreiche Veröffentlichungen den Zipsern im Wassertal gewidmet hat. Der Band der beim Adalbert-Stifter-Institut in Linz - www.stifter-haus.at - zum Preis von 25 Euro plus Versandkosten bestellt werden kann, spricht den Leser gleich welchen Alters eben durch diese Vielfalt der Thematik an, die einen in eine andere Welt versetzt.