Der Hund von der Tankstelle ist keine Schönheit und erst recht kein Kuscheltier: Schwarzbraun ist er, ziemlich groß, immerhin mit ein paar blonden Flecken am Hals und über den Augen, die so drein blicken wie die fast aller Streuner – rätselhaft und resigniert. Oder ist das schon menschelnde Interpretation?
Herma Kennel, die in Bukarest vor und nach der Wende gelebt und geschrieben hat und inzwischen nach Berlin heimgekehrt ist, hat dem scheuen Einzelgänger von dort aus ein Buch gewidmet, das man ein Realo-Märchen nennen könnte. „Der Hund von der Tankstelle“, so der Titel ihres im Hermannstädter hora Verlag erschienen Bändchens, hat viele Facetten: Die Autorin hat dem Straßenhund ein Denkmal gesetzt, liebevoll, aber keineswegs sentimental, in Form einer spannenden, anrührenden und durchaus auch lustigen Erzählung. Eine leise, zurückhaltende Beziehung hatte sich über Jahre zwischen der Autorin und dem realen Tankstellenhund entwickelt, einem Frauchen- und Herrenlosen, wie es sie überall im Lande gibt.
Der an der Tankstelle geduldete Dauergast, den freundliche Menschen mit Wasser und gelegentlich auch mit Fressbarem versorgten, ist nun Held eines höchst unterhaltsamen Abenteuers zwischen Wirklichkeit und Traum: Unerreichbar scheint ihm die hübsche weißpuschlige Linda, die mit den Popescus hinter hohen Gittern in einer Villa lebt. Doch der unscheinbare Streuner ist eine einfallsreiche Persönlichkeit, die nicht aufgibt. Fein und genau gezeichnet hat Herma Kennel, Autorin etlicher Kinderbücher sowie politischer Sachromane, Szenen aus dem Alltag der Straßenhunde, in all ihrer Vielfalt: Da ist der schüchterne „Kartonhund“, der einsame „Kellerhund“, der „Griechenhund“, dem das Restaurant Zuflucht gewährt, da lauern aber auch die angriffslustigen drei Bösewichte von der Markthalle. Alle machen mit, als der Hund von der Tankstelle sie zu Lindas Villa bestellt, um seine Schöne zu befreien. Dort trifft der Straßenköter unversehens auf Einbrecher – und gewinnt durch seine Tapferkeit das Herz der Familie Popescu.
Den 25 kurzen, mit Fotos bebilderten Kapiteln hat die Autorin noch einen handgezeichneten Stadtplan angefügt: Mitsamt allen Plätzen, an denen sich die wahre und doch erfundene Geschichte des Streuners abspielt, der „zum glücklichsten Hund auf der ganzen Welt“ wurde. Kinder und auch Erwachsene haben ihre Freude daran.