„Soll das heißen, wir haben gewonnen?“ Helle Aufregung bei facebook: Ein Diplom wird gepostet, geliked, geteilt und kommentiert. Sieger im Chorwettbewerb des Bayerischen Rundfunks 2017, in der Kategorie Kammerchöre, ist das Vocalensemble Würzburg mit seinem Leiter Wilhelm Schmidts. Nun werden sie eingeladen: zum Bundeswettbewerb nach Freiburg im nächsten Mai, zu Studioaufnahmen nach München. Die Öffentlichkeit ist hellwach. Wer sind sie, die in Würzburg ein Chor unter manchen anderen waren, wer ist ihr Dirigent, erst Anfang Dreißig, der in einem zwanzigminütigen Programm bewiesen hat, was in ihm und in seinem Ensemble steckt?
Wilhelm Schmidts sieht den Beginn seiner Laufbahn mit dem Weggang aus dem heimatlichen Reps: zunächst nach Hermannstadt, ans Brukenthalgymnasium, gleichzeitig als Sänger im Bachchor, danach als Student der Orgelklasse an der Musikhochschule in Klausenburg. Es folgten Jahre des Kirchenmusikstudiums in Würzburg. Gegen Ende dieser Zeit gewann Chormusik immer mehr an Gewicht. Er sang in Kammerchören, begleitete große Werke als Korrepetitor, durfte schon mal einspringen. Was lag näher als ein Aufbaustudium Dirigieren mit Schwerpunkt Chor? Wie alle Berufsanfänger hatte er Gelegenheit, mit einem einfachen Chor sein Handwerk zu üben: Man probte im Saal eines Wirtshauses neben Würzburg, das Glas mit Radler stets dabei. Wie ein Auftakt funktioniert, was das soziale Gefüge einer solchen Gemeinschaft bedeutet, das konnte er hier hautnah erleben. Im Rückblick ist Wilhelm Schmidts dankbar: wenn es da geklappt hat... Selbstvertrauen lernt man ja weniger im Studium!
Seit vier Jahren leitet er nun das Vocalensemble Würzburg und gestaltet die Programme. Das Motto dieses Ensembles ist „Abseits ausgetretener Pfade“. Da ist viel Raum für Phantasie und Experiment, auch für Sensibilität und Entdeckerfreude. Neue Musik war und ist immer noch ein Schwerpunkt dieses Chors. Selbst schwierigste Akkordverbindungen singen sie sauber und sicher, schwärmt der Dirigent. Und natürlich singen sie alles vom Blatt, selbst die Nicht-Musiker. Man probt wöchentlich und gestaltet pro Jahr drei-vier Konzerte. Werke der Bachfamilie, wobei der große Johann Sebastian nur in Bearbeitungen späterer Jahrhunderte präsent sein wird, stehen auf dem kommenden Programm. Danach folgt: Raum-Klang, ein Abend mit vielstimmiger Musik rund um Ligetis „Lux aeterna“ und: Von Märchen, Sagen und Legenden, ein Programm mit balladenhaften, episch inspirierten Stücken. Welch eine Bandbreite!
Wilhelm Schmidts ist im Hauptberuf Universitätsmusikdirektor in Bamberg. Der große Unichor singt mit Orchesterbegleitung die Oratorienliteratur, als nächstes zum Semesterende A. Dvoráks „Stabat Mater“. Daneben gibt es seit seinem Dienstantritt auch einen Kammerchor, der gerade Bachs „Magnificat“ in Arbeit hat. Er stecke in der spannenden Phase, alles zum ersten Mal zu erarbeiten, auch als Leiter zu erleben, meint der junge Dirigent. Und ja, er habe Lust, so richtig loszulegen, jetzt erst recht!
Bei dem anspruchsvollen Chorwettbewerb – er findet nur alle vier Jahre statt – hat Wilhelm Schmidts sein Vocalensemble zunächst nicht auf dem ersten Platz gesehen. Ein sensationeller, ganz junger Chor, der zudem alles auswendig sang, habe ihm beinahe die Sprache verschlagen. Dass die Entscheidung der Jury dann doch zugunsten des Würzburger Chors mit seinem „grundierten, homogenen, runden Klang“, mit seiner Mischung aus jungen und reifen Stimmen fiel, war für alle eine Überraschung. Die eindrückliche Chorreise dieses Sommers nach Siebenbürgen habe sie alle zusammengeschweißt und eine gute Dynamik erzeugt, meint Wilhelm Schmidts außerdem. Die Konzerte in Michelsberg, Hermannstadt, Schäßburg und Tartlau mit jeweils verschiedenen Programmen haben das Publikum berührt, weiß auch die Schreiberin dieser Zeilen. Zur technischen Meisterschaft und musikalischen Souveränität kam auch in Siebenbürgen etwas hinzu, das die Jury in München als ausschlaggebend bewertet hat: die besondere Ausstrahlung dieses Klangkörpers. Eine solche Entscheidung weist neue Wege: abseits der ausgetretenen Pfade!