Gewaltige Linden im Morgenlicht, blumengesäumte Wege. Ein Obstgarten mit prallen Äpfeln und süßen Pflaumen. Traditionelle Holzhäuschen mit geschnitzer Veranda und Spiele aus Licht und Schatten bestimmten den ersten Eindruck. Ein ruhiger, poetischer Ort, die Stätte der Kindheit des Nationaldichters Mihai Eminescu (1850-1889), geboren Mihai Eminovici, hier in Ipotești (Botșani).
Das dreizimmerige Geburtshaus, 1924 abgerissen, wurde 1979 originalgetreu wieder aufgebaut und mit persönlichen Gegenständen der Familie Eminovici eingerichtet. Die Wände schmücken die einst in Prag aufgenommenen Familienporträts. Die Einrichtung ist spärlich, aber erlesen. „Das Haus der Eminovicis war gastlich, mit großer Veranda und Treppe, die Kammern mit freiem Blick auf die Umgebung...“ schrieb George Călinescu. Die Schuppen und Scheunen, die er ebenfalls beschrieb, gibt es nicht mehr, doch die kleine Familienkirche der Eminovicis aus dem 17. Jh, den „Heilige Woiwoden“ geweiht, für 250 Gulden von der Mitgift von Raluca Eminovici, der Mutter des Poeten, zusammen mit dem Anwesen erworben, kann man heute noch betreten. Daneben ragt eine 1929 von Nicolae Jorga und Cezar Petrescu errichtete größere Kirche auf. Hinter den beiden Gotteshäusern ruhen die Eltern von Mihai Eminescu, Raluca und Gheorghe, sowie zwei Brüder, Iorgu und Nicolae.
Auf dem Weg zum Obsthain schlendert man am Landhaus des letzten Besitzers des Anwesens vorbei, heute ein charmantes Heimatmuseum mit geschnitztem Balkon. Es beherbergt typische Gegenstände eines bäuerlichen Moldauer Haushalts.
Im Eminescu-Jahr 2000 wurde außerdem die Nationale Gedichtbibliothek „Mihai Eminescu“ eingerichtet, ein größeres Gebäude mit einem interessanten interaktiven Parcours, der Symbole und Zeitzeugen rund um den Poeten künstlerisch in Szene setzt und durch seinen Minimalismus besticht. Dort werden auch Ausstellungen organisiert, Symposien und Sommerakademien abgehalten. Bei schönem Wetter lädt ein modernes Amphitheater zum draußen Verweilen ein. Über allem schwebt der Geist Eminescus... Und wenn nachts der Wind sanft durch die Linden streicht und der Mond irgendwann blassgelb zwischen den zitternden Blättern zerfließt, hört man dann nicht ein sehnsüchtig leises Flüstern aus fernen Zeiten? „Luceafărul...“ Ach, der Morgenstern ist aufgegangen!