Das Buch flutscht wie Himbeereis an einem heißen Sommertag – und hat doch einen Kern, an dem man sich leicht die Zähne ausbeißen könnte. Die Nuss, die es zu knacken gilt: Eine ganze Klasse – die 10 b – zittert nach einer Studienfahrt, was jetzt passiert, nach dem, was passiert war...
Kann man eine ganze Klasse von der Schule werfen? Oder nicht versetzen? Nein, mit Noten hat das nichts zu tun! Die Schüler schweigen eisern. Alle für alle, war man sich einig auf der Heimfahrt im Bus.
Die Lehrer: Der Utz läuft Amok, will klagen, droht mit Disziplinarverfahren; schwere Worte wie „Mobbing“ oder „Kidnapping“ fallen. Frau Kaiser, salopp „die Kaiserin“ genannt, eigentlich ganz sympathisch - aber sind Lehrer nicht von Berufs wegen zur Solidarität verpflichtet? Sie schweigt erst. Und spricht irgendwann doch ein Machtwort auf dem Elternabend, den Utz nach dem, was nicht hätte passieren dürfen, eigenmächtig einberufen hat: Jetzt ist aber Schluss mit Sanktionen und Strafen!
Klassenfahrt nach „Sankt Irgendwas“. Italien, Kroatien? Egal. Die anderen beneiden die 10b, weil es nicht bloß nach Bonn oder Weimar geht, sondern offenbar in den Süden. Sankt Irgendwas. Irgendwohin, egal. Hauptsache, das Meer ist nahe! Ein bisschen Urlaubsstimmung. Hoffnung, Träume, Illusionen. Doch es müssen Referate vorbereitet werden, abwechselnd wird Reiseprotokoll geführt. Ist ja schließlich keine Vergnügungsfahrt!
Das Handy muss zu Hause bleiben, sagt der Utz. Vorschrift ist Vorschrift! Kein Internet. Keine Dauermusikberieselung. Kein SMSen und Daddeln im Stehen und Gehen. Und natürlich striktes Alkoholverbot während der ganzen Fahrt. Wer zuwiderhandelt, wird nach Hause geschickt. Nein, am besten die ganze Klasse! Mit dem Utz ist nicht zu spaßen.
Eine Regel wird gebrochen. Von einem. Und alle wissen Bescheid. Doch es ist kein Akt des Widerstands. Als das verbotene Handy unerwartet klingelt, wird es konfisziert. Die Mitwisser schweigen eisern. Trotz Strafen, Küchendienst, früh ins Bett. Das Corpus Delicti wird entschlossen zurückgestohlen und dem rechtmäßigen Besitzer wieder übergeben. Alle wissen: Erklärungen wären vergeblich. Und: Es ist wirklich wichtig! Jemand hat jemandem in der Not ein Versprechen gegeben.
Der Vorfall mit dem Handy ist eigentlich nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte. Es läuft noch nicht über. Die ständigen Maßregelungen vom Utz schweißen die Schüler zusammen. Das Reiseprotokoll, reihum geführt und von Hand zu Hand weitergegeben, wird zum verbindenden Frust-Dokument. Das könne man dem Utz jetzt nicht mehr übergeben, beschließen sie irgendwann. Kann so ein Protokoll nicht auch mal verloren gehen? Niemand mehr weiß, bei wem es geblieben ist. Na, dann ist es halt weg, resümiert auch die Kaiserin, die auf der Rückfahrt danach fragt. Kluge Frau! Denn da war schon passiert, was passiert war…
Am letzten Tag der Studienfahrt wird den Schüler resigniert klar, dass sie das Meer noch nicht ein einziges Mal gesehen haben. Geschweige denn, gebadet. Für den bunten Abschlussabend wird pflichtmäßiges Affentheater verlangt. Sketche, Lieder umdichten, ihr habt eine Dreiviertelstunde Vorbereitungszeit! Könnten wir nicht einmal ausnahmswei-se nichts tun? Musikhören? Grillen und reden? Ausgeschlossen, bügelt Utz den Vorschlag ab. Und über-haupt, die Mittagspause war schon viel zu lange. Das Picknick am Fluss, wo man wenigstens die Füße ins Wasser halten konnte. Auf, auf, wir müssen noch ins Museum!
Das Flugzeugmuseum. Modellflugzeuge leider nur. Wieder eine Enttäuschung. Außerdem ist es erst mal zu, denn der Museumsführer hatte sie dienstags und nicht mittwochs erwartet. Wer das verbockt hat? Während der Lehrer herumbrüllt und Schuldige sucht und die Lehrerin sich aufs Örtchen verzieht, falten die Schüler enttäuscht Papierflieger aus den Museumsflyern. Dann aus ihren Referaten. Und dann fällt er auf einmal ganz unversehens, der Tropfen, der das Fass doch noch zum Überlaufen bringt…
Niemand ist schuld. Aber niemand hat es verhindert. Jemand fasst sich unerwartet ein Herz und verhilft den Schülern doch noch zu einem großartigen Abschlusserlebnis:
28 Klassenkameraden, die sich die ganze Nacht nicht trennen, obwohl es keiner von ihnen verlangt. Ein Mann, der Zettelchen mit seiner Telefonnummer verteilt, die ganze Nacht Kaffee trinkt und Schach spielt. Und sich vornimmt, mit seiner Frau mal wieder ans Meer zu fahren. Und die Erkenntnis – jetzt nur nicht ärgern, lohnt sich ja nicht mehr - so nahe war das Meer all die Zeit gewesen! Dafür mag kommen, was kommen mag, nach all dem, was passiert war!
„Irgendwas ist schrecklich schief gelaufen auf der Klassenfahrt der 10 b. Ein Machtkampf zwischen den Schülern und Dr. Utz“, verrät der Klappentext nur. Und: „Ob in dem Protokoll mehr steht?“
Tamara Bach wurde 1976 in Limbach an der Lahn geboren und studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr Buch „Marsmädchen“ wurde mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendpreis und dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Ihr Roman „Vierzehn“ wurde gleich in zwei Kategorien für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. ,Auch „Was vom Sommer übrig ist“, und „Wörter mit L.“ wurden mehrfach ausgezeichnet. Für „Sankt Irgendwas“ heimste sie den Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ein. 2021 wurde sie für ihr beeindruckendes literarisches Werk mit dem James Krüss Preis ausgezeichnet! Tamara Bach schreibt und lebt heute in Berlin.
Die monatliche ADZ-Reihe „Wertvolle Jugendbücher“ möchte Kinder und Jugendliche zum Lesen in deutscher Sprache anregen.