ADZ-Reihe Wertvolle Jugendbücher: Eines der wichtigsten literarischen Werke

„Anne Frank Tagebuch“, Übersetzung von Mirjam Pressler, mit umfangreichem Zusatzmaterial zu Biografie und Geschichte, Fischer Verlag, ausgeliehen in der Bibliothek des Goethe-Instituts Bukarest, Calea Dorobanți 32/Pavilion, www.goethe.de/bukarest


„Ich will fortleben, auch nach meinem Tod. Und darum bin ich Gott so dankbar, dass er mir bei meiner Geburt schon eine Möglichkeit mitgegeben hat, mich zu entwickeln und zu schreiben, also alles auszudrücken, was in mir ist“, schrieb Anne Frank am Mittwoch, 5. April, im Jahr 1944 in ihr Tagebuch.

Ein paar Tage später, am 11. April, schrieb sie auch, dass „Mut und Fröhlichkeit“ das Wichtigste seien. Was dann am 4. August 1944 passierte, ist bekannt: Das Versteck der Familie Frank und der weiteren Untergetauchten wurde von den Deutschen entdeckt. Die Festgenommenen wurden in Konzentrationslager gebracht, wo der Großteil, kurz vor der Befreiung durch die Alliierten, starb.
Dennoch ist es sinnvoll (weil das Anne Frank womöglich gefallen hätte), diesen kurzen Text mit der einen „fröhlichen“ Tatsache anzufangen: Anne Frank ist tatsächlich eine berühmte Schriftstellerin, die nach ihrem Tod noch sehr lange bekannt sein wird, geworden. Und das mehr als zurecht. Denn das Tagebuch ist ein faszinierendes literarisches Zeugnis dieser absolut düsteren Zeit in Europa und besitzt dazu eine geradezu herausragende Qualität. In diesem reflektiert eine Vierzehn-, später Fünfzehnjährige über ihr Schicksal und die Zeit, tiefer als es die meisten Erwachsenen jemals könnten.

Darüber hinaus beschrieb sie, was man sich kaum vorstellen kann: wie es war, mit ihrer Familie und weiteren Juden in einem „Hinterhaus“ (mehrere durch einen verschiebbaren Schrank versteckte Räume in einem größeren Haus) in Amsterdam zu leben und sich jahrelang vor den deutschen Besatzern und Kollaborateuren auf engstem Raum verstecken zu müssen. Jedoch sind ihre Berichte nicht voyeuristisch: Sie wollte nicht ihr Leid ausstellen, sondern reflektierte, wie eine Journalistin, die sie einmal werden wollte. Dies, obwohl sie ganz genau wusste, was passiert, wenn sie gefunden werden. Bereits am Freitag, 9. Oktober, 1942, schrieb sie: „Wir nehmen an, dass die meisten Menschen ermordet werden. Der englische Sender spricht von Vergasungen, vielleicht ist das noch die schnellste Methode zu sterben.“ Mit „Menschen“ meinte sie: „jüdische Menschen“.

Doch das Leben im „Hinterhaus“, so schwer es auch war, ging weiter. Anne Frank war zu dieser Zeit in der Pubertät und verliebte sich in Peter, der sich ebenfalls dort versteckte. Sie schrieb offen über Sexualität und Liebe und ist dabei tiefgründiger als viele Romane auf dem aktuellem Buchmarkt. Donnerstag, 2. März 1944: „Liebe, was ist Liebe? Ich glaube, dass Liebe etwas ist, was sich eigentlich nicht in Worte fassen lässt. Liebe ist, jemanden zu verstehen, ihn gern zu haben. Glück und Unglück mit ihm zu teilen. Und dazu gehört auf die Dauer auch die körperliche Liebe. Du hast etwas geteilt, etwas hergegeben und etwas empfangen. Und ob du dann verheiratet oder unverheiratet bist (…) auf das alles kommt es nicht an, wenn du nur weißt, das für dein ganzes weiteres Leben jemand neben dir steht, der dich versteht und den du mit niemandem zu teilen brauchst!“ 

Dies alles ist nur die Spitze des literarischen Eisbergs, das dieses Werk darstellt. Erwachsene sind von Annes Text beeindruckt, berührt, von den schweren Themen vielleicht auch eingeschüchtert. Doch das Tagebuch wurde von einer Jugendlichen geschrieben! Wer sonst könnte Gleichaltrigen hautnah vermitteln, dass Menschen, auch wenn sie anderen Religionen angehören, nicht wirklich anders sind, sie sind Menschen, als dieses nachdenkliche, tiefgründige und manchmal doch so lebenslustige Mädchen, das, viel zu früh gestorben, unsterblich geworden ist. 



Die monatliche ADZ-Reihe „Wertvolle Jugendbücher“ möchte Kinder und Jugendliche zum Lesen in deutscher Sprache anregen. Die Bücher sind in den deutschsprachigen Bibliotheken des Goethe-Instituts auszuleihen.