Ein junger Regisseur aus Wien, Florian Reichl, entdeckt irgendwo im Internetfundus das Theaterstück „Viele Grüße Michael Kohlhaas“.
Dies schrieb 1977 der damalige Dramaturg an der deutschen Bühne des Hermannstädter Staatstheaters, also in Rumänien, wo ein großer Teil der rumäniendeutschen Zuschauer mehr zum Passamt als ins Theater gingen. Gewartet wurde Tag und Nacht auf den Pass nach Westdeutschland. Diese Sehnsucht, die rumänische Grenze einmal zu überschreiten, führte bald zu einer siebenbürgischen Schizophrenie. So ähnlich erging es dem Rosshändler Michael Kohlhaas in Kleists berühmter Novelle. Pass und Grenze wurden sein Schicksal, sein Untergang. Die Theaterzensur von dazumal beäugte den Dramentext, tastete ihn nach provokanten Repliken ab und gestattete letztendlich den Probenbeginn. Die Kleistsche Erzählung wurde eingestuft als Revolution gegen die Ausbeuterklasse und, beste Empfehlung, sie war auch in einem DDR-Verlag erschienen.
Es kam nie zur Premiere, schon die Worte Pass und Grenze durften auf einer rumänisch-kommunistischen Bühne nicht ausgesprochen werden. Dafür durfte der Autor und Regisseur des Stückes schnellstens in den Westen auswandern...Florian Reichl aus Wien wollte jetzt das Theaterstück gemailt bekommen. Doch es gab nur einen schon fast vergilbten Durchschlag von den einstigen Probenarbeiten. Der Regisseur setzte sich in den Orientexpress, der heute Daciaexpress heißt, wechselte in kleinere Züge, um auf dem Bahnhof vom Siebenbürgischen Katzendorf auszusteigen. Am nächsten Tag fuhr er mit dem Manuskript zurück nach Wien, wo „Viele Grüße Michael Kohlhaas“ am 7. September 2016 in der Pfarre St. Gertrud (Maynollogasse 3) seine Uraufführung erleben wird. Michael Kohlhaas kämpfte vergebens um einen rechtmäßigen Pass, der Dramaturg aus Hermannstadt dankt ihm noch heute für seinen damaligen Ausreisepass.
Frieder Schuller