„Die Kunst des Schenkens“ – unter diesem Motto trafen sich Studenten der darstellenden Künste aus Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Litauen, der Republik Moldau, den USA und Rumänien, um beim renommierten Internationalen Theaterfestival von Hermannstadt/Sibiu (14.-23. Juni 2019, 26. Auflage) mitzuwirken.
Dem Leiter und „Spiritus Rector“des Internationalen Theaterfestivals, Constantin Chiriac, ist es gelungen, in Zusammenarbeit mit der „Lucian Blaga“-Universität und dem Nationaltheater „Radu Stanca“ innerhalb der Sondersektion des Festivals der Universitäten für Kunst und Kulturmanagement den jungen darstellenden Künstlern aus aller Welt die Chance zu gewähren, sich auszutauschen und mit namhaften Künstlern aufzutreten. Das Ziel: Die Herstellung eines Dialogs der werdenden Künstler, die sich in die Gemeinschaft der darstellenden Künste eingliedern. Begeisterung, Freude und Professionalität sind stets präsent gewesen, denn es ist zugleich die Begegnung mit einem besonderen Publikum, dem Festivalpublikum, unter anderem bestehend aus berühmten Künstlern und Kulturmanagern – ein Sprungbrett für die zukünftige Laufbahn.
Zum Auftakt traten die Vertreter des Aura Dance Theaters aus Litauen mit ihrer beeindruckenden „Blossom“-Tanzperformance (Regie: Biruté Letukaité) auf, gewidmet der Künstlerin Frida Kahlo. Ebenfalls im Bereich des Tanzes präsentierte die junge Künstlerin Maria Popova (Konzept, Regie und Darstellung) von der Leeds Beckett Universität aus Großbritannien ihre sich „bewegende“ Installation „Seite 127“ – eine neue Ausdrucksform, die mehrere Kunstsparten vereint.
Es folgten Produktionen inspiriert von antiker Geschichte – „24. August“ (Regie und Konzept: Miklós Bács, Irina Wintze und Carmen Curu]iu), ein von den Schauspielstudenten der Babeş-Bolyai-Universität meisterhaft interpretiertes Stück, eine dynamische, energiegeladene nonverbale Vorstellung, die auf den Kollaps der Stadt Pompeji im Jahr 79 n. Chr. zurückblickt und zugleich den Untergang eines gesamten Universums darstellt.
Zum Kanon der dramatischen Literatur gehörende Werke wurden ebenfalls gespielt. So führten die Studenten der Nationalen Universität für darstellende Kunst und Film „I. L. Caragiale“ Bukarest in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Theater aus der HauptstadtTschechows Drama „Die Möwe“ (Regie: Tania Filip) als eine moderne, gefühlvolle Inszenierung auf. Die Studierenden der Universität aus Craiova brachten Tschechows Stück „Der Kirschgarten“ auf die Bühne (Regie: Haricleea Nicolau), das Geschehen gesehen aus der Perspektive der Gestalt Charlotta Ivanovna. Shakespeares Tragödie „Hamlet“, kombiniert mit Aldo Nicolajs Hamlet-Variante (Regie: Octavian Jighiriu), demonstrierte das Können der Schauspielstudenten der Nationalen Kunstuniversität „George Enescu“. Die Freiburger Schauspielschule wagte sich an das satirische Theaterstück „Die Irre von Chaillot“ von Jean Giraudoux heran (Regie: Grete Linz), indem sie den Theaterpart mit Zirkuselementen auffrischte und die Tragik der Situation ins Groteske überführte.
Spannend waren die Vorschläge des Festivals, der Zuschauerschaft Gegenwartsstücke zu präsentieren, einige sogar in Anwesenheit der Autoren. Die Master-Absolventen der Hochschule für Musik und Theater der West-Universität Temeswar beeindruckten das neugierige Publikum mit der Produktion „dontcrybaby“ von Catinca Drăgănescu und Eugen Jebeleanu (Regie: Petru-Silviu Văcărescu), eine moderne Version des Grimmschen Märchens „Rotkäppchen“, projiziert in die aktuelle Welt, dominiert von Macht, Korruption, Opportunismus und Vereinsamung – eine Radiografie der heutigen Gesellschaft.
Die Anwesenheit des Schriftstellers Matei Vişniec bei der Inszenierung seines Theaterstückes „Clowns gesucht“, gespielt von den Hochschülern der Akademie für Musik und darstellende Kunst – Falmouth Universität in Zusammenarbeit mit dem Ensemble The Void Theatre Company (Regie: Eusebiu-Mihail Tudoroiu), sorgte für Erstaunen bei den Anwesenden, sprich bei den Darstellern und Zuschauern, die ein Zusammenspiel von Theater, Tanz und Zirkus erlebten.
Die Projektmanagerin Lumini]a Bîrsan vom Departement für darstellende Kunst der „Lucian Blaga“-Universität leitete zwei Produktionen: „Love Stories“ von Joël Pommerat (Regie: Marius Gîlea, Diana Fufezan, Adrian Neac{u), eine Collage von 14 Szenen, die sich dem Thema Liebe mit ihren Tief-und Höhepunkten widmet, verbunden mit den von den Darstellern interpretierten Beatles Songs, die das Liebeskaleidoskop abrunden. Die Hermannstädter Studenten derselben Universität spielten in Anwesenheit der Dramatikerin Elise Wilk ihr erfolgreiches Jugendstück „Die grüne Katze“ (Regie: Eugen Gyemant), eine beeindruckende Geschichte über die Welt der Teenies, denen die elterliche Zuneigung fehlt und die versuchen, in einem imaginären Universum Zuflucht zu finden, doch ohne die erwartete Freiheit zu erlangen.
Die Master-Studenten der Kunst-Universität in Târgu-Mure{ füllten mit ihren Körpern und Stimmen den Spielraum in dem performativen Stück „Ablaufdatum“ von Alina Nelega (Regie: Gavril Cadariu), während sie über einzelne Wörter und Sätze eine Narration aufstellten – eine Art freie Übung, die das Publikum einbezog.
„The Lost Generation“ von Robert Patrick (Regie: Sava Dragunchev Jr.) bot den Studenten der Nationalen Akademie für Theater- und Filmkunst aus Sofia den Ausgangspunkt für einen Frage-Reigen, der an den Verlust des Amerikanischen Traumes anknüpfte und die Ausweglosigkeit der jungen Generation der Zukunft gegenüber hervorhob.
„How I Learned to Drive“, der mit dem Pultizer Preis ausgezeichnete Text von Paula Vogel, provozierte durch die Darstellung der New Yorker Studentenschaft der Pace University (Regie: Borna Barzin) – eine puzzleartige Story über das Mädchen Lil‘ Bit, das sich an ihre traumatische Kindheit erinnert und an den sexuellen Missbrauch seitens ihres Onkels, wobei sie als Erwachsene gelernt hat zu verzeihen.
Zu den Schauspielstudenten gesellten sich auch zwei erfolgreiche Schülergruppen – „Amprente“ aus Kronstadt mit dem Stück „Waschen wir das Kind oder zeugen wir ein anderes“ von Christopher Durang (Regie: Anca Maria Băcanu) und „Acting-Up“ aus Bukarest mit der Produktion „Phantomerinnerungen“ von Diana Mănăilă (Regie: George Lepădatu, Diana Mănăilă) – beides mutige Inszenierungen, die aktuelle Fragen aufwerfen bezüglich der mangelhaften Erziehung der Kinder und ihrer Vereinsamung in einer Gesellschaft, die am Verlust moralischer Werte leidet.
Außer den im Studio (CAVAS) der „Lucian Blaga“-Universität aufgeführten Projekten gab es auch eine Veranstaltung unter freiem Himmel – „La lilieci“ (Bei den Fledermäusen) – eine Collage nach Marin Sorescus Texten, aufgeführt von den Hermannstädter Schauspielstudenten unter der Leitung von Marian Râlea.
Fazit: Im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals in Hermannstadt aufzutreten, stellt eine außerordentliche Chance dar, welche Künstler aus aller Welt vereint. Die Studenten und Studentinnen der darstellenden Künste von heute sind die Schauspieler von morgen, die bei den zukünftigen FITS-Auflagen ihr Können und ihr Talent unter Beweis stellen werden.