Am 25. Juni l. J. hat eine Sitzung der Hermannstädter Gemeindevertretung stattgefunden, wo über den Stand der Restaurierungsarbeiten an der Stadtpfarrkirche vom dafür zuständigen Beamten Victor Drăgan berichtet wurde. Bei der Frage des Farbanstrichs der verputzten Flächen wurde erwähnt, dass es verschiedene Proben gibt, von denen einige besser, andere weniger entsprechend bewertet wurden. Einig war man sich darüber, dass ein kaltes Grau, ähnlich wie die Farbe von Beton, nicht in Frage komme. Ich habe damals nur gesagt, dass ich beim heutigen Stand der Arbeiten das denkmalpflegerische Konzept dieser Restaurierung nicht erkennen kann. Da für eine grundsätzliche Debatte zu diesem Thema die erwähnte Sitzung nicht den entsprechenden Rahmen bot, möchte ich im Folgenden auf einige Fragen eingehen, die während der Sitzung zur Sprache gekommen sind, und darüber hi-naus auf Probleme dieser Restaurierung im Kontext der Hermannstädter Altstadt aufmerksam machen.
Bei den bis heute durchgeführten Arbeiten an den Fassaden der Kirche wurde konsequent nach dem Prinzip der Materialsichtigkeit gehandelt, was bedeutet, dass Flächen von behauenen Steinen gut sichtbar von Verputzflächen abgegrenzt wurden, in Extremfällen beträgt der Flächenunterschied zwischen Stein und Verputz einige Zentimeter (Abb. 3). Die Art der Oberflächengestaltung von historischen Bauten hat in der europäischen Denkmalpflege eine lange Geschichte. Zur Zeit des Historismus des 19. Jahrhunderts gab man der Präsentation wertvoller Steinmetzarbeiten den Vorrang. Später, besonders nachdem man die historischen Bauten nicht vorrangig als Produkt handwerklichen Könnens betrachtete, sondern sie unter dem Gesichtspunkt ihrer geistesgeschichtlichen Aussage beurteilte, änderte sich diese Herangehensweise. Hier erinnere ich an das Buch von Günter Bandmann „Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger“, das 1951 erschienen ist. In diesem Zusammenhang erhielt die Erforschung der Erstfassung eines Baudenkmals entscheidende Bedeutung. Von nun an war es Gebot, aus Achtung vor der schöpferischen Leistung der Ersterbauer, durch wissenschaftlich korrekte Untersuchungen die Restaurierungsvorschläge mit dem Original abzustimmen. Emblematisch für nach diesen Grundsätzen durchgeführte Restaurierungen sind die Arbeiten von Werner Bohrheim, genannt Schilling (1915-1992). Die denkmalpflegerische Praxis hat gezeigt, dass sowohl in der Antike als auch im Mittelalter die Oberflächen von steinernen Baudenkmälern farblich gefasst waren. Es bedarf nur eines erfahrenen Restaurators, um Orte zu finden, an denen der Originalzustand untersucht werden kann, so auch an der Stadtpfarrkirche (Abb. 5).
Während der Restaurierungsarbeiten am Alten Rathaus in Hermannstadt (1971-1988) wurde an verschiedenen Stellen eine Fugenmalerei freigelegt, die auch bei den damaligen Restaurierungsarbeiten berücksichtigt worden ist. Spätere Eingriffe (2004-2005) von „hochspezialisierten“ Firmen haben auf diese Aussage des Baudenkmals verzichtet.
Bei der Fassadenrestaurierung der Hermannstädter Stadtpfarrkirche sollte m. E. darauf verzichtet werden, die Hausteinflächen klar von den verputzten Flächen strukturell und farblich zu differenzieren (Abb. 2, 3 und 4). Diese Unterscheidung ist von der Geschichte, dem ästhetischen und funktionalen Konzept des Baudenkmals her nicht zu rechtfertigen. Sie schafft außerdem ein unruhiges Erscheinungsbild, das der städtebaulichen Bedeutung der Kirche nicht zuträglich ist. Es ist zu wünschen, dass dieses bedeutende Baudenkmal der Hermannstädter Altstadt, nach den massiven Eingriffen dieser Restaurierung, aus Mitteln der Europäischen Union, seine Würde behält.
In der eingangs erwähnten Gemeindevertretungssitzung wurde beschlossen, dass eine zu bildende Arbeitsgruppe sich mit Fragen der Farbgebung für die Fassaden beschäftigt. Vielleicht können die hier aufgezeigten Überlegungen zum Thema Denkanstöße geben.