Künstlerische Doppelbegabungen sind nicht gar so selten. Auch für kunstinteressierte Lübecker ist das nichts Neues. Günter Grass verkörpert dies im eigenen Museum; Heinrich Mann ist ein Schwerpunktthema im Buddenbrookhaus gewidmet. Die große Sommerausstellung im Behnhaus/Drägerhaus sowie im Pavillon der Overbeck-Gesellschaft greift das Thema umfassend auf. Unter dem Leitwort „Wortkünstler / Bildkünstler“ zeigt sie über 150 Werke, unter anderen von Wilhelm Busch, Joachim Ringelnatz, Hans Christian Andersen und Herta Müller. Die von Dr. Ulrich Luckhardt kuratierte Ausstellung präsentiert ganz unterschiedliche bildkünstlerische Positionen von Dichtern und Schriftstellerinnen, deren Begabungen mindestens doppelt ausgeprägt sind. Neben einigen 1787 während der Italienreise entstandenen Skizzen von Johann Wolfgang von Goethe zeigt die Ausstellung elf selten zu sehende Zeichnungen aus dem Jahr 1810. Zu entdecken sind Klecksographien des Dichters und Arztes Justinus Kerner und gegenstandslose Tuschzeichnungen von Victor Hugo. Auch die Französin George Sand experimentierte mit vollkommen neuen Verfahren und kam zu ganz eigenständigen und ungewöhnlichen Lösungen. Hans Christian Andersen schuf in seinen originellen Scherenschnitten eine ganz eigene Welt und Wilhelm Busch überrascht mit Landschaftsgemälden, die einen Kontrast zu seinen Bildergeschichten darstellen. Paul Scheerbart übertrug seine literarisch kosmischen Welten in zart ausgeführte Zeichnungen, während sich Joachim Ringelnatz ab Anfang der 1920er Jahre der Malerei widmete und skurrile Gemälde im Kontext seiner Gedichte schuf. Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller zeigt im Pavillon der Overbeck-Gesellschaft ihre einzigartigen Collagentexte. Ausgeschnitten und aufgeklebt, entstanden aus harmlos scheinenden Wörtern zahlreiche Textbilder. 250 Originale, alle im gleichen Format, alle im gleichen grauen Rahmen sind im Pavillon gehängt. Herta Müller verkauft die Originale nie. Sie hat eine Reihe von ihnen zu Büchern zusammengestellt. Durch eine extra für das Projekt konzipierte Audioführung ist die Literatur ein integraler Bestandteil der Ausstellung.
Dr. Ulrich Luckhardt hat acht Schriftsteller ausgewählt, bei denen der Betrachter überrascht feststellt, wie gut sie malen, modellieren oder zeichnen konnten. Die Räume der Overbeck-Gesellschaft machen es möglich, dass die „malenden Dichter“ gemeinsam und doch getrennt besucht werden können. Im Behnhaus spannt sich der Bogen von Goethe bis Ringelnatz. Acht Porträts hängen von der Galerie in die Diele herab: Goethe, Justinus Kerner, Victor Hugo, George Sand, Hans Christian Andersen, Wilhelm Busch, Paul Scheerbart, Joachim Ringelnatz.Zur Schau ist ein umfangreicher Katalog erschienen, in dem 30 Textcollagen von Herta Müller erstmalig abgedruckt sind. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm. Im Rahmen der bis 20. Oktober geöffneten Ausstellung liest Herta Müller am 13. September aus ihren Collagen-Texten.