Durch ihre Authentizität ist die Revival-Musikgruppe „Trei Parale“ etwas Besonderes in der rumänischen Musikszene: Wieder belebt wird alte traditionelle Musik mithilfe des Lauteninstruments Cobza (deutsch Koboz), traditioneller Flöten oder Schlaginstrumente, die nur sehr wenige alte Bauern hierzulande noch spielen. Die Ensemblemitglieder haben einen harten Lernprozess durchgemacht: Die Fachliteratur wurde erforscht, Besuche bei Bauern wurden abgestattet, viele praktische Kenntnisse haben sich die Musiker auch durch Selbstunterricht angeeignet. Das Ergebnis ist eine einzigartige Musik: „Trei Parale“ rekonstruiert eine aus den Regionen außerhalb des Karpatenbogens verschwundene Musik mit denselben Interpretationstechniken, die früher benutzt wurden.
Den eher intellektuellen Prozess des Musik-Revivals, das in Rumänien kaum Vertreter hat, und die Gründung der Gruppe erklärt der Ensembleleiter Florin Iordan, Musikethnologe beim Bukarester Bauernmuseum. Umgeben von massiven Audio-Geräten und Kabeln sitzt er in seinem Büro. Das, was man in dem eher kleinen Raum zu sehen bekommt, ist ein stilles Bild mit Menschen, die in gutem Einvernehmen leben: Am Fenster sitzt ein anderes Mitglied von „Trei Parale“, Florins Ehefrau Beatrice, während ihre ruhige Tochter sich wie verzaubert einen Trickfilm ansieht. Die Wände des Büros sind tapeziert mit riesigen alten Plakaten, die längst abgehaltene Konzerte im Bauernmuseum ankündigen.
Das Album „Bazar“: Multi-kulti zwischen Paris und Istanbul
Ziel von „Trei Parale“ ist die Wiederbelebung der Gesänge, der Musikinstrumente, der Stile und der Spielart, die verschwunden sind. „Ich wollte mich der Musik und dem Geist einer bestimmten Zeit so stark als möglich nähern, denn auf diese Weise wird die Musik qualitativ besser. Egal wie viel Mühe man sich gibt – man kann nie sicher sein, dass die Musik so klingt, wie damals“, meint Florin Iordan. Der Bereich der alten traditionellen Musik erweist sich als ein dynamisches Faszinosum: „War es eine einfache Musik?“, „War die Stadtmusik Hochmusik?“, „Was versteht man unter dem Begriff der Volksmusik?“ sind Fragen, mit denen sich Florin Iordan auseinandersetzt. Er veranschaulicht alles mit Liedern aus dem Internet, damit man sich ein Bild von der Dynamik der Musik machen kann, mit der sich „Trei Parale“ beschäftigt.
Die Kobozen, Violinen und Flöten wurden für das erste Projekt der Musikgruppe gespielt. „Die Leute kennen uns durch unser Album ‘Bazar’, unser Versuch, die Stadtmusik aus dem 19. Jahrhundert aus der Walachei und der Moldau zu rekonstruieren. Das ist aber nicht das Einzige, was uns interessiert oder an dem wir arbeiten. Es ist, was wir am meisten bei den Konzerten vorgestellt haben. Da wir eine bestimmte Reifestufe erreicht haben, wurde unsere Musik auf zwei CDs herausgegeben“, verdeutlicht der Ensembleleiter.
Um diese Musik zu verstehen, muss man aber den Kontext kennen, denn die uneinheitliche Welt in den vergangenen Jahrhunderten widerspiegelt sich in der Musik der Epoche. Die Gesellschaft war in einem größeren Ausmaß als heute multiethnisch. In der Moldau gab es viele Juden, Zigeuner, Armenier, Griechen u. a. Abgesehen von dieser multikulturellen Welt existierten gleichzeitig zwei Lebensweisen, die aufeinanderstießen – die orientalische Kultur, die gerade an Bedeutung verlor, und die abendländische Kultur, die Anerkennung beim Bürgertum fand. Sowohl Istanbul als auch Paris waren wichtige Vorbilder.
Anton Pann schrieb im 19. Jahrhundert 380 Lieder nieder, die damals in Mode waren. Gesammelt wurden sie in der Anthologie „Spitalul amorului“ und das Manuskript wurde als Grundlage einiger Lieder von „Trei Parale“ benutzt. „Es gibt Lieder, die sehr raffiniert gesungen wurden und an die orientalische Musik erinnern, aber auch Lieder abendländischer Natur, wie Romanzen“, verdeutlicht der Musikethnologe weiter. Die Anthologie wurde zusammengestellt, damit man zu jeder Zeit irgendein beliebtes Lied singen kann, dessen Text man nicht unbedingt auswendig konnte.
Die Niederschrift des Manuskripts stellt die Musikethnologen vor weitere Fragen: Die Anthologie beinhaltet nur eine bestimmte Variante eines Liedes, das in verschiedenen Formen gesungen wurde. Außerdem wurden die Melodien in der alten byzantinische Notation geschrieben. Ins abendländische Musiksystem wurden die Lieder erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts vom Musikwissenschaftler Gheorghe Ciobanu transkribiert. „Es gibt zahlreiche andere Probleme, denn die Melodie sagt nicht alles. Unbekannt bleiben die Begleitung, der Interpretationsstil, die für den Musiker viel Arbeit bedeuten. Je mehr man weißt, desto mehr versteht man, dass ein solches Unterfangen extrem schwierig ist“, fügt Florin Iordan hinzu.
Die Verlebendigung...welcher Musik?
Das Projekt „Bazar“ ist etwas Besonderes hierzulande. „Ich kann nicht genau sagen, was das ist. Es ist Revival, aber wenn man etwas wiederbelebt, muss man auch sagen, was man lebendig macht. Es ist schwer, das alles Volksmusik zu nennen. Benutzt wurde der Ausdruck ‘alte traditionelle Musik’. Diese Ambiguität gefiel mir und ich habe den Ausdruck auch benutzt“, erklärt der Musiker.
Auch der Begriff „Volksmusik“ ist nicht unproblematisch. „Der Begriff ist immer derselbe geblieben, nur die Musik hat begonnen, sich zu verändern“, verdeutlicht Florin Iordan. Dabei geht es um die Periode in den 50er Jahren, als der Staat angefangen hat, sich auch im Bereich der Musik einzumischen. Gegründet wurden Musikgruppen mit 50 Mitgliedern und erschienen ist, was man „Folclorism“ nennen würde. Aber die ursprüngliche, authentische Volksmusik ist diejenige, die von Bauern auf dem Land gespielt wurde, und nicht das, was man im Fernseher zu hören bekommt.
Der Musikethnologe deutet auf den Unterschied zwischen Stadtmusik und Dorfmusik hin und erklärt, warum es schwierig ist, jene möglichst akkurat wiederzubeleben: Die Dorflieder kann man nur schwer datieren, da sie mündlich übermittelt wurden und der Moment, in dem sie in Anthologien gesammelt wurden, nicht dem Moment entspricht, in dem sie entstanden sind. Was die Stadtmusik anbelangt, ist die Situation noch komplizierter: Es geht dabei um eine von der orientalischen Kultur geprägte Hochmusik, die sich von einer Gesellschaftsschicht zur anderen verbreitete – vom Bojarenhof zur Welt der Märkte und weiter in die Richtung der vorstädtischen Machalla. „Im Laufe dieser ununterbrochenen Verschiebung hat sich die Musik mehrmals verändert“, betont Florin Iordan.
Als Beispiel nennt er das Lied „La şalul cel negru“ (Zum schwarzen Schal). Der Text, der dem Lied zugrunde liegt, ist ein Gedicht des russischen Dichters Alexander Puschkin, das Costache Negruzzi im Jahre 1843 ins Rumänische übersetzt hat. Das Lied verbreitete sich in den hohen Kreisen, aber eroberte letztendlich auch die Bukarester Machalla. Durch diesen ganzen Prozess hat sich der ursprüngliche Text verändert. „Das Gedicht wurde als Lied bearbeitet. Gedichte wurden meistens nicht vorgelesen, sondern gesungen“, erläutert der Musikethnologe. Das heißt aber nicht, dass alle Lieder auf diese Weise entstanden sind.
Ein kleines Museum für Musikinstrumente
Die Musikgruppe verfügt über zahlreiche Musikinstrumente, die die Mitglieder gut oder weniger gut spielen können. Ihre Sammlung besteht aus 40 Flöten, Bratschen, Dudelsäcken, Kobozen, Cellos, Violinen, Percussioninstrumenten u. a. Manche davon sind für zukünftige Projekte bestimmt, denn die Musiker müssen noch lernen, sie zu spielen. Das kann auch problematisch sein, da die Instrumente alt sind. „Es ist wirklich schwer, einen Menschen zu finden, der dir beibringen und zeigen kann, wie sie gespielt wurden“, meint Florin Iordan. „Wenn man ein Instrument spielen will, das nicht mehr verwendet wird, dann hat man viel zu arbeiten. Man muss recherchieren, Fachliteratur suchen, rekonstruieren usw. So ist es mit dem Dudelsack. Ich wollte eine bestimmte Art des Dudelsacks wiederbeleben, der ein wenig älter ist. Es fiel mir schwer, ihn zu finden und zu sehen, wie er gemacht wurde“, fügt er hinzu.
Die Geschichte der Musikgruppe wird fortgesetzt
„Trei Parale“ wurde vor ungefähr einem Jahrzehnt gegründet. Der Entstehungsprozess war aber langwierig und sein Anfang ist in die 90er Jahre zurückzuführen: Damals war Florin Iordan ein 18-jähriger Jugendlicher, der sich in Bukarest auf der Suche nach Büchern in einer Bibliothek befand. Dem neugierigen Jungen lag Musik schon immer am Herzen, und als er da Schallplatten entdeckte, hat er sich alle angehört. Darunter war auch traditionelle rumänische Musik, Stücke, die mit der Hirtenflöte gespielt wurden. Darauf folgten noch intensivere Suchen, unternommen hat er auch einen Besuch in die staatliche Electrecord- Fabrik, nur um mehr Materialien zu sammeln.
Ausschnitte von Radiosendungen hat er auch aufgezeichnet: Minute für Minute hat er ganze Kassetten nur mit Fragmenten nach seinem Geschmack aufgenommen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt reichte ihm das bloße Anhören nicht mehr und er begann, Flöte zu spielen. Durch den Kassettenaustausch hat er seine heutige Ehefrau Beatrice kennengelernt: Sie interessierte sich ebenfalls für traditionelle Musik. Sie begannen, zusammen zu musizieren. Florin Iordan spielte Flöte, Beatrice sang und dazu kam noch der Bruder von Beatrice, der Schlagzeug spielte. Heute gehören zum Projekt sechs Menschen. Auf der Bühne treten, je nach Programm, vier Musiker auf. „Jeder spielt wenigstens zwei Instrumente und die Rollen können ausgetauscht werden. Wir alle kennen die Lieder“, macht Florin Iordan klar.
Das Vorhaben des Ensembles ist es, sich mit der Musik der ländlichen Welt zu beschäftigen. Dabei werden sie die Instrumente erklingen lassen, die von Bauern gespielt wurden, als sie im Familienkreis musizierten: verschiedene Arten von Flöten, Zither, Dudelsack oder Maultrommel. Im Ensemble gibt es auch einen modernen Trend, der sich mit World Music und Fusion befassen will.