Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ in der Regie Gavriil Pintes wurde am Samstag, dem 5. November, in Premiere im Radu-Stanca-Theater aufgeführt. Seit der Uraufführung 1958 im Züricher Schauspielhaus wurde das Stück im deutschen Sprachraum unzählige Mal inszeniert: Es warnt vor Konformismus und davor, die Augen vor der nackten Wahrheit zu verschließen. Zweifelsohne gelingt es der Hermannstädter Inszenierung, diese Aspekte zu vermitteln.
Die Bürger einer Stadt werden seit einiger Zeit durch Brandstiftungen verunsichert: Die Brandstifter geben sich als harmlose Hausierer aus, finden so Eingang in die Häuser und setzen diese dann in Flammen. Der Haarwasserfabrikant Gottlieb Biedermann (Daniel Plier) ist darüber empört und macht beim Stammtisch in der Kneipe seinem Ärger Luft. Wenig später taucht Herr Schmitz (Daniel Bucher) im Hause Biedermanns auf und gibt sich als Obdachloser in Not aus. Biedermann schöpft zwar Verdacht, setzt aber auf Vertrauen und bietet für die Nacht eine Schlafmöglichkeit im Dachstuhl an. Die „Menschlichkeit“, an die Schmitz appelliert, obsiegt – zumindest in diesem Fall, denn vom Selbstmord seines Angestellten Knechtling lässt er sich nicht beeindrucken, auch später nicht, als dessen Witwe (Renate Müller-Nica) zu Besuch kommt.
„Allzu menschlich“, um es mit Nietzsche zu formulieren, wird es an den beiden Folgetagen: Zumal die Nacht überstanden ist, hat Biedermann keine Eile, Herrn Schmitz auch wieder wegzuschicken. Seine Ehefrau Babette (Alexandra Murăruş) ist entschlossen, den Gast freundlich, aber bestimmt die Tür zu weisen. Sie hegt noch mehr Verdacht als ihr Gatte, aber auch sie bringt es nicht übers Herz, den hilfsbedürftigen Herrn Schmitz vor den Kopf zu stoßen. Nach nächtlichem Gepolter will Biedermann die Sache nun doch noch selbst in die Hand nehmen und findet dabei auf dem Dachboden nicht nur einen weiteren Gast, Willi Eisenring (Valentin Späth), sondern auch Benzinfässer vor. Ein Polizist taucht auf, um den Tod des Angestellten Knechtling zu melden, erspäht die Fässer, doch Biedermann stellt sich ironischerweise schützend davor und meint, diese seien für das Haarwasser.
Die Gäste versuchen, nichts zu verbergen, und das mit einem guten Grund, den der eine Gast dreist zugesteht: „Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität (…) Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“ Auch das bringt Biedermann nicht zum Erwachen, er hilft sogar dabei, die Zündschnur zu den Fässern auszulegen. Er ahnt zwar eine mögliche Gefahr, glaubt aber, durch Freundschaft mit den Gästen die Situation in Griff zu bekommen, und lädt diese noch zum Abendessen ein. Beim Tischgespräch nennen die ungeheuerlichen Gäste ihre Absicht zwar nicht beim Namen, machen daraus aber auch kein Geheimnis. Verzweifelt hält Biedermann an seiner Überzeugung fest, dass die Gäste keine Brandstifter seien, sondern seine Freunde. Zum Abschluss schenkt er ihnen als Zeichen seines Vertrauens auch noch Zündhölzer – Brandstifter hätten doch Zündhölzer dabei gehabt.
Im Nachspiel ist das Unheil eingetreten. Biedermann und Babette finden sich in der Hölle wieder, wie auch das Dienstmädchen Anna (Anca Cipariu) und die Brandstifter. Biedermann hält fest, er habe nichts anderes getan, als seine Mitbürger auch, und hofft auf Erlösung.
Roxana Ionescus Bühnenbild betont die Spanne zwischen der Realität draußen und dem Wunschdenken im Hause Biedermanns – das Gutbürgerliche ist eingefangen in Mauern, die von außen mit Leitern und roten Wänden einem Feuerwehrhaus gleichen. Zwischen den einzelnen Szenen tritt immer wieder der Chor der Feuerwehrleute in befremdlichen, fast geisterhaften Kostümen auf. Wie der Chor in der griechischen Tragödie hält er die Sachverhalte fest, ermahnt und ruft dadurch auf, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Bitter bleibt der Nachgeschmack, da gerade Vertrauen und Menschlichkeit, Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens, zum Unheil führen. Worum es aber geht, ist das Maß und der Aufruf, Tatsachen gegenüber nicht blind zu sein, auch dann nicht, wenn diese als Extremismus schwer zu fassen sind.