In der Kunstsammlung Ligia und Pompiliu Macovei, die in der privaten Residenz des Stifterpaares am Fuße des Bukarester Patriarchie-Hügels in der Straße des 11. Juni 36-38 der Öffentlichkeit zugänglich ist, kann derzeit und noch bis zum 10. Januar 2021 eine kleine Doppelausstellung bewundert werden, die zwei rumänischen Künstlerinnen des vorigen Jahrhunderts gewidmet ist: Cecilia Cuțescu-Storck und Ligia Macovei.
Über die dort gezeigten Tuschezeichnungen, Pastelle und Ölgemälde der beiden miteinander befreundeten Künstlerinnen hinaus, die einander korrespondierend auf Staffeleien ausgestellt sind und sich so von der ständigen Sammlung, in der sie präsentiert werden, gezielt abheben, kann man weitere Werke von Cecilia Cuțescu-Storck in Bukarest auch im Museum Frederic Storck und Cecilia Cuțescu-Storck in der Vasile Alecsandri-Straße 16 betrachten. Und es versteht sich von selbst, dass weitere Werke von Ligia Macovei auch und gerade in ihrer eigenen Kunstsammlung zu sehen sind. Beide Museen, das Museum Storck und das Museum Macovei, gehören zu den vom Bukarester Stadtmuseum verwalteten Kunstsammlungen und Gedenkstätten, die die Museumslandschaft der rumänischen Kapitale beleben und bereichern.
Cecilia Cuțescu-Storck (1879-1969) war die erste weibliche Lehrkraft an der Nationalen Schule der Schönen Künste in Bukarest und zugleich die erste Professorin an einer staatlichen Kunstakademie in Rumänien wie auch in ganz Europa überhaupt. Sie bildete zusammen mit den Künstlerinnen Olga Greceanu (1890-1978) und Nina Arbore (1888-1942) die „Gruppe der drei Damen“, die gemeinsam ihre beruflichen und feministischen Interessen verfochten. „Wenn du eine Frau bist“, so wird Cecilia Cuțescu Storck mit einer gelegentlichen Äußerung zitiert, „brauchst du die Energie einer Wahnsinnigen und den Wahnsinn einer Verzweifelten, um alle Hindernisse zu überwinden, die die Gesellschaft mutigen Frauen in den Weg stellt.“
Ligia Macovei (1916-1998) studierte von 1934 bis 1939 an der seit 1931 so genannten Akademie der Schönen Künste in Bukarest in der kunstgewerblichen Sektion. Ihre akademischen Lehrer waren in erster Linie Jean Alexandru Steriadi, Cornel Medrea, Horia Teodoru und Cecilia Cuțescu-Storck. Für die junge Ligia Macovei war Cecilia Cuțescu-Storck nicht nur eine bewunderte Künstlerin und eine verehrte Hochschullehrerin, sondern zugleich auch ein Vorbild und ein Rollenmodell im Sinne weiblicher Selbstbehauptung in einer von Männern dominierten Kunstwelt, wie übrigens auch für viele andere junge Frauen, die in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Bukarest ein Kunststudium absolvierten, wie zum Beispiel Wanda Sachelarie-Vladimirescu, Mariana Petrașcu, Nuni Dona, Natalia Dumitrescu, Valentina Bardu oder Lucia Cosmescu.
Wie der Untertitel der Doppelausstellung – „Eine ungewöhnliche Beziehung“ – nahe legt, geht es hier weniger um die Darstellung der gängigen Beziehung zwischen einer Schülerin und ihrer Lehrerin, sondern um die Korrespondenzen zwischen den jeweils originellen gestalterischen Herangehensweisen der beiden im Grunde doch sehr verschiedenen Künstlerinnen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Schaffung eines spezifisch weiblichen Universums mittels einer je besonderen künstlerischen Formensprache. So stehen sich bereits am Eingang zur Privatvilla Ligia Macoveis, die diese gemeinsam mit ihrem Ehemann Pompiliu Macovei (1911-2008) auch während kommunistischer Zeiten bewohnte, programmatisch zwei Werke der beiden Künstlerinnen gegenüber: die Monotypie „Der Morgen“ (1973) von Ligia Macovei und das Pastellgemälde „Zwei Mädchen“ (1935-1938) von Cecilia Cuțescu-Storck, die sich beide nicht nur im Hinblick auf die angewandte künstlerische Technik und die von ihnen abstrahlende Farblichkeit voneinander unterscheiden, sondern auch im Hinblick auf das in ihnen entworfene Frauenbild.
Dieses künstlerische Zwiegespräch setzt sich in der gesamten Doppelausstellung fort. Den beiden Pastellgemälden Cecilia Cuțescu-Storcks zum Thema „Salome“ steht die Tuschezeichnung „Waldesrauschen“ (1964), ebenfalls ein Frauenporträt, gegenüber: die über dem Haupt des Täufers triumphierende Verführerin und das ganz in der Natur aufgehende weibliche Wesen, wie es Mihai Eminescu in seinem Gedicht „Freamăt de codru“ als Objekt der Sehnsucht darstellt. Genauso wie „Waldesrauschen“ den Titel eines Gedichts von Mihai Eminescu zitiert und zugleich die Essenz des Poems illustriert, so bezieht sich auch die Tuschezeichnung Ligia Macoveis „Kaiser und Prolet“ (1964) auf das gleichnamige Gedicht von Mihai Eminescu „Împărat și proletar“. In der unweit von diesen auf Staffeleien stehenden Zeichnungen platzierten Vitrine kann man noch mehr Illustrationen Ligia Macoveis bewundern: zu weiteren Gedichten Eminescus und zur Lyrik Tudor Arghezis, in zwei dicken Büchern und auf diversen Einzelblättern.
Weitere Pastellgemälde von Cecilia Cuțescu-Storck („Frau mit Vase“, „Zigeunerin“, beide aus den Jahren 1935 bis 1938) und weitere Tuschezeichnungen von Ligia Macovei („Löwendompteuse“, „Löwe“, „Fohlen“, „Mädchen“, „Selbstporträt mit Aschenbecher“, allesamt aus den Jahren 1941 bis 1943) runden die kleine Doppelausstellung ab, wobei der Ausstellungsbesuch damit freilich keineswegs an sein Ende gekommen ist. Denn die fünf Räume im Erdgeschoss der Macoveischen Privatvilla, die anfangs des 20. Jahrhunderts im französischen Stil erbaut wurde, bergen darüber hinaus eine Vielzahl von Kunstschätzen, deren Besuch sich unabhängig von der erwähnten Doppelausstellung auf jeden Fall lohnt.
Zunächst sind die zahlreichen Gemälde zu erwähnen, die im Stile der Petersburger Hängung überall an den Wänden zu finden sind. Zu den diversen Künstlern zählen u. a.: Theodor Pallady, Lucian Grigorescu, Alexandru Ciucurencu, Dimitrie Ghiață, Gheorghe Petrașcu, Ioan Andreescu, Jean Alexandru Steriadi, Iosef Iser, Nicolae Tonitza, Ion Țuculescu, Marcel Iancu und Max Herman Maxy.
Dazu kommen dann noch eine große Anzahl von Kunstgegenständen und kunstgewerblichen Erzeugnissen aus vielen kunstgeschichtlichen Epochen und aus allen Teilen der Welt, die das Ehepaar Macovei im Laufe der Jahre zusammengetragen hat. Kristallgläser aus Böhmen und Venedig, persische Vasen und Ibriks, arabische Dallas, ägyptische Uschebtis, türkische Teller aus Iznik (Nicäa), chinesische Bronzen und Tonfiguren, ein Biedermeiersekretär, ein provenzalischer Schrank, ein burgundischer Renaissance-Schrank, ein französischer Gebetsstuhl, ein Kaffeeservice aus Rouen, englisches Porzellan, ein beeindruckendes schweres hölzernes Ochsenjoch, Volkskeramik aus Mexiko, Peru, Russland und Portugal, Delfter Kacheln, rumänische Glasikonen, italienische und spanische Glasvasen, eine florentinische Kredenz, spanische Kerzenständer, ein süddeutscher Stuhl mit dreieckiger Sitzfläche aus dem Jahre 1775 mit Wappen auf der Rückenlehne und einem dieses überwölbenden Löwenkopf und viele andere Exponate mehr.
Beeindruckend ist auch die umfassende kunstgeschichtliche Bibliothek des Ehepaars Macovei sowie die zahlreichen persönlichen Widmungen in Büchern, die man in mehreren Vitrinen bewundern kann, etwa von Tudor Arghezi, Maria Banuș, Marin Sorescu oder Henry Moore. Ein Museumsbesuch also, der sich immer und jederzeit lohnt!