Aus Anlass des 140. Geburtstages des rumänischen Malers jüdischer Abstammung Iosif Iser (1881-1958) ist derzeit und noch bis zum 29. August dieses Jahres in den beiden Kretzulescu-Sälen des Nationalen Kunstmuseums in Bukarest eine sehenswerte Ausstellung von Gemälden zu besichtigen. Es handelt sich dabei durchwegs um Landschaftsdarstellungen, die auf Reisen des Künstlers in den Westen (Frankreich, Spanien) sowie in den Osten (Dobrudscha, Istanbul) des europäischen Kontinents entstanden sind.
Die insgesamt 66 Werke Iosif Isers (Öl, Tempera, Gouache, Aquarell, Tusche), von denen einige der im Rahmen dieser Ausstellung gezeigten Exponate zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich sind, stammen sowohl aus eigenen Beständen des Nationalen Kunstmuseums als auch aus den Sammlungen Iosif Iser sowie Elisabeta und Moise Weinberg, die im Bukarester Museum der Kunstsammlungen aufbewahrt werden. Die von Alina Petrescu kuratierte Ausstellung ist mittwochs bis sonntags zwischen 10 und 18 Uhr im Bu-karester Nationalen Kunstmuseums zu besichtigen.
Iosif Iser erhielt seine künstlerische Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste München, wo er von 1899 bis 1904 Malerei studierte. Nach seiner ersten Einzelausstellung in Ploie{ti im Jahre 1904 ging er wieder nach Bukarest, wo er als Karikaturist für verschiedene Zeitschriften arbeitete („Adevărul“, später auch „Facla“). 1906 wurde Iser Mitglied der Künstlervereinigung „Tinerimea Artistică“ (Die künstlerische Jugend), die ihm noch im selben Jahr eine ausschließlich seinen eigenen Werken gewidmete Ausstellung ermöglichte.
Im Jahre 1908 zog Iosif Iser nach Paris, wo er an der Académie Ranson und an der Académie Humbert seine Kenntnisse in der Malerei der Moderne erweiterte und sich in den Künstlerzirkeln von Montmartre und Montparnasse bewegte. Dort begegnete er u.a. Pablo Picasso, Juan Gris oder André Derain, nicht zuletzt auch seinem Landsmann Constantin Brâncu{i. Außerdem setzte Iosif Iser in Paris seine Tätigkeit als Karikaturist fort. Er arbeitete für die französischen Satiremagazine „Le Témoins“ und „Le Rire“, für die deutschen satirischen Wochenschriften „Simplicissimus“ (München) und „Lustige Blätter“ (Berlin) sowie für katalanische und spanische Satirezeitschriften.
Seiner Begeisterung für die Malerei der Moderne verlieh Iser dadurch Ausdruck, dass er im Jahre 1909 nach seiner Rückkehr aus Paris im Bukarester Athenäum eine Ausstellung moderner Kunst organisierte. Seine zahlreichen Reisen, die Thema der gegenwärtigen Bukarester Ausstellung sind, führten ihn vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren durch Frankreich, Italien und Spanien wie auch bis an die östlichen Grenzen des europäischen Kontinents.
Diesen beiden Welten, der westlichen wie der östlichen, trägt die Bukarester Ausstellung von Werken Iosif Isers insofern Rechnung, als sie den ersten und größeren Kretzulescu-Saal für den Westen, den zweiten und kleineren für den Osten reserviert, wobei die Sujets und die künstlerische Technik Iosif Isers die beiden getrennten geographischen Welten wiederum sehr nahe aneinanderrücken.
Beeindruckend sind im ersten Saal die Berglandschaften bei Miranda de Ebro mit ihren bizarren Felsformationen, die in den Gouachen auf Papier, unterstützt durch Isers Farbgebung, plastisch hervortreten. In seiner Landschaft bei Toledo meint man gar die Hand El Grecos zu spüren. Zu dieser abweisenden Bergwelt treten dann Siedlungen in der Einöde und einzelne einsame Menschen hinzu, wie etwa im Gemälde „Häuser in Spanien“. Der „Viehmarkt in Burgos“, eine Gouache auf Papier, lässt an impressionistische Gemälde von Max Liebermann und an expressionistische Gemälde von August Macke gleichermaßen denken. Eine Straße in Avila und die Dächerlandschaft einer spanischen Stadt atmen Lokalkolorit und sind durchflossen von südlichem Licht.
Isers Faszination von Brücken zeigt sich in mehreren Exponaten: in der Gouache „Brücke in Burgos“ und im Aquarell „Brücke über die Seine“, wo mächtige Lastkähne neben der zierlich erscheinenden Promenade im Wasser liegen, überwölbt von der Seine-Brücke im Hintergrund. Ein weiteres Aquarell Isers greift dasselbe Brückenmotiv auf. Das Bild „Paris, Rue de Saules“ (Aquarell und Gouache auf Papier) lässt an die Malerei Paul Cézannes denken wie auch die ebenfalls in Frankreich entstandene Gouache „Im Park“, wo Äste und Blattwerk vier Fünftel der Bildfläche einnehmen, während das unterste Fünftel dem Weg und einem Spaziergänger vorbehalten sind, welche unter der Last und Wucht der fauvistisch wuchernden Vegetation fast erdrückt zu werden scheinen.
Von besonderer Anziehungskraft sind die südfranzösischen Gemälde Iosif Isers. Das Ölgemälde „Alter Brunnen in Cassis“ zeigt einen schattigen Platz in der Kleinstadt am Mittelmeer, wobei nur das untere Bilddrittel dem Straßenbild und den Passanten gewidmet ist. Die oberen beiden Drittel gehören in Gänze dem Gewirr der Äste mächtiger Platanen, die in ihrer labyrinthischen Struktur einen gleichsam abstrakten Bildraum schaffen, welcher das gegenständliche Bildgeschehen überwölbt. Im mediterranen Ambiente dürfen selbstverständlich Palmen nicht fehlen: Iosif Iser zeigt sie in Cannes vor einer Kirche und an der Croisette wie auch in einem südfranzösischen Garten, in dessen schattiger Atmosphäre eine Tierskulptur prähistorische Gefühle weckt.
Von besonderer Qualität sind die acht Strandbilder aus Saint-Malo in der Bretagne, bei denen das berühmte Bild „Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grand Jatte“ von Georges Seurat Pate gestanden zu haben scheint. Mehrere kleinformatige Figuren und Figurengruppen im Vorder-, Mittel- und Hintergrund der einzelnen Strandbilder bilden zusammen mit Zelten, Felsen, Wellen und Meer lebendige Szenerien, die die Einheit von Mensch und Natur in gelöster sommerlicher Atmosphäre beschwören.
Im zweiten, dem europäischen Südosten gewidmeten Saal sind zunächst Bilder aus Balcic zu bewundern, das in jener Zeit zu Rumänien gehörte. Die Felsformationen auf einem Bergplateau an der Schwarzmeerküste erinnern an die Gesteinsformationen im kastilischen Miranda de Ebro, die man im ersten Ausstellungssaal bewundern konnte. Häuser in Balcic, ein Armenviertel in der Küstenstadt lassen den Iserschen Realismus hervortreten, der sich auch in anderen Bildern aus der Nord- und Süddobrudscha zeigt. Eine Straßenszene in Dobritsch/Bazargic, eine Landschaft bei und ein Markt in Tutrakan/Turtucaia, ein Minarett in Konstanza (kein Leuchtturm, wie die Bildunterschrift fälschlicherweise mitteilt!), ein Platz in Silistra lassen die sommerliche Welt der Dobrudscha erstehen, die für Iosif Iser zeitlebens eine große Anziehungskraft besaß.
Schließlich geht es mit Iosif Iser an den Bosporus, wo man farbenprächtige Landschaftsszenen bewundern kann, und dann weiter bis nach Istanbul, wo Straßen- und Hafenszenen, Schiffe und Landungsbrücken das Bild der Grenzmetropole zwischen Europa und Asien eindrücklich werden lassen. Die Hagia Sophia, Kirche und Moschee in einem, erscheint hierbei als Sinnbild dieser Grenzlage. Iosif Iser hat dem anderthalb tausend Jahre alten byzantinischen Gebäude ein herrliches Ölgemälde gewidmet, das in der Bukarester Ausstellung bewundert und genossen werden kann.