Der vor 200 Jahren in Klausenburg/Cluj geborene und vor 125 Jahren in Bukarest gestorbene Maler, Grafiker und Zeichner Carol Popp de Szathmáry zählte zu den großen Künstlern und außerdem auch zu den bedeutendsten Fotografen seiner Zeit. Für seine artistischen und dokumentarischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Fotografie, insbesondere für seine wertvollen fotografischen Alben, wurde er von zahlreichen gekrönten Häuptern Europas gewürdigt: Er erhielt Auszeichnungen vom spanischen König, von der englischen und der schwedischen Königin, vom österreichischen und vom französischen Kaiser und vom osmanischen Sultan.
Der rumänische König Karl I. verlieh ihm 1884 den Orden „Stern Rumäniens im Rang eines Ritters“; zuvor war Popp de Szathmáry offizieller Fotograf der rumänischen Herrscher Gheorghe Bibescu, Barbu Ştirbei und Alexandru Ioan Cuza gewesen.
Die Szathmáry-Ausstellung, die derzeit und noch bis zum 10. August im Bukarester Nationalmuseum Cotroceni zu besichtigen ist, versammelt ausgewählte Werke des vielseitigen Künstlers, die aus mehreren rumänischen Museen zusammengetragen und von verschiedenen Institutionen leihweise zur Verfügung gestellt wurden: vom Museum der Stadt Bukarest, von der Bibliothek der Rumänischen Akademie, vom Nationalen Kunstmuseum und vom Nationalen Geschichtsmuseum in Bukarest, von den Kunstmuseen Craiova und Klausenburg, vom Nationalen Bauernmuseum, vom Nationalen Militärmuseum „König Ferdinand I.“, vom Museum für Geschichte und Archäologie des Kreises Prahova, von der Rumänischen Nationalbibliothek, vom Kunstmuseum Kronstadt/Bra{ov und vom Museum Brăila.
Carol Popp de Szathmáry ging nach seiner Schulzeit in Klausenburg zunächst bei dem Wiener Maler Franz Neuhauser in die Lehre, der sich in Hermannstadt/Sibiu niedergelassen hatte. In dessen Atelier bildete der junge Popp de Szathmáry seine Fertigkeiten in der Porträtmalerei weiter, bevor er seine Studien in Wien und Rom vertiefte. 1843 ließ sich Popp de Szathmáry in Bukarest nieder, wo er auch ein Atelier eröffnete.
Zahlreiche Reisen führten ihn durch ganz Europa, ins Osmanische Reich, nach Syrien und in den Libanon, bis nach Persien und Afghanistan. Als einer der ersten Kriegsreporter und Fotojournalisten überhaupt berichtete er über den Krimkrieg (1853-1856). Ein Vierteljahrhundert später dokumentierte er auch den Russisch-Osmanischen Krieg (1877-1878), der von den rumänischen Historikern als Rumänischer Unabhängigkeitskrieg bezeichnet wird.
Die Bukarester Ausstellung, die in einem Wandelgang und in sechs Sälen des Nationalmuseums Cotroceni gezeigt wird, bietet, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, einen Querschnitt durch das Werk des Zeichners, Malers, Aquarellkünstlers, Lithografen und nicht zuletzt des Fotografen Carol Popp de Szathmáry.
Zunächst werden Ansichten und Panoramen jener Stadt gezeigt, in der sich der siebenbürgische Künstler mehr als die Hälfte seines Lebens aufgehalten hat: ein fotografisches Panorama Bukarests vom Turm des Col]ea-Spitals, aber auch ein Blatt mit einer Panoramaansicht des Zentrums von Bukarest, in das die Namen mehrerer Kirchen mit Bleistift eingetragen sind – „Treima, George, Bati{tei, Spiridon, Katarin“. Märkte und Chausseen in und um Bukarest werden in leuchtenden Aquarellen lebendig: das Brunnenhaus der Bukarester Metropolie mit sechs Frauen in Nationaltrachten; ein Grabkreuzmaler auf dem Moşilor-Markt; eine Bukarester Straßenszene mit Wasserverkäufern; Ausstellungspavillons im Ci{migiu-Park; der Cantacuzino-Brunnen, eingefasst von reich verzierten und mit korinthischen Kapitellen geschmückten Säulen, sein Portalbogen mit Seilornamentik überzogen von einem dekorativen Fries; der Innenhof der Herberge „Hanul lui Manuc“ mit zum Teil nur skizzierten Menschen, Pferden und Kutschen.
Aber auch historische Ereignisse werden von Carol Popp de Szathmáry bildnerisch erfasst: die Investitur des Metropoliten Calinic Miclescu am 31.5.1875 durch Karl I. (Aquarell); Karl I. in einer Kalesche vor dem Denkmal von Mihai Viteazul am Universitätsplatz (Bleistiftzeichnung); das Gebäude der Universität 1858 und vor ihm ein menschenleerer Bauplatz (Fotografie); die Feier des Tauffestes 1844 mit Fürst Gheorghe Bibescu (Bleistiftzeichnung); die Königsproklamation des Jahres 1881 und andere historische Ereignisse in den rumänischen Parlamentskammern (Bleistiftzeichnungen mit zum Teil höchster Porträtgenauigkeit).
Zahlreiche Aquarelle zeigen eine große Vielfalt von National- und Regionaltrachten aus allen Teilen des Landes, getragen zur Zierde oder bei der Ausübung eines Berufs oder einer Tätigkeit: Bäuerinnen, Schäfer, Spinnerinnen, Wasserträger, Korbmacher, Geiger. Ein wunderbar leuchtendes Aquarell gibt in kräftigen Farben eine Marktszene aus Câmpulung Muscel wieder: Melonen, Kartoffeln, Messer, Krämerwaren werden zum Verkauf angeboten, dazwischen Menschen, Pferde und eine Wahrsagerzene mit einem Glück verheißenden Hufeisen. Karl I. wird zu einem Motiv romantisch angehauchter Ölgemälde, in denen Popp de Szathmáry malerisch den Reiz der Ruinen auskostet, sei es in Curtea de Argeş, sei es beim Kloster und der Burg Cetatea Neamţului.
Mehrere Dutzend Fotografien entfalten einen Bilderbogen damaliger Lebens- und Arbeitswelt. Insbesondere den Verkäufern verschiedenster Waren gilt die Aufmerksamkeit des Fotografen: Essig, Schwämme, Teigtaschen, türkisches Zuckerwerk, Joghurt, Felle, Eis, Töpferwaren, bunt gemischt erscheinen die feilgebotenen Waren auch und gerade in den Schwarz-Weiß-Bildern des Fotografen. Mehrere Dutzend Porträtfotografien (drei davon porträtieren den Fotografen selbst) werfen ein besonderes Licht auf die damalige rumänische Gesellschaft und ihre herrschende Schicht.
Ein riesiger Foliant aus dem Jahre 1867 mit dem Titel „Rumänien“, ein Auftragswerk von Karl I., enthält eine umfangreiche Sammlung von großformatigen Einzelfotografien, von denen leider nur die oben aufliegende zur Betrachtung freigegeben ist. Allein mit diesem Konvolut könnte man eine umfassende und sehenswerte Szathmáry-Ausstellung bestreiten. Doch auch ohne jenen Einblick bietet die Bukarester Ausstellung einen grandiosen Überblick über Gesellschaft, Politik, Kultur, Geschichte und Lebenswelt Rumäniens im 19. Jahrhundert, voller Charakteristik, Anschaulichkeit und Lebensnähe.
Die Nähe zur Macht, die Carol Popp de Szathmáry als Fotograf berühmter Persönlichkeiten der Zeitgeschichte leibhaftig spüren durfte, kann mutatis mutandis auch der Betrachter der Ausstellung nachfühlen und miterleben: Ohne Leibesvisitation und ohne vorherige Hinterlegung seines Personalausweises oder Reisepasses wird er nämlich nicht auf das von hohen Mauern umgebene Gelände des Cotroceni-Palastes, geschweige denn ins Nationalmuseum hineingelassen.