Ein Jahr ist um und der Wahnsinn (die Mania) beherrschte Hermannstadt/Sibiu erneut. In diesem konkreten Fall die „ARTmania“. Bei der achten Auflage des Rock- und Metalfestivals kamen über 10.000 Fans nicht nur aus Rumänien, sondern auch aus anderen europäischen Ländern zusammen. Die Headliner der „ARTmania“ 2013 waren das deutsche Musikprojekt „Lacrimosa“ und die niederländische Symphonic-Metal-Band „Within Temptation“.
Das lange Warten hat ein Ende
Eigentlich begann das Festival am Montag, dem 5. August. Aber irgendwie leise, ohne dass es dem breiten Publikum bewusst geworden wäre. Workshops, Ausstellungen und Filmvorführungen machten den fast unsichtbaren Anfang des diesjährigen „ARTmania“-Festivals. Nur das Getue am Großen Ring/Piaţa Mare erinnerte die Fans daran, dass es nicht mehr lange bis zum ersten Auftritt dauern würde. Wie jedes Jahr musste der „Käfig“ – das umzäumte Areal für das zahlende Publikum – aufgebaut, die Bühne mit Lichtanlagen und (sehr)Lautsprechern bestückt und die Bierzelte aufgestellt werden. Die Träger der bunten Armbänder, mit denen man als Rockfan in den „Käfig“ hineingehen durfte, ließen aber auf sich warten. Die ersten Konzerte fanden nämlich am Kleinen Ring/Piaţa Mică statt und waren kostenlos.
Den Startschuss gaben Silviu Gherman und Ovidiu Chihaia alias „Mes Quins“. Irgendwie scheinen die Organisatoren ihrem Lied „Lăsaţi-mă să trec, sunt artist!“ (Lasst mich durch, ich bin ein Künstler) besondere Bedeutung beigemessen zu haben. Die Klausenburger „Lights Out!“ sorgten für Licht vor dem Auftritt von „The Mono Jacks“. Der Nachtteil dieser Konzerte war die Höhe der Bühne: die Künstler sangen von einem Frachtcontainer zum Publikum hinunter.
Einen ungewöhnlichen Platz fand ein nicht weniger ungewöhnliches Duo aus Deutschland. Alexander Veljanov und Ernst Horn alias „Deine Lakaien“ musizierten im Innenhof des Brukenthalmuseums. Um diesem Auftritt beizuwohnen, reichten die Armbänder nicht aus: man brauchte auch eine Platzreservierung. Der knappbemessene Platz gab nur etwa 350 Zuhörern die Möglichkeit, einer einzigartige Mischung aus Dark-Wave, Pop und Avantgarde zu lauschen. Nicht unbedingt jedermanns Geschmack, jedoch großartig aufgeführt. Was Ernst Horn aus dem präparierten Klavier hervorbringen kann, lässt keine einigermaßen musikalische Seele ruhig.
Der Wahnsinn am Hauptplatz
Am Freitag und Samstag wurde der Große Ring zum Sperrgebiet. Die Musikfans durften nur kurz vor dem Beginn des ersten Konzertes in den „Käfig“. Anscheinend sorgten sich die Organisatoren um das Wohlergehen der Leber der schwarzgekleideten, langhaarigen Menge. Aber auch so floss das Bier, obwohl nicht sehr billig, in Strömen. Ein Kräuterlikör, der trotz seines Namens wenig mit der Jagd zu tun hat, sorgte für die Verdauung. Übrigens kaufte man mit jedem Stamperl auch einen Freischein für eine nicht permanente Tätowierung mit dem Schriftzug des Likörs. Einige Kinder, deren Eltern sich ein Gläschen genehmigt hatten, waren sichtlich enttäuscht, da man die Minderjährigen mit dem Namen eines alkoholischen Getränks nicht schmücken durfte.
Im Übrigen befanden sich im Vergleich zu den Vorjahren viel mehr Kinder im „Käfig“. Die jungen Rockfans, bis zu 14 Jahren, genossen freien Zutritt, vorausgesetzt sie wurden von einem Elternteil mit dem gekauften Armband begleitet. Und so wimmelte es förmlich von Kindern, angefangen von Säuglingen bis zu Teenagern, mit verschiedenen Varianten von Ohrschutz.
Die Konzerte selbst begannen nie pünktlich. Der Soundcheck und die Vorbereitungen auf der Bühne dauerten immer länger als geplant. Trotzdem bildete sich ein Menschenpulk vor der Bühnenabsperrung lange vor 19 Uhr, dem Termin für den ersten Auftritt des Abends. Die Fans wollten ihren Idolen so nah wie möglich sein. Das Ausrufen des Bandnamen steigerte sich in das Unermessliche mit jeder verstrichenen Minute, bis die Künstler tatsächlich auf der Bühne erschienen. Danach galt es für das Publikum, die wahre Stärke ihrer Stimmbänder zu zeigen: Es ist nämlich gar nicht so leicht, die Lautsprecher zu übertönen.
Die Künstler und die Fans
Von den sechs bekannten Bands, die am Großen Ring aufgetreten sind, kam die Hälfte aus Deutschland: „Haggard“, „Xandria“ und „Lacrimosa“. Hinzu gesellten sich die schwedisch-dänisch Band „Amaranthe“, die niederländische Symphonic-Metal-Band „Within Temptation“ und die Metal-Band „Orphaned Land“ aus Israel. Die Auftritte dauerten höchstens eine Stunde pro Band, was dem Publikum selbstverständlich zu wenig war. Jedoch gab es keine Zugabe. „Es wäre unfair den anderen Festivalteilnehmern gegenüber, wenn wir weiter singen würden“, erklärte geduldig Asis Nasseri, der Sänger von „Haggard“. Am Kürzesten musizierte die exotischste Band des Festivals, „Orphaned Land“. Nach nur 40 Minuten dankten die Künstler ab. Sie luden jedoch das Publikum hinter die Bühne ein, um Autogramme zu verteilen und „ein Foto mit jedem einzelnen Fan“ zu machen.
Apropos Fotos. Die diesjährige Auflage des ARTmania-Festivals zeichnete sich durch einen besonders freundlichen Umgang mit den Fotografen im Publikum aus. Man durfte eine Kamera mit in den „Käfig“ nehmen. Jedoch sollte diese kein zu großes Objektiv haben (höchstens 15 Zentimeter) oder insgesamt nicht länger als 20 Zentimeter sein. Die Nahaufnahmen waren auch in diesem Jahr also nur den Journalisten und den Profifotografen mit Teleobjektiven vorbehalten. Diese von vielen Fans beneidete Sondergruppe durfte die ersten drei Songs jeder Band aus unmittelbarer Nähe, direkt vor der Bühne, abfotografieren. Danach aber sorgten die strengen Wächter dafür, dass die Fotografen das Areal räumen. Nur beim Auftritt von „Haggard“ konnte man aus ungeklärten Gründen die ganze Zeit vor der Bühne bleiben.
Die eindeutig beste Schau lieferten die Künstler aus den Niederlanden. „Within Temptation“ begeisterte das Publikum nicht nur mit Gesang und Musik, sondern auch mit einer zündenden Licht-, Rauch- und Videoinstallation. Der Auftritt begann mit dem Videoclip zum Song „Faster“ vom letzten Album, der einen tüchtigen Schrecken einjagt.
Wem die Konzerte zu kurz ausgefallen sind, konnte im ARTmania-Shop nicht nur Compact Discs mit der Musik der Lieblingsband kaufen, sondern sich auch mit T-Shirts, Kopftüchern und Armbändern eindecken. Selbstverständlich zu einem echt bissigen Preis.
Der „tränenreiche“ Abschluss
Das Musik-Projekt „Lacrimosa“, das mit seinem Auftritt das Festival beendete, scheint zumindest in Rumänien unter seinem Namen zu leiden. Die Auswahl des Namens bezieht sich auf die letzte Strophe der liturgischen Sequenz „Dies irae“, einem Bestandteil des Requiems. Übersetzt heißt es dort: „Tränenreich ist jener Tag“ (lacrimosa dies illa). Nun, als „Lacrimosa“ 2006 in den „Arenele Romane“ aufgetreten ist, begann es zu regnen. Auch beim ersten ARTmania-Auftritt 2008 regnete es in Strömen. Das diesjährige Konzert stellte keine Ausnahme dar.
Kurz nachdem „Orphaned Land“ die Bühne verlassen hatte, begann es zu tröpfeln. Der darauffolgende ausgewachsene Regen vertrieb die meisten Zuhörer von der Bühne unter den Schutz der Bierzelte. Jedoch schien sich das Wetter des Publikums zu erbarmen. Trotz des sich verzögernden Anfangs des Konzertes der am meisten erwarteten Band und des Nieselregens, kamen immer mehr Fans zur Bühnenabsperrung. Auch die Journalisten zogen zum Bühnenrand, ihre Kameras unter der Kleidung versteckend. Mit den ersten Klängen der Musik, kam die Sintflut. Der Regen war so stark, dass die Kameraleute ihren Beruf vergaßen und Schutz unter allen möglichen Unterschlüpfen suchten. Vom Publikum blieben nur die wasserfestesten Fans vor der Bühne. Alle anderen verfolgten das Konzert aus den Bierzelten. Jedoch ließen Tilo Wolff & Band den Abschluss des Festivals nicht ins Wasser fallen und sangen sich mit Elan durch den Regen.
Die Tage des ART-Wahnsinns in Hermannstadt sind erstmals vorbei. Die Organisatoren bereiten sich für das Festival 2014 vor. Bis dato gibt es weder Gerüchte noch genaue Informationen darüber, wer im nächsten Jahr den Großen Ring und den Tausenden von Fans einheizen wird. Man kann jedoch sicher sein, dass auch das kommende ARTmania-Fest namhafte Metal- und Rockmusiker in die Stadt am Zibin bringen wird. Also, auf Wiederhören bis zum nächsten Jahr.