„Es war eine volle Spielzeit. Als erfolgreich bewerte ich die Kontinuität unseres hohen Qualitätsanspruchs bzw. die Tatsache, dass dieser über die Jahre hinweg anerkannt wurde“: Lucian Vărşăndan, der Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT), möchte die beliebtesten Inszenierungen der Spielzeit 2016/17 nicht einzeln erwähnen, denn schließlich bilden sie gemeinsam das Repertoire, das das DSTT zu einer der erfolgreichsten Bühnen in Rumänien werden lässt. Seit wenigen Tagen steht es fest: Das Deutsche Staatstheater Temeswar wurde erneut zum Nationalen Theaterfestival nach Bukarest im Herbst dieses Jahres eingeladen. „Wenn man sich die Reihe der Inszenierungen anschaut, die im Laufe der Zeit zu diesem repräsentativsten rumänischen Theatertreffen eingeladen wurden, dann kommt man zum Schluss, dass die Arbeit, die am DSTT geleistet wird, nicht nur zufällig oder manchmal Qualität verspricht und gewährleistet, sondern dass es ein kontinuierlicher Anspruch ist“, betont der Intendant.
Kommende Woche klingt die Spielzeit 2016/17 des Deutschen Staatstheaters Temeswar aus. Diese Spielzeit wurde um einige Inszenierungen bereichert, darunter „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, wo das Ensemble erstmalig mit dem europaweit renommierten Spielleiter Tompa Gabor arbeiten durfte, Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ in der Regie des Luxemburgers Charles Muller sowie „Das Dschungelbuch“ nach Rudyard Kipling, eine Inszenierung von Răzvan Mazilu, die sich einer Vielzahl von gut besuchten Aufführungen erfreuen konnte. Vier strategische Richtlinien verfolgt das DSTT-Management bei der Wahl der Inszenierungen, und das seit nunmehr zehn Jahren: Ereignis-Inszenierungen zu wesentlichen Themen des Gegenwartsmenschen, Dramatik/Literatur des deutschen Sprachraums, Inszenierungen für Kinder und Jugendliche sowie Lustspiele und musikalische Aufführungen. Die Grenzen zwischen diesen Richtlinien sind fließend. Es kann also vorkommen, dass ein Stück mehrere dieser Richtlinien bedient. „Ausgehend von diesen Überlegungen entsteht ein Mix an dem, was die unterschiedlichen Publika dieses Theaters von uns erwarten“, sagt Lucian Vărşăndan.
Eine zweite Spielstätte soll das Deutsche Staatstheater Temeswar in Zukunft bekommen. Bei der UNITER-Preisverleihung, die Anfang Mai in der Stadt an der Bega über die Bühne ging, hatte Bürgermeister Nicolae Robu diese Spielstätte erneut ins Gespräch gebracht. Bleibt abzuwarten, wann das Versprechen auch umgesetzt wird. „Es ist schon mehr als ein Versprechen, denn die Spielstätte steht schon fest. Es geht um die vormaligen Werkstätten des Leichtindustrielyzeums in der Cuvin-Straße. Die Einrichtung und Ausstattung dieser zweiten Spielstätte zur ausschließlichen Nutzung des Deutschen Staatstheaters ist u. a. in den Bewerbungsunterlagen der Stadt Temeswar um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt festgehalten – diese Maßnahmen sind für die Stadt verbindlich“, informiert Lucian Vărşăndan. Dem Intendanten fällt es schwer, einen Termin zu nennen, zu dem die zusätzliche Spielstätte in Betrieb genommen wird. Ende 2019 – Anfang 2020, noch vor dem Kulturhauptstadtjahr, könnte dies der Fall sein, hofft Lucian Vărşăndan.
Seinen Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr wird gewiss auch das Deutsche Staatstheater Temeswar leisten. „Das DSTT pflegt enge Beziehungen zum Verein ´Temeswar – Europäische Kulturhauptstadt 2021´. Basierend auf einigen der vorhandenen Kulturveranstaltungen, in Partnerschaft mit den jeweiligen Trägern, werden sogenannte Standbeine artikuliert – ´extensions´. Das DSTT wird also nebst weiteren Kulturträgern aus der Stadt und Region solche ´extensions´ gestalten. Ein erstes Beispiel in dieser Richtung ist das Eurothalia-Theaterfestival 2017, wo die Aura der Kulturhauptstadt sichtbar sein wird durch die Veranstaltung von Gesprächen, durch das Einladen einer Produktion von Eugenio Barba, usw.“, erklärt Lucian Vărşăndan.
Am kommenden Donnerstag, dem 20. Juli, steht als krönender Abschluss der Spielzeit 2016/17 eine neue Vorpremiere am Deutschen Staatstheater auf dem Programm: „Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter“ nach Gabriel García Márquez, in der Bühnenfassung und Inszenierung von Yuri Kordonsky. „Die Zuschauer dürfen sich auf eine zweite Begegnung mit einem ganz besonderen Regisseur freuen: Yuri Kordonsky kehrt ans DSTT zurück. Das DSTT ist das einzige Theater in Temeswar und eines der wenigen rumänienweit, wo Kordonsky inszeniert. Er ist ein ganz besonderer Künstler, weil er stets auf der Suche ist“, verrät Lucian Vărşăndan, der selbst gespannt ist, was diese Suche im Falle eines Künstlers ergeben wird, der sehr viel realistisches Theater gemacht hat und der sich jetzt der Traumwelt und der fantastischen Welt aus den Schilderungen des Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez hingibt. Ihm zur Seite steht der Bühnenbildner Helmut Stürmer, der die schwierige Pflicht hat, diese Traumwelt von Márquez und Kordonsky für den Zuschauer wahrnehmbar zu machen. Die Kostümbildnerin Ioana Popescu ist nicht nur für das Kostümbild zuständig, sondern auch für die Live-Zeichnungen in Sand mit entsprechender Video-Projektion ihrer Kunst, die bei jeder Aufführung vor Ort entsteht. In die Hauptrollen schlüpfen beliebte Schauspieler wie Ida Jarcsek-Gaza, Olga Török, Horia Săvescu und Rareş Hontzu. „Der Zuschauer hat viele schöne Argumente, sich von diesem Abend mit der nicht minder bezaubernden Musik des mehrfachen UNITER-Preisträgers Tibor Cári verzaubern zu lassen. Es wird ein Märchen“, verrät Lucian Vărşăndan. Premiere feiert „Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter“ am 30. September zu Beginn der Spielzeit 2017/18 am Deutschen Staatstheater Temeswar.