Cosmin Bumbuț, Vlad Petri und Andrei Pungovschi zielen mit ihren Fotoapparaten oft in eine Richtung, die die meisten Menschen eher meiden. Sie bringen uns die Realität ungeschönt vor Augen, laden zum Reflektieren, ja sogar zum Handeln ein. Straßenproteste, Gefangene, häusliche Gewalt, Roma, die LGBT-Szene (aus dem Englischen: Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender), Behinderte, Rumänen aus der Diaspora sind nur einige der von ihnen behandelten Themen. Aura Petrașcu hingegen fotografiert gerne spielerisch Lebensmittel und Essen. Mircea Albu]iu ver-ewigt Künstler hinter der Bühne oder hält Momente des Lebens, Licht und Landschaften künstlerisch fest.
Alle fünf hatten laufende Projekte, bevor die Coronakrise kam und mussten diese aufschieben oder ändern. ADZ-Redakteurin Laura Căpățână Juller erhielt einen Einblick, wo diese Fotografen jetzt, während der Ausgangssperre, Inspiration finden.
„Der Prozess kann wichtiger sein als das Ergebnis”
Vlad Petri ist Fotograf und Dokumentarfilmemacher („București, unde ești?”, 2014) und hat beispielsweise die Proteste gegen die Regierung oder das Goldbergbauprojekt von Roșia Montană dokumentiert. Als die Pandemie ausgerufen wurde, war er gerade von Dreharbeiten an einer neuen Dokumentation nach Bukarest zurück gekehrt und ist umgezogen. Zum Dreh konnte er nicht mehr zurückkehren. Dafür fotografiert er zurzeit in der Hauptstadt, was ihm wichtig erscheint, führt Tagebuch und hat sich vorgenommen, täglich etwas zu filmen.
Dieses Foto schoss Vlad Petri am 26. März am Universitätsplatz in Bukarest. „Ich finde es seltsam, bewaffnete Soldaten auf den Straßen zu erblicken. Es sind Bilder, die ich seit der Revolution von 1989 nicht mehr gesehen habe. Es ist eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen, die sich sogar von Kriegssituationen unterscheidet, denn wir sind mit einem unsichtbaren Feind konfrontiert. Der gesamte Bezug zur Realität und zum Dokumentationsprozess ändert sich. Ich weiß nicht, was die Ergebnisse dieser Zeitspanne sein werden, doch kann der Prozess sogar wichtiger als das Ergebnis an sich sein.”
Isoliert im Kloster
Cosmin Bumbuț arbeitet seit mehreren Jahren gemeinsam mit seiner Freundin, der Journalistin Elena Stancu, von ihrem Wohnwagen aus, mit dem sie durch Rumänien und die Welt ziehen und brennende Themen dokumentieren (siehe ADZ-Online, 23. Januar 2018: „Zuhause unterwegs“) – diese sind auf Teleleu.eu zu finden. Ihr Wohnwagen ist Zuhause und Redaktion zugleich. Die Pandemie hat sie in Portugal überrascht, wo sie an einem Projekt über die Rumänen in der Diaspora arbeiteten. Sie hatten gerade eine Reihe von Reportagen in der Provinz Huelva in Spanien beendet, wo zehntausende Rumänen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren als Erntehelfer beim Erdbeerenpflücken waren. „Auf einmal hat sich die Krankheit in ganz Europa verbreitet und alles, was wir davor gemacht haben, all unsere Pläne, wurden abgesagt: Das Projekt über die Erdbeerpflücker ist wohl das komplexeste und intimste aus unserer Serie „Plecat“ (weggegangen) über die Rumänen in der Diaspora. Doch können wir es zurzeit nicht veröffentlichen, da niemanden mehr etwas anderes außer Pandemie, rumänisches Gesundheitssystem und die Plage, die wir erleben, interessiert.“ In einem orthodoxen Kloster, wo sie derzeit isoliert sind, fotografiert Bumbuț nach sechs Jahren Dokumentarfotografie und ständiger Interaktion mit Menschen wieder Landschaften, was ihn beruhigt und von seinen Gedanken von den Nachrichten, von seiner Familie, die in Rumänien geblieben ist und vom Schicksal des unabhängigen Journalismus ablenkt.
Freiheitsbringende Hunde
Andrei Pungovschi ist freiberuflicher Fotojournalist und Mitbegründer der Plattform für Dokumentarfotografie und Fotojournalismus documentaria.ro. Er ist Mitarbeiter der rumänischen Abteilung der Presseagentur France Presse, seine Fotos sind in bedeutenden internationalen Publikationen erschienen und auf wichtigen internationalen Fotowettbewerben ausgezeichnet worden. Auch wenn Pungovschis Pläne für eine Ausstellung seines neuesten Projekts über Influencer, das er gerade beendet hatte, aufgeschoben werden müssen, ist sein Fotoapparat auch in Quarantäne weiterhin im Einsatz. Der Fotograf, der selbst zwei Hunde hat, dokumentiert in diesen Tagen Bukarester Hundebesitzer beim Spazierengehen. „Normalerweise hängen die Freiheitsmomente eines Hundes vom Menschen ab, jetzt hat sich alles gewendet“, beobachtet er. Dieses „leichte, unprätenziöse Thema kann höchstens jemanden zum Lächeln bringen. Wahrscheinlich werden wir alle bedrückendere Themen angehen, sobald das Problem sich auch bei uns vertieft”, sagt der Fotograf. „Ich finde es wichtig, die Zeitspanne, die wir erleben, zu dokumentieren und versuche daher, sie auf ganz verschiedene Arten anzugehen. Mal sehen was dabei herauskommt.”
„Bleib zuhause und spiel mit deinem Essen“
Aura Petrașcu fotografiert gerne Lebensmittel, Speisen und ihre Kinder. Sie ist im HORECA-Bereich (HOtel/REstaurant/CAfé oder CAtering) tätig, der zurzeit lahmgelegt ist, sodass sie nun in der Isolation täglich die Familienmahlzeiten fotografiert, die sie auf ihrer persönlichen Facebookseite „Aura Petrascu“ postet. „Irgendwie ist es eine Rückkehr zu den Angewohnheiten, die wir in unserem Alltag vor dem Coronavirus vergessen hatten, als wir meist getrennt in der Arbeit, im Kindergarten, in der Kita, während Zeichentrickfilmen, bei den Großeltern oder beim Reisen aßen” sagt die Freischaffende.
Sie nutzt diese Zeit, ihre während der Jahre angesammelten Fotos zu bearbeiten, sich tiefgründiger aus mehreren Quellen zum Thema Lebensmittelfotografie und -darstellung zu informieren, an ihrem Kochbuch, das dieses Jahr hätte erscheinen sollen, zu arbeiten. Während der sozialen Distanzierung führt sie ihr langjähriges Projekt „don’t play with your food, let me do it for you” (spiel nicht mit deinem Essen. Lass mich das für dich tun; siehe ADZ-Online vom 22. April 2018: „Gemüse im Rampenlicht“) fort, allerdings angepasst an ihre neue Lebenssituation: sie, als Mutter und Köchin, die mit Nahrungsmitteln spielt. „Das Projekt könnte somit „Bleib zu Hause und spiel mit deinem Essen” heißen.
Die beiden Ichs
Mircea Albuțiu (KR, 7. Februar 2019) tritt Tänzern und Jazzmusikern mit seiner Kamera hinter der Bühne sehr nahe und bleibt dennoch unbemerkt wie ein Schatten, wie Choreograph Gigi Căciuleanu bemerkte.
Im Januar dieses Jahres war der Fotograf nach Portugal zu einer Künstlerresidenz gereist, konnte sich Ende Februar an einer gemeinsamen Ausstellung mit Fotos, Videos, Malerei und Musik aller Künstler in der Residenz erfreuen. Seine beiden weiteren geplanten Ausstellungen in Lissabon und Leiria wurden der Pandemie wegen verschoben, ebenso die Heimreise. Inspiriert von Ion Grigorescus Werk belichtet er den Film doppelt, um sich selbst in der Isolation zu filmen. Sein Projekt „ISO-400-LATION“ zeigt den Kampf zwischen den beiden Ichs - das Eine, das sich im Haus schützen möchte, kämpft gegen das andere, das hinausgehen will. Die Fotoserie ist auf der Facebook-Seite „PhotoBook Club Lisboa“ zu finden. Seinem Dokumentarfilm über die rumänische Tänzerin und Choreographin Miriam Răducanu wird er sich bei der Rückkehr ins Land widmen.