Wagner zum Fasching
Die Schwierigkeiten kleinerer Bühnen und Vereine in der Aufführung von Wagner-Opern führten zu sonderbaren Blüten in der Behandlung musikalischer Themen. Dies führte nicht nur zu Vereinfachungen und Kürzungen solcher Opernpartituren sondern auch zu Nachahmungen der verschiedenen Themen und Motive, wie jene in Wagners „Tannhäuser“. Der Temeswarer Musiker Karl Rudolf Karrász (1846-1912) komponierte so aus dem Sängerstreit auf der Wartburg seinen eigenen „Tann-Häuser oder Die Keilerei auf der alten Wartburg“ und führte dieses Singspiel bei der Silvester-Liedertafel vom 31. Dezember 1876 auf.
Er nannte seine Komposition sogar „große sittlich germanische Oper mit Gesang und Musik in vier Aufzügen“, die Hauptpersonen wie Pietsch, Wolfram von Dreschenbach, Walter von der Viehweide, Frau Venus geb. Meier, ließ er aus den Temeswarer Stadtteilen Josefstadt, Fabrikstadt und den Meierhöfen kommen und die Handlung „…spielt gleichzeitig in verschiedenen Jahrhunderten. Der erste Akt im Venusberg im Venuskeller, der zweite wo anders, der dritte im Redoutensaal – auf der Wartburg, der vierte nach dem dritten Akte.“
Eine ähnliche Opernparodie mit dem gleichen Titel schrieben 1857 Carl Binder und Johann Nestroy für das Wiener Theater in der Josefstadt. Vermutlich ließ sich Karrász von dieser Nestroy-Posse inspirieren und schuf seine eigene Temeswarer Fassung.
Dass dieses Thema auch zum Fasching passen könnte, hat sich der Orawitzaer Musik- und Gesangverein ausgedacht, der am 11. Februar 1888 im Saal „Zur Ungarischen Krone“ den „Sängerkrieg auf der Wartburg“ des Komponisten Koch von Langentreu aufgeführt hat. In Anlehnung an Wagners Dichtung erweiterte man den Titel der Oper: „Großer Wettstreit zwischen berühmten Sängern, in altdeutschen Ritterkostümen gekleidet und mit Schilden bewappnet. Musikalisch-pantomimische Sensations-Komödie. Der Sieg der Choristen ist riesig und effektvoll, die Solisten ziehen sämtlich mit ungeheuer langer Nase ab“.
Karl Huber und Richard Wagner
Im Jahre 1866 erreichte aus Luzern den damaligen Kapellmeister des Königlichen Ungarischen Operntheaters in Pesth, Karl Huber, ein Dankesschreiben von Richard Wagner, in welchem dieser sich für die Aufführung seines „Lohengrins“ bedankt hat. Falls man in Pesth ein weiteres Werk von ihm aufführen wolle, würde er seinen „Rienzi“ vorschlagen. Wagner ließ auch die Mitglieder des Orchesters grüßen, die ihm so lieb geworden sind. Dabei bezieht er sich auf seinen Aufenthalt in Pesth während einer größeren Konzertreise im Jahre 1863, als er als Dirigent aufgetreten ist und somit die Orchestermusiker kennenlernen konnte.
Diese erste ungarische Premiere einer Wagneroper ist dem Banater Musiker Karl Huber zu verdanken, der sich Zeit seines Lebens für die Bekanntmachung der Opern Wagners eingesetzt hat. Am 1. Juli 1827 in Warjasch geboren, bekam er seinen ersten Musikunterricht von seinem Vater Michael Huber, der als Kantorlehrer tätig war. Es folgten Musikstudien am Arader Konservatorium und in Wien. Im Jahre 1844 wurde er mit nur 17 Jahren Primgeiger des Pesther Nationaltheaters, dann 1862 Konzertmeister und 1871 Kapellmeister. Inzwischen war er 1851 für kurze Zeit Konzertmeister des Wiener Kärntnertor-Theaters. Später wird er Leiter eines Pesther Männergesangvereins und 1881 Chorleiter des ungarischen Landessängerbundes. Franz Liszt ernannte ihn 1884 zum Professor der neu gegründeten Königlichen Musikakademie.
Dass Karl Huber im Kriegsjahr 1866 eine Wagneroper an der ungarischen Nationalbühne aufführen konnte, grenzt schon an ein kleines Wunder. In diesem Jahr fand der Bruderkrieg zwischen Preußen und Österreich statt und die Österreicher erlitten am 3. Juli 1866 eine entscheidende Niederlage in Königgrätz. Dadurch änderten sich die Machtverhältnisse in Mitteleuropa und Österreich gehörte nicht mehr zur deutschen Staatenwelt. Die Premiere einer Wagneroper gerade in dieser spannenden Zeit in Ungarn und noch dazu am Nationaltheater, wirft deshalb viele Fragen auf.
Im Jahre 1876 weilte Karl Huber gemeinsam mit seinem Sohn Eugen Huber (später unter dem ungarischen Namen Hubay Jenö bekannt) als Gast des Temeswarer Philharmonischen Vereins in der Banater Metropole, wo sie gemeinsam konzertierten. Karl Huber starb am 20. Dezember 1885 in Budapest. Sein Eintreten für die Musik Richard Wagners im damaligen Ungarn hatte große Auswirkungen auch auf die Entwicklung der ungarischen Oper. Auch hier – wie in Wien und in Temeswar – begann man sich mit dem Problem der Zukunftsmusik Wagners und Liszts auseinanderzusetzen. Zu Ehren Karl Hubers hat man eine Gruppe Banater Chöre im Jahre 1922 im Rahmen des neugegründeten Banater Deutschen Sängerbundes als Huber-Grün-Gruppe benannt.