Deutsche Volkslieder und Jazz? Das klingt unvereinbar. Eben nicht, finden Esther Kaiser und Claus-Dieter Bandorf und erbringen den Beweis: Sie stöbern alte Volkslieder auf und bringen sie in die Moderne. Die Berliner Band *sternklar und ihr gleichnamiges Debütalbum zeigt, dass Volksmusik auch anders klingen kann und dass die alten Lieder – die meisten aus dem 19. Jahrhundert – nichts von ihrer Tiefe verloren haben.
Im Gegenteil: Sie sind zeitlos. Kaiser und Bandorf kleiden sie nur in ein unkonventionelles Gewand und wecken das Interesse eines jungen Publikums, das den Unterschied zwischen Volksmusik und volkstümlichem Schlager nicht kennt.
Nicht umsonst schwärmt die deutsche Presse von dem Duo und ihrem musikalischen Experiment. Stephan Göritz von der Musikzeitschrift „Folker“ schreibt in seiner Kritik: „Mit spürbarer Lust am Musizieren, Variieren und Improvisieren pusten beide, (...) den Staub der Jahrhunderte weg.“ Hans Hielscher vom KulturSPIEGEL hingegen sagt: „Die Sängerin und der Pianist übertragen deutsche Volkslieder ins Jazz-Idiom: ‘Ein Männlein steht im Walde’ in Moll und mit orientalischer Perkussion, ‘Die Gedanken sind frei’ raffiniert reharmonisiert im Sechsachteltakt.“
In Joseph von Eichendorffs „Mondnacht“ fanden die beiden Musiker den passenden Namen für ihre Band: „Es rauschten leis’ die Wälder,/So sternklar war die Nacht.“ Die Zeilen hatten es der Vocal jazz-Offenbarung aus Freiburg, Esther Kaiser, angetan. Sowohl sie als auch Claus-Dieter Bandorf wollten mit *sternklar neue musikalische Freiheiten schöpfen, sich ausnahmsweise anders entfalten. Da wurde nicht gezielt versucht, nur eine Alternative zur einfallslosen Musik mancher volkstümlicher Schlagerstars zu finden.
Sie suchten auch den Abstand von der Jazzliteratur, die inzwischen viel zu oft Standard ist. „Ich finde, die Volkslieder sind ein wunderbarer musikalischer Schatz mit sehr, sehr schönen Melodien und ganz berührenden Texten“, meint Kaiser. „Sie sind nur manchmal lieblos arrangiert. So werden die dargeboten und die können viel mehr.“
Zusammen mit Marc Müllbauer als Bassist, Topo Gioia als Schlagzeuger und Sven Klammer am Flügelhorn sprengt das Duo auf ihrer ersten gemeinsamen CD die musikalischen Grenzen dieser alten Lieder und schafft neue Dimensionen, die man Klassikern, wie „Dass du mein Liebster bist“, „In einem kühlen Grunde“ und „Du liegst mir im Herzen“ so nicht zugetraut hätte. Die Texte sprechen sowieso für sich und erzählen oft traurige, manchmal sehr düstere Geschichten über Liebe und Verlust. Wenn diese dann durch etablierte Jazzmusiker wie Esther Kaiser und Claus-Dieter Bandorf musikalisch neu interpretiert werden, vergisst man schnell, dass sie fast 200 Jahre altes Liedgut sind.
In Temeswar spielte das Duo vor fast einem Jahr im Ion Vidu-Konzertsaal und überraschte das viel zu spärliche Publikum mit der musikalischen Hochzeit zwischen klassischem Volkslied und modernem Jazz. Der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar, Klaus Christian Olasz, brachte die beiden Musiker nach Temeswar. Er gilt als ein großer Bewunderer der Jazz-Ikone Esther Kaiser, deren Stimme schon bis nach Aserbaidschan reichte. Dort sang Kaiser 2005 erneut auf Einladung von Olasz.
Für Temeswar und Rumänien dürfte *sternklar weiterhin als Geheimtipp gelten. Das Duo bringt frischen Wind in eine verstaubte Ecke der deutschen Musik. Zwölf klassische Volkslieder, von denen man viele unweigerlich kennt, weil ihre Botschaften so einprägend und noch immer hoch aktuell sind, klingen auf dieser CD so erfreulich fremd. Als seien es Neugeburten oder besser gesagt Wiedergeburten. Selbst das Zeitlose muss irgendwie überdauern. *sternklar zeigt, wie man es machen kann. Das komplette Album kann man bei Amazon bestellen oder direkt als MP3 herunterladen. Nähere Informationen stehen unter www. sternklar.eu.