Das ist schon eine Sensation: Hasso Plattner, der Gründer und langjährige Leiter des Softwareunternehmens SAP, der zugleich Erbauer des vor gut zwei Jahren eröffneten Barberini-Museums in Potsdam ist, hat seine einzigartige Sammlung französischer Impressionisten und Nachimpressionisten dem Museum dauerhaft zur Verfügung gestellt. Mit über 100 Meisterwerken von Claude Monet – von ihm sind allein 34 Werke zu sehen –, Pierre-Auguste Renoir, Berthe Morisot, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Henri-Edmond Cross, Paul Signac, Gustave Caillebotte und anderen zählt Potsdam jetzt zu dem nach Paris wichtigsten Zentrum impressionistischer Landschaftsmalerei. Nach bestimmten Themen geordnet (Reflexionen im Fluss, Paris und die Peripherie, Ein neuer Realismus, Moderne am Meer, Künstlergärten, Die Farbe Weiß, Die Küsten Europas, Landschaften der Fauvisten), reichen sie vom idealisierten Bild zu einer Darstellung, die auf dem genauen Studium der Natur beruht. Das Gesehene sollte ja – so wollten es die Impressionisten – treu und wahrhaftig wiedergegeben werden und in das Porträt einer realen Landschaft münden. Es etablierte sich zudem die Naturstudie vor Ort mit einer Konzentration auf die Phänomene Licht, Schatten und Atmosphäre.
Gerade die Wandelbarkeit eines Naturausschnitts bei wechselnder Tages- und Jahreszeit war ein Hauptthema der französischen Impressionisten. Sie verstanden Licht und Schatten als farbige Phänomene und setzten die Reflexe des Sonnenlichts auf den Dingen mit Farben und kurzen, nebeneinander liegenden Pinselstrichen um. Die Palette hellte sich immer mehr auf, Schwarz verschwand als Farbe bald völlig. Erst eine solche Gruppierung der Werke nach Themen – wie in Potsdam – zeigt, wie planvoll und methodisch das Vorgehen der Künstler gewesen war.
Wasser und Himmel waren für die Maler des Impressionismus die wesentlichen Faktoren, um das Licht ins Malerische umzusetzen. Die Brechungen und Spiegelungen des Lichts konnten auf der Wasseroberfläche genau studiert werden. Eugène Boudin bot das Beobachten des Wassers und des Himmels in seinen Seestücken und Küstenlandschaften die Möglichkeit zur Darstellung von „formloser Masse“ („Le Havre. Sonnenuntergang am Meer“, 1885). Camille Pissarro wiederum tupfte die Farbe auf die Leinwand. Aus dem Neben- und Übereinander der Farbflecken entsteht eine vibrierende Atmosphäre, die die Konturen auflöst und den Formen ihre Festigkeit nimmt. Die strenge konstruktive Ordnung seiner Bilder, die perspektivische Gestaltungsmittel zurücknimmt, steht dieser Tendenz entgegen und gibt der Darstellung ein klares Gefüge („Die Hügel von Le Chou, Pontoise“, 1882). Alfred Sisley arbeitet mit „verschwimmenden“ Gegenstandsgrenzen und steigert auch die Wirkungsmöglichkeiten von Farbe und Bildlicht („Bei Louveciennes“, 1873). Mit verhaltenen Buntwerten lässt er auch die Dunkelheiten der Farben zur Geltung kommen, fasst die Farben also zugleich als Buntheiten und Valeurs, und gewinnt gerade daraus, im Kontrast, eine Lichtwirkung über das spezifische Farblicht hinaus. Hat Renoir als Figurenmaler und Porträtist schon durchweg das Gefällige, „Charmante“ vermieden, so haben seine Landschaften etwas geradezu Wildes, Chaotisches, Abgründiges, das er in den Begriff der „Irregularität“ fasste („Der Birnbaum“, 1877; „Waldweg“, 1874-1877). Es sind erstaunliche Studien über gefiltertes Licht, das die Farben im Halbschatten schillern lässt.
Keiner hat die „Haut“ der Landschaft beredter geschildert als Monet. Er malte während seiner wiederholten Aufenthalte in Étretat jenen ins Meer hineinragenden zerklüfteten Kalkfelsen in Gemälden, in denen unterschiedliche Phasen der sinkenden Sonne festgehalten sind, die den Himmel in einem intensiven Rot aufleuchten lässt, während die Klippen des Felsen als dunkle Silhouette aufragen und das ruhige Meer die Farben des Himmels reflektiert. Nicht das sich wiederholende Landschaftsmotiv steht im Zentrum, sondern das langsam schwindende Tageslicht, die in einer kurzen Zeitspanne sich verändernden Farben von Steilküste, Meer und Himmel. Eigentlich arbeiten Monets Bilderreihen der impressionistischen Tendenz entgegen, eine wenig verbindliche „Momentaufnahme“ zu verabsolutieren, sie suchen, über sich immer weiter zergliedernde Eindrücke wieder zur Vorstellung des Ganzen zu gelangen.
Die berühmten „Heuhaufen“-Variationen, von denen zwei gezeigt werden können, waren neutrale Motive in wechselndem Licht. Und genau das wollte Monet: Die unendlich variierbaren Lichtwirkungen zeigen, die man einem Motiv zu verschiedenen Tageszeiten und bei unterschiedlichem Wetter abgewinnen kann. Jeder Heuschober sollte ein Beispiel für etwas gleichzeitig Alltägliches und immer Wiederkehrendes sein und alle Möglichkeiten ausschöpfen, die ein menschliches Auge erfassen kann. Seine Technik entwickelte sich übrigens in einer Richtung, die ihn von der Division des Farbtons weg und zu immer größerer Undurchsichtigkeit und materieller Dichte führte. Während im Zyklus der „Seerosen“ die Farbschicht ganz undurchsichtig wird und sich in eine Art Farbwand verwandelt, erhöhten sich die Wirkungen der Oberflächenreflexion, die die Bilder beleuchtet. Die Materialität der Dinge interessierte den Künstler nicht, allein die Lichtphänomene zogen ihn an; das Licht an sich selbst kommt jedoch am besten in der undurchsichtigen Technik zum Ausdruck, wobei es als ein Erschauern an der Oberfläche erfasst wird, während die transparente Malerei der Farbe eine kosmische Tiefe verleiht.
Diese Ausstellung ist eine Schule des Sehens, unter kundiger (Text-)Anleitung bietet sie dem Betrachter eine Fülle von Beobachtungen und Entdeckungen.
Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner. Museum Barberini, Potsdam, Alter Markt, ab 5.11. tägl. (außer Di) 10 – 19 Uhr. Katalog (Prestel Verlag) 39 Euro.