Im Trickfilm „Arielle, die Meerjungfrau“ (1989) gibt es eine lustige Szene, in der der jamaikanische Krebs namens Sebastian von dem französischen Koch Louis durch die Küche gejagt wird. Die Hintergrundgeräusche werden sehr aussagekräftig eingesetzt und tragen einen gewissen Bedeutungsgehalt bei: Der rote Krebs überlebt den hitzigen Versuchen des singenden Kochs, ihn zu fangen und ihn zu einem Fischgericht zu verarbeiten. Bei seiner Flucht wird die Küche des Schlosses zu Can-Can-Musik in schnellem Rhythmus völlig zerstört. Man genießt den unbekümmerten Streit zwischen den beiden, die Krabbe, die unter Aufheulen eines Automotors unter das Regal rast, das rhythmische Zerhacken der gekochten Fische und das Singen des Kochs, die melodische Stimme, die einen krassen Gegensatz zur brutalen Kochart darstellt... Die Szene ist sehr dynamisch und humorvoll. Es ist das Ziel der Tongestaltung, die Animation lebendig und fließend zu machen und eine Illusion von Wirklichkeit zu schaffen.
„Ein Film ist kein ausschließlich visuelles Produkt“, erklärt Autorin Laura Lăzărescu in ihrem vor Kurzem im Bukarester Niculescu Verlag erschienenen Buch „Sound Design în filmul american de animaţie“ (Tongestaltung im amerikanischen Animationsfilm). Mit der Verbindung zwischen Geschichte des Animationsfilmes und Tongestaltung beschäftigte sich die in Kronstadt geborene Autorin, Absolventin der renommierten Nationalen Universität für Theater- und Filmwissenschaft „I.L. Caragiale“ (UNATC), schon seit längerer Zeit. Diesem Thema hat sie sich drei Jahre gewidmet und infolgedessen voriges Jahr ihren Doktortitel erworben. Laura Lăzărescu ist selbst Sounddesignerin und hat zugleich Lehrtätigkeiten an der UNATC übernommen.
Animationsfilme erhalten immer wieder große Beachtung. „In den USA sind viele Animationsstile und -genres entstanden, die noch heute existieren oder als Inspirationsquellen für weitere Produktionen betrachtet wurden. Darüber wurde natürlich auch viel geschrieben, über die Tongestaltung hingegen nichts”, verdeutlicht die Autorin den Kontext, in dem ihr Buch entstanden ist. „Experten und Filmtheoretiker haben zahlreiche Fachbücher über Animationsfilme verfasst. Informationen über den Ton gibt es aber nicht, auch wenn die Tongestaltung ein extrem komplexes Verfahren ist“, heißt es weiter. In dieser Hinsicht ist das Buch der Autorin schon allein durch die Originalität des ausgewählten Themas eine Leistung. Trickfilme sind eigentlich künstliche Welten, die zur Gänze geschaffen werden. Dabei werden speziell für den Film geschaffene Geräusche benutzt, die Audioelemente haben eine ergänzende Rolle und eine wechselseitige Beziehung zu den Bildern.
Es ist also das erste Mal, dass versucht wird, zwei Bereiche zusammenzubringen: Kurz wird die Geschichte des amerikanischen Animationsfilms präsentiert, die wichtigsten Momente und Namen werden erwähnt. Dieser folgen die Entwicklung des Films aus technischer und ästhetischer Perspektive und die Fortschritte der Tongestaltung. Dabei ist der Animationsfilm, der für das Kino produzierte Langfilm gemeint und nicht Cartoons, die als Fernsehserien gesendet werden.
Eingegliedert wird in die Geschichte des amerikanischen Animationsfilms eine andere Geschichte voller Sensibilität, voll kindlicher Freude, deren Hauptgestalten Figuren wie Alice („Alice in Wonderland“, 1951), Arielle („The Little Mermaid“, 1989) oder Nemo („Finding Nemo“, 2003) sind, die aber aus einem wissenschaftlichen Gesichtspunkt betrachtet werden. Tongestaltung ist dabei der Hauptschwerpunkt, ihre Ausdrucksfähigkeit und Ästhetik. Welche Effekte werden in verschiedenen Szenen benutzt, was ist die Wirkung der Animationsfilme, wie werden emotionale Reaktionen seitens der Zuschauer ausgelöst – das sind Fragen, die im Buch auftauchen und die anhand von Beispielen aus Animationsfilmen beantwortet werden. Erklärt wird auch die Art und Weise, wie Humor und Charakterisierungen durch akustische Methoden geschaffen werden.
Auf diese Weise fällt es dem Leser leicht zu erkennen, welche Fortschritte im Bereich der Tongestaltung im Laufe der Zeit gemacht wurden und wie komplex die Methoden der akustischen Illustrierung sind. Der Aufbau ist chronologisch, hervorgehoben werden wichtige Wegbereiter, die zur Entwicklung der Tongestaltung beigetragen haben: Walt Disney taucht immer wieder auf, da er ständig nach Perfektion strebte und die Verbesserung des amerikanischen Trickfilms herbeigeführt hat. Mit seiner Hilfe misst die Autorin die Fortschritte, die im Bereich gemacht wurden. Man erfährt außerdem, dass das Pixar-Studio, das lange von Steve Jobs finanziert wurde, als erstes einen 3D-Animationsfilm gemacht hat.
Das Buch besticht durch die außerordentliche Kombination zwischen Kindlichkeit – durch das Objekt der Forschung – und Reife – durch die akademische Betrachtungsweise. Anhand von Animationen werden die verschiedenen Valenzen der Stille, illustrierende Musik und Leitmotive erforscht. Präsentiert werden Methoden, die auf Einzelheiten aufmerksam machen und die Wahrnehmung des Lesers verfeinern. Die Darstellung der Autorin ist sehr umfassend und klar strukturiert, analysiert werden Produktionen aus den 30er Jahren bis heute. Die benutzten Quellen sind vorwiegend aus der englischen Fachliteratur. Dazu gehören aber auch deutsche Quellen, u. a. Diplomarbeiten von der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam in Deutschland, wo die Autorin ein Jahr lang recherchiert hat.
Das Werk spricht jeden an, der ein ernstes Interesse an Trickfilmen zeigt, nicht nur die Fachleute. Am Ende des Buchs sind auch mehrere Verzeichnisse enthalten, in denen Namen (Künstler, Produzenten, etc.) und Filme erfasst sind.
Der Leser lernt schrittweise, sich Animationsfilme (und Filme im Allgemeinen) bewusster anzuschauen. Obwohl das Buch in erster Linie akademischer Natur ist, ist es keine schwierige Lektüre. Ziel der Autorin war es, dass die Leser sich mit der Geschichte des amerikanischen Animationsfilms vertraut machen und die Methoden verstehen, die die Ausdrucksfähigkeit des Filmes potenzieren. Nachdem man das Buch liest, achtet man aufmerksamer auf die Elemente, die sich zu einer gelungenen Szene in einem Animationsfilm zusammensetzen: Oft sind es die akustischen Bauteile, die bestimmte Charakterzüge oder Handlungen der Gestalten akzentuieren.