„De ce eu?“ („Warum ich?“), der dritte Spielfilm des rumänischen Regisseurs und Produzenten Tudor Giurgiu, feierte am 23. Februar die Galapremiere im Nationalen Kinderpalast Bukarest. Filmemacher, Journalisten, zahlreiche Politiker und ein Teil der Filmcrew betraten unter Scheinwerfern und Kamerablitz den roten Teppich.
Der Film basiert auf wahren Ereignissen. Als Inspirationsquelle gilt der Fall des Staatsanwaltes Cristian Panait (im Film: Cristian Panduru). Nachdem er am 27. März 2002 die Wohnung des angeklagten Staatsanwaltes Alexandru Lele (im Film: Bogdan Leca) hat durchsuchen lassen, begeht er am 10. April mit nur 29 Jahren Selbstmord. In Wirklichkeit bleibt der Fall teilweise ungeklärt, psychische Labilität wird als Grund angegeben.
„De ce eu?“ präsentiert das damalige politische Milieu Rumäniens, geprägt von Korruption, Machtspielen und Interessen. Doch wenn ein junger, ehrgeiziger Staatsanwalt wie Cristian ins Fadenkreuz des politischen Systems gerät, kämpft er alleine und der Sieger steht fest. Seit 2002 hat sich nicht vieles, doch einiges hierzulande schon verändert. Zahlreiche Politiker wurden neulich wegen Korruption festgenommen. Der Film liefert den Beweis dafür, dass man heutzutage mehr Mut und Freiheit hat, dem Publikum solche Ereignisse vorzulegen.
Cristian Panduru wird bereits am Anfang des Films von hinten gesehen: Ein Mann im schwarzen Mantel, eine Art Schatten des politischen Systems. Gleich zu Beginn wird die Intrige klar: Panduru soll den Fall Leca übernehmen. Sein Chef erklärt ihm die Wichtigkeit des Auftrags: Löst er den Fall, kann er mit der Sicherheit des Postens rechnen. Er gibt ihm mehrmals zu verstehen, wie sehr er dadurch seine eigene Stelle aufs Spiel setzt, dass er einem „Milchbubi“ einen derart wichtigen Fall zuteilt.
Der Regisseur geht auch auf Pandurus Schwächen ein. Obwohl er eine Freundin hat (Andreea Vasile), flirtet er beim Tanzen mit einer jungen Studentin, mit der er später auch Geschlechtsverkehr haben wird.
Die Hausdurchsuchung Lecas wird auf originelle Art dargestellt. Giurgiu wählt als filmisches Mittel die Perspektive der Kameraleute, die sich schon im Haus befinden, wenn Panduru die Durchsuchung vollziehen will. Die Wirkung ist eine unglaublich realistische Wiedergabe der Geschehnisse. Die Kamera, die alles filmt, gibt uns den Eindruck, dass wir Zeugen einer tatsächlichen Dokumentation sind, keinesfalls Zuschauer eines Spielfilms. Dabei kann man die Schauspielkraft Emilian Opreas (Panduru) und Alin Floreas (Leca), betont durch einen brillanten Dialog (Drehbuch Tudor Giurgiu und Loredana Novak), bewundern.
Die Untersuchung verzögert sich, die Vorgesetzten verlieren die Geduld. Bald merkt Panduru, dass er nicht genug Beweise hat, um Leca anklagen und festnehmen zu können. Ein Strich durch die Rechnung für die Vorgesetzten. Denn zu damaligen Zeiten galt es als mutige Tat, gegen jemanden aus Năstases Regime Anklage zu erheben. Und wie hätte man das alles besser lösen können, als es in die Schuhe eines jungen, enthusiastischen Staatsanwaltes zu schieben?
Damit fängt für den Hauptdarsteller ein psychischer Druck und ein unkontrollierbarer Verfolgungswahn an: Urlaub wird ihm aufgezwungen, Kurse mit Studierenden fallen aus, bis er auch seine Arbeitsstelle nicht mehr betreten darf. Panduru fühlt sich verfolgt (von Autos, Scheinwerfern) und abgehört (er durchsucht die ganze Wohnung nach Wanzen). Er kauft sich eine neue Sim-Karte, selbst seine Freundin verdächtigt er, mit dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Der Parkspaziergang mit seinem Freund wird aus einer Perspektive vorgeführt, als ob jemand die Geschehnisse beobachten würde.
Aus Pandurus Gespräch mit seinem Chef Codrea (Mihai Constantin) versteht man, wie lange ihn schon das System ins Auge gefasst hatte, um aus ihm eine Marionette zu machen. Als Zuschauer kennt man die realen Geschehnisse, man weiß von Panaits Selbstmord. Giurgiu macht daraus kein Hehl, sondern benutzt zahlreiche filmische Mittel und Symbole, um auf dieses Ende zu münzen. Somit ist Panduru oftmals in Türen, Spiegeln, Fenstern abgespiegelt zu sehen, manchmal prägt sein Gesicht dreimal das Bild (Spiegelsequenz). In den letzten Minuten des Films, wo er von seinem Kollegen benachrichtigt wird, dass er selber angeklagt wird und feststellt, dass das alles niemals aufhören wird, sieht man ihn erneut im Spiegel. Wer die Filme von Tarkowski kennt, weiß, dass eine Figur, die im Spiegel zu erblicken ist, bald sterben wird.
Aber Giurgiu geht noch weiter: beim Joggen kann man die Spiegelung der Hauptfigur umgekehrt sehen: ein rennender Mann, allerdings mit den Füßen oben und dem Kopf unten. Einmal erscheint Pandurus Schatten im Fensterrahmen mit den Füßen links unten, einmal als Schatten auf dem Parkplatz der Rechtsfakultät. Leicht zu begreifen, was eine Person mit dem Kopf nach unten zu symbolisieren vermag.
Licht und Fenster sind Leitmotive, um die sich der Film immer wieder dreht. Panduru wird in Schlüsselszenen in Fensterrahmen gezeigt, gegen Ende des Filmes bilden diese sogar schwarze Kreuze, in denen die Hauptfigur ausweglos eingeengt erscheint.
Die Musik ist vorwiegend dramatisch, Schlimmes vorausahnend. Im Soundtrack sind Songs mit politischer Message zu hören, interpretiert von den zwei rumänischen Rockbands „Luna Amar²“ und „Grimus“, von denen Giurgiu ein begeisterter Fan ist.
Das Ticken der Uhr (während der Diskussion mit seiner Freundin und während des Dialogs mit seinen Vorgesetzten) deutet auf den Zeitdruck hin, unter dem sich Panduru befindet, denn er muss so bald wie möglich den Fall lösen. Danach verwandelt sich die Uhr in ein Element des eigenen tragischen, unentrinnbaren Schicksals. Ein Krähenschwarm fliegt laut davon, während er auf der Terrasse des besichtigten Apartments weilt, einer Wohnung, in die er mit seiner Freundin nie umziehen wird. Glocken lassen das tragische Ende ahnen. Der letzte Dialog mit seiner Freundin spielt sich auf derselben Terrasse ab, von der sich Panait in Wirklichkeit gestürzt hat. Im Hintergrund erkennt man die silberne Kuppel einer Kirche samt Kreuz. Die zum Himmel fliegenden Tauben stehen für die Erlösung und endgültige Befreiung vom politischen System. Das Bild mit dem Sarg und die heuchlerische Grabrede verstärken das groteske Bild vom politischen Regime.
Auch wenn lange Recherchen unter den Bekannten Panaits durchgeführt, zahlreiche Artikel und Reportagen damaliger Journalisten (die zur Galapremiere eingeladen wurden) eingesehen wurden, um eine realistische Dialogführung im Drehbuch zu erzielen, soll der Film, so Giurgiu, keineswegs als Dokumentarfilm betrachtet werden. Die Message tritt in den Vordergrund. Und diese verkörpert eine harte Wahrheit, die viele Zuschauer, selbst Politiker, schockiert hat. Am Ende bleibt nur noch die Frage: „Warum ich?“ Aber die Antwort kennt nur das System, das nach skrupellosen, unmenschlichen und mitleidlosen Prinzipien und Methoden ihre Opfer sucht. Und Cristian Panait ist nur eines der vielen Opfer von damals.
„De ce eu?“ wurde während der Präsidentenwahlen 2014 als Work-in-progress-Version, im Februar 2015 im Rahmen der Internationalen Berliner Filmfestspiele (Sektion Panorama) gezeigt. Nun läuft der Film auch in den rumänischen Kinos und ist auf jeden Fall sehenswert.