George Severeanu (1879-1939) war nicht nur einer der Begründer der medizinischen Radiologie in Rumänien, sondern auch ein passionierter Sammler von Kunst- und Kulturschätzen früherer Epochen, angefangen mit prähistorischen Funden und Objekten früher Hochkulturen über Kunstgegenstände der griechischen und römischen Antike bis hin zu wertvollen Museumsstücken aus dem Mittelalter und der Neuzeit. Er war ein begeisterter Münzsammler und Mitbegründer der Rumänischen Numismatischen Gesellschaft, als deren Generalsekretär er zwanzig Jahre lang fungierte. Er war außerdem der erste Direktor des 1931 feierlich eingeweihten Bukarester Stadtmuseums, dem er bis 1938 vorstand. George Severeanu starb im Jahre 1939 im Alter von sechzig Jahren. Nach seinem Tod ging seine umfangreiche Sammlung auf dessen Wunsch in den Besitz des Bukarester Stadtmuseums über.
Die wertvolle Sammlung „Maria und Dr. George Severeanu“ ist seit 1956 in der ehemaligen Residenz des Stifterpaares in der Bukarester Strada Henri Coandă Nr. 26 unweit der Piața Romană untergebracht. Die Villa aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist mit ihren dekorativen architektonischen Elementen als solche bereits sehenswert, außerdem ist sie selbst Teil des nationalen rumänischen Kulturerbes. Im Jahre 1995 wurde das Museum „George Severeanu“ geschlossen, um das Museumsgebäude umfassend zu konsolidieren und zu restaurieren. Seit nunmehr drei Jahren ist die Sammlung „Maria und Dr. George Severeanu“ dem Bukarester Publikum in einer Form zugänglich, die in ganz Rumänien ihresgleichen sucht.
Alle Exponate, die in den fünf Räumen des Museums besichtigt werden können, sind äußerst wirkungsvoll in Vitrinen ausgestellt, gekonnt beleuchtet und museographisch exzellent erfasst. Schautafeln informieren über größere Zusammenhänge, während die einzelnen Objekte durch Beschriftung oder mit Hilfe digitaler Medien den Besuchern mit exakter Beschreibung und historischer Erläuterung nahe gebracht werden. Steht man etwa vor einer riesigen Vitrine mit antiken griechischen Gefäßen, so ist man nicht wie sonst oft angesichts einer derartigen Fülle von Objekten verloren, sondern kann vielmehr dem ausgeklügelten Informationssystem des Museums folgen. Auf einer neben der Vitrine angebrachten Photographie sucht man die dort verzeichnete Nummer des jeweiligen Gefäßes, das einen interessiert, welche man dann auf einem unweit davon montierten Tablet mit Touchscreen anwählt. Sogleich bekommt man nicht nur Informationen über Alter, Herkunft, Beschaffenheit usw. des jeweiligen Gefäßes, sondern man erfährt auch, ob es sich dabei um eine Pyxis, eine Oinochoe, eine Kylix, einen Skyphos oder eine Pelike handelt. Überall im Museum finden sich solche informativen Tablets, und in einem der Räume des Museums kann man sogar Hologramme von antiken Münzen bewundern, die sich in starker Vergrößerung um ihre eigene Achse drehen und somit eine nähere Betrachtung des jeweiligen numismatischen Objekts möglich machen.
Im ersten des fünf Räume umfassenden Museums, der zugleich als Kassenraum (Eintritt: 10 Lei; ermäßigt: 5 Lei) sowie als Eingangsfoyer dient, sind bereits einige Exponate der umfangreichen Sammlung zu besichtigen, angefangen mit der goldenen Halskette der Gattin des Museumsgründers, Maria Severeanu, die mit 44 Gemmen und Kameen geschmückt ist. Ferner sind in diesem ersten Raum prähistorische Artefakte zu bewundern, darunter ein Bronzeschwert aus der Hallstattzeit, ein Axtaufsatz, eine Speerspitze und diverse Schmuckstücke aus Gold. Auch aus ägyptischer Zeit sind dort Objekte ausgestellt: mehrere Becher, ein Uschebti, diverse Bronzefiguren (Osiris, Ichneumon) und die linke Hand einer Mumie.
Der zweite Raum des Museums, das Arbeitszimmer von George Severeanu, ist bereits als solcher sehenswert: ein hoher Kachelofen, die Kassettendecke, mehrere hohe Vitrinen (eine der Vitrinen überwölbt sogar einen majestätischen Stuhl, den man fast als Thron bezeichnen könnte), ein schwerer hölzerner Schrank, die Bibliothek von George Severeanu mit alten Büchern sowie sein Schreibtisch, nicht zu vergessen das Gemälde, das den Sammler inmitten antiker Gefäße zeigt, während er gerade eine Vase eingehend mit einer Lupe betrachtet. Neben mehreren Vitrinen mit Tongefäßen aus der griechischen Antike finden sich in diesem Ausstellungsraum auch Silbermünzen aus Histria, silberne Drachmen und Tetradrachmen aus dem 2. Jh. v. Chr. sowie eine Auswahl von griechischen, römischen, getisch-dakischen, keltischen, byzantinischen, mittelalterlichen und neuzeitlichen Münzen aus der insgesamt rund 9000 Objekte umfassenden numismatischen Sammlung des Ehepaars Severeanu.
Dominierte im zweiten Ausstellungssaal die warme Farbe des Holzes der Möbel und Vitrinen, so ist der dritte Raum des Museums ganz in Weiß getaucht und zusätzlich aufgehellt durch breite Wandspiegel, die bis zur Decke reichen, von der ein doppelter Rundleuchter herabhängt und sein Licht auf die zahlreichen gläsernen Vitrinen ausgießt: mit Exponaten aus der Eisenzeit, etruskischen Gefäßen, Öllampen, Terrakotta-Kleinplastiken, Tanagra-Figuren und diversen Schmuckobjekten (Ohrringen, Bronzespiegeln, Armreifen, Spangen). Man findet dort auch einen schönen Silberbecher mit einer Pferdeszene, eine böotische Reiterstatuette (6. Jh. v. Chr.), eine Gliederpuppe aus Ton (5./4. Jh. v. Chr.) sowie eine tönerne Votivstatue (3./2. Jh. v. Chr.). Sehenswert sind auch der getisch-dakische Silberschatz von Epureni mit zwei Armbändern, vier Fibeln (Gewandschließen) und sechsundsiebzig Münzen (3. Jh. v. Chr.) sowie der Schatz von Celei mit einem goldenen Halsband nebst Anhänger sowie drei Goldplättchen.
Der cremefarbene vierte Ausstellungsraum, dessen Licht sich ebenfalls in hohen Wandspiegeln fängt, wartet mit einem schönen Ofen aus floralen Kacheln im Jugendstil auf, außerdem mit einer liegenden Marmorstele sowie einer Marmorbüste des römischen Kaisers Traian (2. Jh. n. Chr.), ferner mit Goldringen und vielfarbigen Gemmen aus der Römerzeit. Hier findet sich auch die holographische Präsentation von diversen Münzen, die man in diesem Raum zudem in natura besichtigen kann. Darüber hinaus sind hier byzantinischer Schmuck, römische Bronzestatuetten, Amulette, Flakons, Schlüssel und andere Dinge des Alltags ausgestellt und mit Hilfe des digitalen museographischen Informationssystems für den Besucher geographisch und historisch exakt einzuordnen.
Der fünfte und letzte Ausstellungsraum ist atmosphärisch wieder vom Farbeindruck des Holzes bestimmt: der Täfelung, der Rahmung der farbigen Glasfenster mit Trinkszenen, der zwei schweren Ledersessel und des Kanapees, dessen lederne Sitzbank und Rückenlehne mit Vögeln, Insekten und exotischen Früchten verziert sind. Auch hier sind wieder Münzen zu bewundern: deutsche Taler, rumänische Dukaten, osmanische Akçes und ungarische Dinare. Byzantinische Münzen, mittelalterliche Keramikteller sowie mittelalterliche Dokumente auf Pergament und mit mächtigen Siegeln runden den überwältigenden Gesamteindruck der Sammlung „Maria und Dr. George Severeanu“ ab, deren Aufbewahrungsort – die Residenz des Stifterpaares – selbst als baumeisterliches und innenarchitektonisches Kleinod zu bewundern ist.