Der Musiker Emil Franz, der im Sommer dieses Jahres, am 20. August, verstarb, wurde 1931 in der damals deutschen Banater Heidegemeinde Johannisfeld geboren. Sein Großvater betrieb bis 1944 einen Dorfladen, seine Eltern einen zweiten. Er hätte also als wohlbehütetes Kind ins Leben starten können. Doch es kam anders!
Die erste schwere Erschütterung traf die Familie, als der Vater aus der Tschechoslowakei vermisst gemeldet wurde. Als Halbwaise sah Emil dann im Januar 1945 zu, wie Rotarmisten viele seiner Bekannten und Verwandten in der Dorfschule bei klirrender Kälte und im Schneegestöber zusammentrieben, um sie anschließend zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion zu eskortieren. Der Winter wurde auch sonst sehr schwer. Das Dorf versank im Dunkel. Der örtlichen Beleuchtung, den Petroleumlampen, fehlte der Brennstoff. Man improvisierte Lichter auf Tellern, in die man Sonnenblumenöl goss, einen Schwimmkarton mit einem Wollfaden als Docht drauflegte und anzündete, um nur ein Beispiel zu nennen. Dennoch ging es nicht an, sich in seinen Kummer zu vergraben. Im Hause Franz sammelten sich täglich um Emil ein halbes Dutzend Gleichaltriger, die den Tag mit Musizieren verbrachten. Es war freilich keine hohe Kunst, eher ein Sich-Einüben. Für Emil allerdings zeichnete sich bereits ein Lebensweg ab.
Im Sommer 1945 ernteten die schwäbischen Bauern im Banat letztmals ihre Feldfrüchte. Vertreter der rumänischen Armee kamen und nahmen zwei Drittel dieser Ernte mit. Das waren in Johannisfeld beispielsweise 240 Waggon Weizen. Zu dieser Zeit überfluteten auch die Kolonisten aus dem Altreich das Dorf. Da sie den vom Staat erhaltenen Getreidesamen in Schnaps verwandelten und sich damit im folgenden Winter die Seelen erwärmten, ging im nächsten Herbst die Armee ernüchtert von Haus zu Haus und kehrte auf den Vorratsböden die Ernte der Kolonisten bis auf die letzten Körner zusammen. Mehr als gerade mal 23 Waggon konnten im Dorf nicht requiriert werden.
Unter solchen Umständen musste jeder sehen, wie er überlebte. Für Jonannisfelder Deutsche war die Tagelöhnerei, z. B. unversorgtes Vieh betreuen, Teil des Überlebenskampfes. Man hatte den schwäbischen Bauern alle Kühe enteignet und in Uiwar eine Sammelstelle für die Sowjetarmee eingerichtet. Emil Franz ging wie andere seinesgleichen als Tagelöhner nach Uiwar, Kühe füttern und die Ställe ausmisten. Natürlich konnte es bei solchen Tätigkeiten nicht lange bleiben. Da es keine deutschen Schulen mehr gab, fiel für ihn die Entscheidung, ein Handwerk zu lernen. 1946 begann er in Temeswar eine Goldschmiedelehre und hielt darin vier Jahre durch.
Seine Neigung gehörte jedoch der Musik. Und so schrieb er sich 1950 in das entsprechende Gymnasium ein, auf das ein Studium am Bukarester Konservatorium folgte. Anschließend erlebte er einen für einen Deutschen im Rumänien der damaligen Jahre fulminanten Aufstieg: Soloklarinettist der Staatsoper und des Filmorchesters, Schallplattenverträge, Auftritte in Fernseh- und Rundfunksendungen und dann eine eigene wöchentliche Fernsehsendung. Mit seinem Bläserquintett wurde er gar internationales Aushängeschild Rumäniens. Schließlich gelang ihm, was nur ganz wenige Rumäniendeutsche erreichen konnten: Er durfte als einer der ersten in gemeinsamen Konzerten mit westlichen Instrumentalisten im deutschen Rundfunk auftreten.
Emil Franz hatte den Status eines Vorzeigemusikers in Rumänien erreicht. Ein Platz unter rumänischen Spitzenmusikern war ihm sicher! Er hätte sich zurücklehnen können. Doch das Trauma seiner jungen Jahre, das erlittene Leid der rumäniendeutschen Bevölkerung, war nicht verwunden. Und so lehnte er es ab, 1975 von einer Westreise zurückzukehren.
In der Bundesrepublik Deutschland bewährte er sich hervorragend als Musiker. Das verdankte er nicht nur seiner großen Begabung, seiner Leidenschaft für die Musik, sondern auch seinem unermüdlichen Einsatz.
Über Jahrzehnte wirkte er als Dozent der Musikschulen Lüdenscheid, Olpe, Kierspe und Drolshagen (Sauerland in Nordrhein-Westfalen), hatte zeitweilig mehrere Lehrstellen inne. Hinzu kamen öffentliche Auftritte mit verschiedenen Ensembles und Kapellen, insbesondere mit der Big Band, die er gegründet und zwei Jahrzehnte als Bandleader geleitet hat, dazu ein Eltern-Kinder-Orchester von zehnjährigem Bestand und nicht zuletzt das „Emil-Franz-Orchester“. Auch die Besucher des Johannisfelder HOG-Treffens in Pforzheim konnten sich an seinen musikalischen Beiträgen erfreuen: 1983 spielte er für sie mit seinem „Emil-Franz-Orchester” und 1995 gab er ebenda ein Konzert mit seiner ganzen Familie.
Mit seinem Schwung, seiner Ausstrahlung beflügelte der energiegeladene Künstler die Mitwirkenden, begeisterte er die Zuhörer. Hunderten junger Musikfreunde hat er das Spielen mit Klarinette und Saxofon beigebracht, ihnen die Wertschätzung für Musik vermittelt. Einer ganzen Region hat er seinen fachmännischen Stempel aufgedrückt, nicht zuletzt auch den eigenen sechs Kindern die hohe Begabung vererbt.
Und zu alledem hat sich Emil Franz die letzten 14 Jahre mit einer Krebserkrankung herumgeschlagen. Ab 2010 nahm die Kraft rapide ab und er musste sich nach und nach zurückziehen. Trotz schwerer Belastung durch die Krankheit blieb ihm noch einige Muße und die Genugtuung, auf ein erfülltes Leben zurückzublicken.
Sein gesamtes Wirken war im Juni 2011 Anlass zur Verleihung der Ehrengabe der Stadt Kierspe, nebst Verdiensturkunde, verbunden mit dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Kierspe.