George (verkörpert von Bogdan Dumitrescu) heißt der Yuppie, der im Mittelpunkt des ersten Spielfilms der jungen rumänischen Regisseurin Catrinel Dănăiaţă steht. Der Film schildert einige Tage aus dem Leben des ehrgeizigen und aufstrebenden Architekten, die vielleicht einen Wendepunkt in seinem Dasein markieren, vielleicht aber auch nur die Agonie seiner Existenz quälend prolongieren. Mit dem Anspruch, Psychogramm und Gesellschaftsstudie gleicher-maßen sein zu wollen, leuchtet der Spielfilm „Dublu“, dessen Titel erklärungsbedürftig bleibt, die berufliche wie private Existenz seiner Hauptfigur George bis in ihre feinsten Verästelungen hinein aus und wirft zudem ein Licht auf das Leben der Bukarester Yuppies, die täglich „die Uhr besiegen“ müssen, um zu reüssieren.
George steht immer unter Stress, und an jenem Wochenende, um das sich der Film rankt, ganz besonders. Er muss ein chinesisches Architekturprojekt für Investoren aus Shanghai abschließen, das einen wahren Geldregen und -segen zu bringen verspricht. Zugleich kriselt es in seiner Beziehung zu der jungen Ärztin Corina (Corina Moise), die darauf drängt, mit ihm zusammenzuziehen. Die stark diabeteskranke Mutter (Catrinel Dumitrescu) zehrt ebenfalls an Georges seelischer Kraft, sein Chef Bogdan (Dorian Boguţă) nervt und setzt ihn permanent unter Druck, und dann übernimmt er zu allem Überfluss auch noch ein weiteres, belgisches Architekturprojekt für seinen Kollegen Mihai (Andrei Mateiu), der mit seiner neuen Freundin übers Wochenende in die Berge fahren möchte – ein Pensum also, das kaum zu schaffen ist und das George auch nicht schaffen kann oder möchte!
Nachdem das Realitätsprinzip gewissermaßen schon im Ansatz außer Kraft gesetzt scheint, lassen die Lockungen des Lustprinzips auch nicht mehr lange auf sich warten. Wie ein angezählter und stehend k. o. wirkender Boxer taumelt George vom Tagleben als Workaholic ins Nachtleben, wo andere Süchte auf ihn warten: Joints, Drinks und ohrenbetäubende Disco-Musik. Dort, in der wummernden, psychedelisch flackernden Clubunterwelt, begegnet er auch der faszinierenden Alina (Maria Dinulescu), die er leidenschaftlich küsst und in die er sich auch sofort verliebt, zumal sie, als Repräsentantin des freudianischen Es, den Druck von ihm nimmt, den die vielen ihn maßregelnden Über-Ichs – sein Boss Bogdan, seine Eltern und seine Freundin Corina – ständig auf ihn ausüben. Doch die mysteriöse Alina entschwindet ihm und mit ihr die Utopie des erfüllten Eros, und so bleibt ihm nach der durchtanzten Nacht von der verheißenen Liebe nur ein morgendlicher Quickie mit Corina, bevor diese gleich danach in die Praxis eilt und er ermattet in die Kissen sinkt.
Das Erlebnis mit Alina gräbt nun an den Grundfesten von Georges Existenz. Aus der realen bürgerlichen Lebenswelt verabschiedet er sich zunehmend in eine Traumwelt, die Verantwortung für sich und andere nicht kennt. Seiner Freundin Corina hinterlässt er kommentarlos deren Wohnungsschlüssel, seinen Kollegen Mihai bringt er, weil er die von diesem übernommene Aufgabe dann doch nicht für ihn erledigt, an den Rand der Kündigung, und auch die Arbeit am Shanghai-Projekt, das dringend fertiggestellt werden müsste, stagniert. Allein Alina interessiert ihn noch, und wie durch ein Wunder nimmt diese, nachdem seine eigenen Versuche, sie zu kontaktieren, sämtlich gescheitert sind, telefonisch Kontakt mit ihm auf und lädt ihn zu einem Trip ans Schwarze Meer ein. In einem Strandclub, gelagert auf weiche Kissen, löst sich George dann ganz von seinem seelischen Stress, bei einem nächtlichen Strandspaziergang mit Alina wirft er, symbolisch genug, auch noch sein Handy weg, und nach erfülltem Sex mit der geheimnisvollen Alina fällt George im weichen Sand in tiefen Schlaf.
Das Erwachen im grellen Sonnenlicht bringt dann für George die Realität leidlich wieder zurück. Und das vorige Schema wiederholt sich: Alina ist erneut entschwunden und für ihn wieder nicht mehr erreichbar. Nach Bukarest zurückgekehrt, holt George dann das Realitätsprinzip endgültig ein. Corina trommelt an seine Wohnungstür, weil sie sich große Sorgen um ihn gemacht hat. Von ihr erfährt er auch, dass es seiner Mutter sehr schlecht geht. Sofort bricht er zu seinen Eltern nach Târgovişte auf, wo die Mutter nach einer Beinamputation im Krankenhaus liegt. Er nächtigt alleine im Elternhaus und beginnt, nach den vielen bisher im Film gezeigten Gesichtsfassaden und Abwehrgrimassen, endlich richtig zu weinen. Hier gleitet der Film allmählich in den Epilog über, der darin kulminiert, dass George seinem Chef Bogdan ein Schreiben mit seiner Kündigung zur Unterschrift vorlegt, welche dieser jedoch verweigert. Das Leben am Rande des Nervenzusammenbruchs setzt sich demnach also weiter fort, die Sisyphusarbeit findet offenbar schließlich doch kein Ende.
Wie wird nun dieses Yuppie-Schicksal von der Regisseurin, die sich vor Jahren mit der rumänischen Telenovela „Narcisa Sălbatică“ einen Namen gemacht hat, in Szene gesetzt? Leider ganz im Stile jener Gattung des Fernsehromans, auch technisch! Die vorwiegend stationäre Kamera produziert Bilder hauptsächlich in der Totale, wirkliche Empathie entsteht nicht, das Geschehen wirkt plakativ und langweilt zusehends. Der realistische Anspruch, der sich im radikalen Verzicht auf jegliche Filmmusik und in der Konzentration auf die Geräusche und Töne im Hic et Nunc zeigt, wird in einzelnen Szenen konterkariert durch gekünstelte Dialoge, in denen George (insbesondere mit Frauengestalten) die Tiefen oder Untiefen seiner Existenz auslotet. Vieles bleibt in diesem Streifen unglaubwürdig: das Shanghai-Projekt; das Belgien-Projekt; der Chef Bogdan; überhaupt Georges Arbeitswelt. Die Club- und Vergnügungswelt ist noch am ehesten getroffen. Und man sieht auch ein bisschen von Bukarest und vom Gestade des Pontos Euxeinos. Schade um die guten Schauspieler, allen voran die Protagonisten Bogdan Dumitrache (George) und Maria Dinulescu (Alina), aber auch Corina Moise (Corina) und Ştefania Samfira, die in diesem Film Georges Cousine verkörpert, in deren Haus und Garten der ausgepowerte Yuppie Kraft schöpfen und die Misere seines Alltags für wertvolle Momente vergessen kann.