Es ist nicht zum ersten Mal, dass „Ohne festen Wohnsitz – Eine subjektive Geschichte des Wohnens“ (rum. „Domiciliu instabil. O istorie subiectivă a locuirii“) dem Publikum vorgestellt wird, Aufführungen werden immer wieder organisiert. Die Darbietung fand unlängst in der Bukarester Theater-Bar „Macaz“ mehrmals statt. Die Vorstellung in der Regie von David Schwartz spricht den Aspekt der Wohnungen an. Es ist eine Geschichte, die vor ungefähr einem Jahrhundert beginnt und mit Hilfe von Menschen aus mehreren Generationen zusammengestellt wird – jeder davon spricht aus eigener Erfahrung. Die meisten Darsteller leben im Altenheim „Amalia şi şef rabin dr. Moses Rosen” und werden im Laufe der Darbietung von professionellen Künstlern wie Katia Pascariu und Paul Dunca begleitet. Zusammen stellen sie die Entwicklung der Wohnsituation in der Periode während und nach den Weltkriegen wieder her. Es ist eine humorvolle und zugleich bittere Betrachtung über die Umstände und die Einwirkungen des Wohnens auf den Alltag. Behandelt werden u. a. die prekäre Lage in den Mietwohnungen in der Zwischenkriegszeit, die Zwangsräumungen während des Krieges, das gezwungene Zusammenwohnen in nationalisierten Häusern, die Lebensbedingungen auf Baustellen in den 60er Jahren, die Zeit, in der Menschen Besitzer der von ihnen bewohnten Wohnungen werden konnten, die traumatischen Erlebnisse derjenigen, die nach 1990 gezwungen wurden, die Häuser zu verlassen, in denen sie gelebt haben – ohne eine Alternative zu bekommen.
Die Vielschichtigkeit der Darstellung ist die Leistung des Regisseurs, der Bausteine des Theaterstücks mit Fingerspitzengefühl zusammensetzt. Das Geflecht von Bekenntnissen der Darsteller, thematischen wohlbekannten Liedern, die für eine bestimmte Zeitperiode stehen („Du-mă acasă, măi, tramvai“ / dt. „Fahr mich nach Hause, Straßenbahn”, Căsuţa noastră“ / dt. „Unser Häuschen”, „Strada Speranţei“/ dt. „Hoffnungsstraße”, „Macarale“/ dt. „Kräne”), und dem ständig wechselnden Bühnenbild vermittelt einen hochwertigen künstlerischen Eindruck.
Es sind mehr als individuelle Geschichten, die sich in ein Ganzes zusammensetzen und auf diese Weise eine Art Überblick über eine lange Periode schaffen. Für die Darsteller, aus deren Perspektive das Thema behandelt wird, gibt es die Möglichkeit, ihre Lebensgeschichten zu erzählen und gehört zu werden. Zu ihnen zählen u. a. Iudith Ardeleanu, Ioseph Cotnăreanu, Margareta Eschenazy, Jak Neumann, Dorothea Weissbuch. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mein eigenes Zimmer gehabt, als ich 58 Jahre alt war, als ich ins Altersheim gebracht wurde. Ich fühle mich glücklich und in Sicherheit“. Es ist ein Zitat von Mihaela Birlegi, die ebenfalls am Projekt mitwirkte. Jeder Zuschauer fand auf seinem Stuhl vor dem Beginn der Vorstellung eine kleine Broschüre mit Porträtfotos der Darsteller und Bruchstücken aus ihrem Leben.
Ein anderes Zitat von Pompiliu Sterian: „Es ist ein Paradox: Tiere, Insekten, Vögel – Wesen, die scheinbar unterlegen sind – haben ein Haus. Der Mensch – ein scheinbar überlegenes Wesen – nicht. Viele haben keine Wohnungen“.
„Ohne festen Wohnsitz” ist eine berührende Geschichte, der eine mutige Initiative zugrundeliegt. Die Aufführung ist Teil des Projektes „Ohne festen Wohnsitz“, das zusammen mit der Gruppe Vârsta4 unter Schirmherrschaft des Vereins ADO durchgeführt wurde. Vârsta4 ist ein Programm für Gemeinschaftskunst, das seit 2009 zusammen mit den Einwohnern des Moses-Rosen-Altersheims organisiert wird. Ziele des Programms sind die Änderung der Sichtweise über das hohe Alter und die Archivierung der individuellen und kollektiven Geschichten. Partner des Projektes sind das Nationale Tanzzentrum, die GAP (Gazeta de Artă Politică), Macaz – Teatru Bar Coop und die Universität Bukarest.