„Das musikalische Erbe Sergiu Celibidaches ist ein unschätzbares kulturelles Gut“ – so das Programmheft des Jubiläumsfestes zu Ehren des rumänischen Dirigenten, das vom 19. bis 21. Oktober im Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz stattgefunden hat. Die Veranstalter, das Celibidache Center e.V. München und dessen Initiatorin und Leiterin Agnès Blanche Marc, hatten sich mit dem dreitägigen Celibidache-Fest vorgenommen, den Musiker und Menschen „entdecken, erinnern und erleben“ zu lassen – ein Vorhaben, das hervorragend gelang. Auch wenn die Kosten ausschließlich privat getragen werden mussten.
Die Protagonisten waren ehemalige Schüler, Orchestermusiker, Freunde, die mit dem Maestro zusammengearbeitet haben und von seiner Gedankenwelt, Arbeitsweise und Lebenseinstellung geprägt wurden.
Kein Wunder, dass der Schwerpunkt der Veranstaltung nicht auf Celibidaches beruflichen Erfolg im herkömmlichen Sinne gelegt wurde, sondern auf all das, was sich hinter diesem Erfolg barg und ihn möglich machte. Worte wie „Charisma“, „Kraft“, „Ausstrahlung“, „Kompromisslosigkeit“, „Mitmenschlichkeit“ schienen den Beteiligten zutreffender zu sein, um den Maestro zu charakterisieren. Sechs Programmblöcke mit unterschiedlichen Akzenten und eine Verkaufsausstellung mit Fotografien aus dem Werner-Neumeister-Archiv schufen den Rahmen für eine einzigartige Hommage. Die Stimmung der Jubiläumsbegegnung war die eines Miteinanders unter Freunden – die Hälfte des Saals hatte Celibidache persönlich kennengelernt oder erlebt.
Zwei Dinge konnten aus der „Einführung in das Wirken Celibidaches“ nicht fehlen: „sein“ berühmter Blechbläser-Klang sowie die Bruckner-Sinfonien. Ein Hornoktett spielte unter der Leitung von Wolfgang Gaag das Adagio aus Bruckners Siebten, anschließend wurde der Dokumentarstreifen „Man will nichts, man lässt es entstehen“ von Jan Schmidt-Garré gezeigt.
Über die musikalische Phänomenologie, den Kern von Celibidaches Lehre, sprach ausführlich Markus Theinert. Die für Nichteingeweihte vielleicht etwas komplizierten Fachbegriffe veranschaulichte er in der Praxis mit einer öffentlichen Probe am Pult der „Kammerphilharmonie da capo“, bevor Celibidache selbst mittels eines Fernsehbeitrags des ZDF zu Wort kam. Unter der Überschrift „Der Maestro aus der Nähe betrachtet“ trafen sich auf der Bühne – zu Musik und Gesprächen – Solisten der Münchner Philharmoniker.
Der Sohn des Dirigenten, Serge-Ioan Celebidachi, konnte nicht anwesend sein, doch sein Film, „Der Garten des Sergiu Celibidache“, hieß den Zuschauer hinter den Kulissen einer so glanzvollen Musikerkarriere willkommen.
Zahlreiche Anekdoten mischten sich mit in den Ablauf des Nachmittags. Die ehemaligen Mitarbeiter von „Celi“ erinnerten sich mit Nostalgie, Ehrfurcht oder Lächeln an Sprüche wie „Gut ist nicht genügend“, „Auf der Bühne gibt es nichts zu verzeihen“, „Es gibt keine Fünfte von Beethoven. Sie entsteht jedes Mal neu“ oder „So gut, wie ihr gestern gespielt habt, seid ihr gar nicht.“ Dass „Celi“ bei seiner ersten Probe mit den Bamberger Symphonikern allein die Bässe eine halbe Stunde lang stimmen ließ, beschrieb Wolfgang Gaag rückblickend mit den Worten „Es waren keine Exzesse, sondern Notwendigkeiten“.
Ein weiteres Zitat von Celibidache – „Musik ist nicht schön. Musik ist wahr“ – diente als Motto für den Einblick in die spirituelle Welt des Musikers. Fernsehaufnahmen von Konzerten und Proben sowie der Vortrag von Michael von Brück über „Klang und Transzendenz – Spiritualität der Musik. Celibidache in Resonanz zum Buddhismus“ bewiesen, inwiefern es dem Maestro wichtig war, „das Ego auszuschalten“, „vom Festhalten frei zu werden“ oder in der Musik „die Zeit aufzuheben“.
Celibidache war zeit seines Lebens fest davon überzeugt, dass man Musik „nicht versteht, sondern erlebt“. Seine Forschungshefte, die in der Reihe „Celibidachiana“ von Patrick Lang veröffentlicht und nun in München in Weltpremiere vorgestellt wurden, zeigen, wie intensiv Celibidache an seinen Formulierungen feilte, „bis sie die gewünschte Schärfe und Spontaneität hatten“ und wie sehr seine „Souveränität geschult war“ (Lang).
Zum Abschluss des Münchner Festes rückte „Celibidache, der Orchester-Erzieher“ ins Scheinwerferlicht. Auch hier kamen viele Erinnerungen an harte, mitleidlose Proben, einmalig vergeistigte Konzerte oder entspannte, lustige Nachmittage zu Wort. Celibidaches akribische Vorbereitung für die Auftritte, aber ebenso sein beißender Humor, sein reges Interesse an Fußball und an gutem Essen, seine Verwundbarkeit, sein „archaischer Kampf gegen Routine, ohne jede Form von Demonstration“ – so diejenigen, die ihn kannten – qualifizieren ihn als „Persönlichkeit, die die Rahmen sprengt.“