Noch bevor Bogdan Theo-dor Olteanus erster Spielfilm mit dem epischen Titel „Câteva conversații despre o fată foarte înaltă” (Einige Gespräche über eine hochgewachsene junge Frau) von Bukarester Kinogängern überhaupt erst gesehen werden konnte, war er bereits in den Schlagzeilen. Eines der wenigen Programmkinos der rumänischen Hauptstadt, das Studio Horia Bernea im Rumänischen Bauernmuseum, hatte sich nämlich geweigert, den 70-minütigen Streifen des jungen rumänischen Filmregisseurs und Drehbuchautors Bogdan Theodor Olteanu, der sich zuvor auch als Rugbyspieler, als investigativer Journalist, als Marketingspezialist und als Politberater hervorgetan hatte, ins laufende Kinoprogramm aufzunehmen. Immerhin konnte man als Filmliebhaber der Premiere des Debütfilms am vergangenen Freitag in anderen Bukarester Kinos wie dem Cinéma Elvire Popesco, dem Studio Europa oder den beiden Kinematheken Eforie und Union beiwohnen.
Der Grund für die Weigerung des Rumänischen Bauernmuseums, Bogdan Theodor Olteanus Debütfilm ins Kinoprogramm des hauseigenen Studios Horia Bernea aufzunehmen, lag offenbar in der homosexuellen Thematik des Streifens begründet, der auf dem Internationalen Filmfestival Transilvania (TIFF) Anfang Juni in Klausenburg/Cluj-Napoca erstmals einem internationalen Publikum gezeigt wurde. Das Rumänische Bauernmuseum befürchtete offenbar Störungen der Filmvorführung seitens homophober gesellschaftlicher Kräfte, die der Projektion eines Filmes mit zwei lesbischen Frauen als Protagonistinnen gewiss nicht tatenlos zugesehen hätten. Bereits im Februar dieses Jahres hatten homophobe Vertreter der orthodoxen Georgs-Brüderschaft ihren Namenspatron gegen den Film „Soldații. Poveste din Ferentari“ (Die Soldaten. Geschichte aus Ferentari) der aus Serbien gebürtigen Regisseurin Ivana Mladenovic in Stellung gebracht und die öffentliche Aufführung dieser rumänischen Literaturverfilmung gezielt gestört, ebenso wie die Aufführung des mit dem César ausgezeichneten französischen Filmdramas „120 BPM“ von Robin Campillo. Freilich fügen sich solcherlei Manifestationen bruchlos in einen politischen Kontext ein, in dem gegenwärtig ein Referendum zur Neudefinition des Begriffs der Familie in der Verfassung Rumäniens angestrebt wird. Angesichts derartiger vorgängiger Drohungen und vorauseilender Maßnahmen freiwilliger Selbstzensur nimmt sich Bogdan Theodor Olteanus Debütfilm vergleichsweise harmlos aus. Sexszenen sind darin, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen will, lediglich angedeutet, Nacktheit kommt nur partiell vor und wird qua Bezug auf Hygiene (Badewannenszene) bzw. Körpergesundheit (Rückenmassage) sogleich gerechtfertigt, alles Gezeigte bewegt sich also durchaus im Rahmen ästhetisch korrekter Dezenz. Ja, man könnte darüber hinaus sogar so weit gehen zu behaupten, dass Olteanus Film in erster Linie gar nicht die homosexuelle Geschlechtsidentität der beiden Protagonistin-nen, sondern vielmehr ihre charakterologische und psychologische Differenz lung stellt.
Ausgangspunkt des Filmplots sind die zurückliegenden lesbischen Affären der beiden Hauptfiguren, verkörpert durch die beiden Spielfilmdebütantinnen Florentina Năstase und Silvana Mihai, mit ein und derselben hochgewachsenen jungen Frau, die im Film nie leibhaftig, nur einmal auf einem Foto und, abgesehen vom Filmtitel, lediglich in Gesprächen der beiden Protagonistinnen in Erscheinung tritt. Die Bukarester Schauspielerin Silvana Mihai verkörpert hierbei den schüchternen, vorsichtigen, ja furchtsamen Typus. Sie ist tief getroffen, dass ihr besagte hochgewachsene Frau den Laufpass gegeben hat, und sucht nun in Gesprächen mit ihrer Facebook-Bekanntschaft, die zumeist via Skype geführt werden, nach objektiven Gründen für die narzisstisch erlebte Kränkung und Zurückweisung. Im Gegensatz dazu verkörpert die am Toma-Caragiu-Theater in Ploieşti wirkende Schauspielerin Florentina Năstase den aggressiven, draufgängerischen, sinnlichen und experimentierfreudigen Typus. Sie redet unablässig vom „Ficken“, um mit dieser vulgären Ausdrucksweise die betulich und ein wenig tantenhaft agierende Skype-Partnerin absichtlich zu schockieren. Über die Trennung von der hochgewachsenen Freundin scheint sie nach eigenen Aussagen problemlos hinweggekommen zu sein.
Gespiegelt wird die sich allmählich anbahnende Freundschaft der beiden gegensätzlichen weiblichen Charaktere durch ein dokumentarisches Filmprojekt, das die bekennende Homosexuelle über das Leben eines mit ihr befreundeten lesbischen Paares für die Filmschule, an der sie eine Ausbildung macht, realisieren muss und das sie ihrer aus einer Provinzstadt stammenden neuen Freundin, die ihrer eigenen Homosexualität noch keineswegs völlig gewiss ist, häppchenweise vorführt. Die Handlung des Films von Bogdan Theodor Olteanu schwankt und wogt dabei ständig zwischen Nähe und Distanz der Liebenden und Geliebten hin und her: je forscher die eine, desto verschlossener die andere, je enttäuschter die eine, desto hoffnungsfroher die andere. Wie in einem Laboratorium humanum spielt sich der gesamte Film in Innenräumen ab: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche. Nur der Blick vom Balkon über das in der Tiefe brodelnde Bukarest bringt von fernher Außenwelt und damit Öffentlichkeit ins Spiel.
Weil echte Öffentlichkeit, abgesehen von Partys im Queer-Milieu, im Film aber völlig fehlt, geht auch die genderspezifische Stoßrichtung des Streifens ins Leere. Was bleibt, ist ein Einblick in die Psyche einiger weniger junger Menschen der Generation Facebook, Twitter und Tinder, die sich noch im Stadium der Ausbildung und Heranbildung befinden und peu ŕ peu mit sich und der Welt zurande kommen müssen. Was bleibt, ist auch ein Einblick in das Leben junger Großstädterinnen, die einen Spagat zwischen virtueller Existenz und realer Welt, zwischen medialem Überangebot und unmittelbarem Auf-sich-selbst-Zurückgeworfensein versuchen und dabei immer wieder zu scheitern drohen. Schon allein für diese interessante Teilhabe an einer spezifischen Lebenserfahrung im Rumänien der Gegenwart lohnt sich der Besuch des kurzen und bündigen Debütspielfilms von Bogdan Theodor Olteanu.