Die 29. Edition des Festivals des Osteuropäischen Films Cottbus (FFC) fand vom 5. bis 10. November 2019 statt. Das FFC wurde 1991 aus der Taufe gehoben, zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989. Die diesjährige Ausgabe wurde um die Länder Finnland, Türkei und Griechenland erweitert, da man bewusst über den „osteuropäischen Tellerrand“ hinausschauen wollte. Wie-der besuchten rund 22.000 Filmfans und -schaffende die acht Filmspielstätten in Cottbus sowie interessante Locations des mannigfaltigen Rahmenprogramms, wie die Ausstellung „Schlesien nach 1945“.
Der Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, Schirmherr des 29. FFC, eröffnete das Festival im Großen Haus des Staatstheaters mit den Worten: „Das Ende des Kalten Kriegs war zugleich der Anfang für das FilmFestival Cottbus. Seit 1991 hat es sich zu einem der weltweit führenden Festivals des osteuropäischen Films entwickelt. Die gewaltigen Veränderungen in den Ländern Osteuropas haben sich in den nunmehr 29 Film-Jahrgängen auf ebenso eindrucksvolle wie bewegende Art und Weise widergespiegelt.“ Auch die Filme in diesem Jahr ließen die Zuschauer intensiv an Leben und Geschichten der Protagonisten an der Nahtstelle zwischen Ost und West, 30 Jahre nach dem Fall der Mauer 1989, teilhaben.
Junge Filmemacher dominierten das 29. FFC
Cottbus erwies sich auch diesmal wieder als idealer Festivalort, liegt es doch quasi als Tor zum Osten in unmittelbarer Nähe zum polnischen Nachbarn in der zweisprachigen (deutsch/sorbischen) Region Lausitz im Bundesland Brandenburg. Die über 100.000 Einwohner zählende Stadt, 120 km südöstlich von Berlin gelegen, fungierte als Anlaufpunkt für internationale und nationale Filmschaffende sowie Cineasten des mittel- und osteuropäischen Films. „Hier treffen Regie-Altmeister und Oscar-Preisträger auf Nachwuchstalente, osteuropäische Shootingstars auf deutsche Schauspielkollegen, mischt sich internationales Flair mit familiärer Festivalatmosphäre“, lautet das Profil des FFC.Drei Wettbewerbs-Sektionen (Spiel-, Kurz- und Jugendfilm) sowie weitere zehn Programmsektionen, wie etwa „Spectrum“, sowie Specials mit Werken vor allem junger Filmschaffender boten dem Publikum wiederum die einzigartige Möglichkeit, Produktionen aus Ost- und Mitteleuropa zu sehen und sieben Weltpremieren, einer Europapremiere und 61 Deutschland-Premieren beizuwohnen. Die prominent besetzte internationale Festivaljury verlieh 18 Preise.
Vier Filme aus Rumänien
Aus Rumänien wurden drei Filme sowie eine Koproduktion mit rumänischer Beteiligung gezeigt. Der Film „Ultimul drum spre mare“/„Eine letzte Reise zum Meer“ des Absolventen der Filmuniversität UNATC „I.L. Caragiale“ in Bukarest, Adi Voicu, wurde mit dem „Spezialpreis“ in der Kurzfilmsektion ausgezeichnet. Im Film geht es um die Vorurteile einander Fremder, die stundenlang auf engstem Raum in einem Zugabteil gemeinsam eingesperrt sind, aber schließlich mit Humor die angespannte Stimmung lösen. Begründung der Jury: „Wir alle haben Vorurteile, wir alle liegen damit meist falsch, und die beste Art und Weise damit umzugehen, ist der Humor. Dieser Film fängt genau das ein, er ist amüsant, regt zum Nachdenken an, ohne den Zeigefinger zu erheben und lässt uns am Ende erkennen, dass wir doch eigentlich alle im selben Zug sitzen.“ Oder, mit maritimer Metapher formuliert: Im selben Boot. Rumänien war in der zehn Filme umfassenden Kurzfilm-Wettbewerbs-Sektion zudem mit der Tragikomödie „Havana, Cuba“ von Andrei Huțuleac präsent, der die Geschichte eines Bukarester Taxifahrers zur Weihnachtszeit, der komplett auf eine bei einem Radiosender zu gewinnende Reise nach Kuba fixiert ist, pointiert in Szene setzt. Außerdem wurde mit dem in der Sektion „Spectrum“ aufgeführten Film „SAF“ eine Koproduktion der Türkei, Deutschlands und Rumäniens gezeigt, ein filmisches Protokoll vom Leben eines Protagonisten „ganz unten“ in der Hierarchie einer Baustelle in Istanbul. Ebenfalls in dieser Sektion, die zwölf Produktionen beinhaltete, lief der Spielfilm „Moștenirea“/„Das Vermächtnis“ von Dorian Boguță, ein lakonisch inszeniertes Psycho-Drama über einen Verschwundenen. Der „Hauptpreis für den besten Film“ in der zwölf Werke umfassenden Wettbewerbs-Sektion ging an den bulgarischen Film „Sestra“/„Schwester“ von Svetla Tsotsorkova, die ein ungewöhnliches, bildgewaltiges Porträt einer Tochter-Mutter-Beziehung schuf.
TIFF Klausenburg als ein Sprungbrett nach Westeuropa
Das Beispiel der Tragikomödie „Îmi este indiferent dacă în istorie vom intra ca barbari’“/„Mir ist es egal, wenn wir in die Geschichte als Barbaren eingehen“ von Radu Jude zeigt, dass das 2001 gegründete Transilvania International Film Festival (TIFF) auch als Sprungbrett rumänischer Filme nach Westeuropa fungiert: Der Film wurde auf dem TIFF 2018 aufgeführt und dort für das FFC ausgewählt, wo er in der Sektion „Spectrum“ gezeigt wurde. Im Mai 2019 hatte er schließlich seine Premiere in deutschen Kinos.
Daher kann man schon jetzt gespannt sein auf das TIFF 2020 – welche in Klausenburg/Cluj gezeigten Filme schaffen im nächsten Jahr den Sprung nach Westeuropa, vielleicht gar mit einer siebenbürgischen Filmstory? An Plots sollte es nicht mangeln – etwa eine Verfilmung des autobiografischen Buches „27 Schritte“ des Extremsportlers Tibi Ușeriu aus Bistritz/Bistrița-Năsăud.