Bei unseren letzten Telefongesprächen ging es um die Biografie des emeritierten Professors Rein für eine Ausstellungstafel zur großen Expo im November d. J. in Bukarest unter dem Titel „Hundert Jahre zusammen“, die mehrsprachig an alle evangelisch-deutschen Gruppen erinnern soll, die nach Ende des Ersten Weltkrieges im Königreich Rumänien zusammenkamen: Altreich, Banat, Bessarabien, Bukowina, Dobrudscha und Siebenbürgen. Und ein Zeitzeugengespräch war für August geplant, verbunden mit Absprachen für die Übergabe des Vorlasses an das Augsburger Bukowina-Institut. Der unerwartete plötzliche Tod am 23. August 2018 verhinderte auch die Verwirklichung des letzten eigenen Vorhabens, nämlich seine Erinnerungen niederzuschreiben. Aber sicherlich kannte der bekennende Pfälzer und ausgewiesene Mundartfachmann das humorvolle geflügelte Pfälzer Wort vom Sterben: „Alle Mensche misse schderwe / un vielleicht aach ich.“
Der emeritierte frühere Ordinarius der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) hatte im März d. J. das 86. Lebensjahr erreicht. Professor Rein zählte zu den bedeutendsten Kulturvermittlern aus der Bukowina, zu den letzten „originellen Bukowinern“ und zu den verdienstvollen Persönlichkeiten der Erlebnisgeneration der Umsiedlungen 1940 aus der historischen Bukowina ins damalige Deutsche Reich und danach.
Geboren wurde er 1932 im damals mehrheitlich evangelischen Dorf Deutsch-Alt-Fratautz, wo er seine Kindheit in multiethnischer Umgebung verbrachte, da sein Vater Notar in der benachbarten Csango-Gemeinde Andrasfalva (rumänisch heute M²neu]i) war. Sein Onkel Hans Rein zählte zu den bekanntesten und führenden evangelischen Pfarrern der Bukowina, sowohl vor, als auch nach der Umsiedlung 1940. Er ist leider früh in der Pfalz verstorben (1. August 1956), wahrscheinlich an den Folgen von Krieg und Kriegsgefangenschaft.
Der Großteil der Fratautzer Landsleute gelangte während bzw. nach der Umsiedlung und dem Weltkrieg nach Weiden in der Oberpfalz, wo Rein 1951 sein Abitur ablegte. Von hier aus begann er im Herbst des gleichen Jahres sein Studium in München, weil er günstig bei seinem Slama-Vetter wohnen konnte. Als Student gehörte er noch zu denen, die verpflichtend an der Schutträumung in München teilnehmen mussten. Der baldige Wechsel an die Uni Mainz hatte damit zu tun, dass der Student Rein ein für seinen späteren Werdegang wichtiges staatliches Stipendium erhalten hatte nach einer erfolgreichen Wettbewerbsteilnahme zum Thema „Pfälzer drinnen und draußen“ in Kaiserslautern. Von Mainz folgte der Wechsel nach Marburg, wo sein Doktorvater ihn zur Dialektforschung hinführte und Werkverträge besorgte, auch im Ausland. Er war Gastdozent in den USA, unternahm Forschungen in Österreich bei Karl Kurt Klein. Laut Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender hat Rein 1957 promoviert und im selben Jahr geheiratet. Angeführt sind Gastprofessuren in Chicago und Georgetown. Er habilitierte sich 1972/73, ab 1975 war Rein Ordinarius an der LMU München, Lehrstuhl Linguistik und Didaktik der deutschen Sprache und Literatur. Später unternahm der bereits international bekannte Professor zwecks Sprachforschungen Reisen in die USA, gezielt zu Bukowinern und Nachkommen, und nach Israel. Überall entstanden dazu Veröffentlichungen und Tonaufnahmen. Seine Lehrtätigkeit an der Universität in München dauerte über 27 Jahre.
Prof. Dr. Rein zählte zu den engagiertesten Buchenländern der Nachkriegszeit in Deutschland, die gleich in mehreren Bereichen der Kultur-, Forschungs- und Vereinsarbeit Anregungen eingebracht und selbst rege agiert haben. In seiner Lehr-, Forschungs- und Fördertätigkeit setzte er sich wie im ehrenamtlichen Wirken für seine Schicksals- und Erlebensgeneration weit über die bukowinischen Belange hinaus ein. Prof. Rein verwies stets auf die vielen Verbindungen, die es zu Siebenbürgen, Galizien, Bessarabien, dem Banat und anderen Regionen der alten Monarchie und in jüngerer Zeit bis nach Übersee gab, in die Vereinigten Staaten von Amerika, nach Kanada, Brasilien und bis nach Turen in Venezuela. Es war immer ein Engagement für die gesamteuropäische Prägung, die ihm am Herzen lag.
Als Inhaber eines Lehrstuhls an der Ludwig-Maximilians-Universität München zählte Prof. Rein in der Zeit, als es den Eisernen Vorhang noch gab, zu den wenigen Universitätsprofessoren in Deutschland, die sich seit den frühen siebziger Jahren nicht nur dem Westen zugewendet, sondern auch Ost- und Südost-europa nicht vergessen haben. So förderte und wirkte der Sprach- und Dialektforscher Rein, der sich als „Schüler von Karl Kurt Klein“ (Siebenbürger) bezeichnete, beispielsweise an den Forschungs- und Facharbeiten in Siebenbürgen, Sathmar, im Banat und in Ungarn (Budapest und Fünfkirchen/Pecs) mit. Dem gerngesehenen Forscher und Gastprofessor zahlreicher europäischer und amerikanischer wissenschaftlicher Institute wurde von der Universität Eötvös Lorand Budapest nach der Wende der Ehrendoktor und der Professor honoris causa verliehen, in der rumänischen Südbukowina wurde Prof. Rein 2004 in die große „Enciclopedia Bucovinei“ aufgenommen. Für die Buchenländer und auch weitere Gemeinschaften aus Südosteuropa, wie z. B. Siebenbürger, stehen bleibend die von ihm bearbeiteten und herausgegebenen drei Bände des Siebenbürgisch-deutschen Sprachatlasses und weitere CDs mit gesprochenen Dialekten. Die Herausgabe von drei CDs mit Tonbelegen zu den bekanntesten deutschen Mundarten in der historischen Bukowina, Pfälzerisch („Schwäbisch“), (Deutsch) Böhmisch und Zipserisch, in Zusammenarbeit mit dem Augsburger Bukowina-Institut im Vorjahr, waren ihm ein wichtiges Anliegen zur Sicherung des Spracherbes der Buchenlanddeutschen.
Seinen Fratautzer Landsleuten hat er ein Denkmal gesetzt durch das Heimatbuch, das er mit Waldemar Radmacher 2005 in München herausgegeben hat. Seine drei Kinder hatten dem Vater zum 75. Geburtstag eine gemeinsame Familienreise in den Geburtsort Fratautz geschenkt als Zeichen des Dankes und der Verbundenheit mit der Heimat der Vorfahren.
Bis in seine letzten Tage stand der Buchenländer Rein für seine Landsleute und ihre Körperschaften ein. Er sah diese Verpflichtung als eine Bringschuld seiner Generation an. Wann und wo es noch Aufgaben zu erfüllen gab für seine Gemeinschaft, da übernahm er diese bedingungslos als selbstverständliche Pflicht. Dank seiner bukowinischen Gemütsprägung war es ihm nach der Emeritierung als Lehrstuhlinhaber 2002 leichter gefallen, seine Berufspflichten aufzugeben, als die vielen ehrenamtlichen für seine schrumpfende, schwächer werdende Gemeinschaft.
In diesem Geiste hätte ich ihm lieber anstelle des Bukowiner Nachrufs für ewige friedliche Ruhe den Wunsch für noch viel Kraft übermittelt für die vielen Bukowiner Belange. Denn Kurt Rein, der letzte der drei visionären Gründungsprofessoren des Augsburger Bukowina-Instituts vor 30 Jahren, der letzte Vorsitzende der Kaindl-Gesellschaft, der Stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen, wird nun für immer fehlen…