Bleibt einem Sänger, Texter, Produzenten und Schauspieler noch Freizeit übrig? Vor allem wenn er auch Klavier, Gitarre und Schlagzeug spielt, dabei aber Absolvent der Kommunikationswissenschaften und Masterstudent in Anglistik ist? Elvin Dandel, der das alles kann, ist gebürtiger Hermannstädter und wohnt seit seinem siebten Lebensjahr in München. Kurz vor Weihnachten hat er seinen 30. Geburtstag gefeiert. Im Internet liest man unter „Volkszugehörigkeit“ in seinem Lebenslauf: „europäisch“. Musik hat er als externes Mitglied am „Richard-Strauss“-Konservatorium in München gelernt. Mit sechs Jahren erhielt er seine erste Auszeichnung als Pianist, mit sieben hatte er den ersten Soloauftritt als Sänger, mit elf veröffentlichte er eine eigene Komposition auf CD und stellte sie live bei der weltweit größten Musikmesse „MIDEM“ in Cannes vor.
Zwölf Jahre Klavier-, vier Jahre Gesangsunterricht, drei Jahre Schauspiel- und Rhetorikkurse bilden die Grundlage seiner Künstlerkarriere. Zu seinen Erfolgen zählen u. a. Preise in Finnland, Ägypten und Frankreich. Er war Finalist im „Eurovision Song Contest“ Deutschland (1999), erhielt den Music Award München (2001) und gewann das „National Internet Contest“ in Deutschland (2002) – seine eigene Komposition „Johnny” kam bei dieser Gelegenheit auf eine CD neben Songs von Britney Spears oder Xavier Naidoo.
Als Schauspieler wirkte Elvin in deutschen und US-amerikanischen Produktionen mit, auch in der rumänischen TV-Serie „Vine poliţia“ übernahm er eine Gastrolle. In Rumänien ist er als Moderator des „Goldenen Hirschen“ in Kronstadt bekannt sowie als Teilnehmer an den Songfestivals Mamaia und Callatis. Mit Elvin Dandel sprach für die ADZ Christine Chiriac.
Deine bisherige Karriere ist beeindruckend. Wie hat das alles begonnen?
Es hat mit Klavierunterricht begonnen - bis 18 habe ich sehr viel Klassik gespielt. Parallel dazu habe ich mich, sicherlich auch durch den Einfluss meines Vaters (des siebenbürgischen Musikers und Showmasters Ricky Dandel, Anm. d. Red.), für andere Musikrichtungen interessiert. Ich bin bis auf den heutigen Tag der festen Überzeugung, dass es für Technik und Fingerfertigkeit nichts Besseres gibt als Klassik.
Andererseits kann man sich dabei sehr wenige Freiheiten erlauben, man kann so gut wie nie aus den festen Mustern ausbrechen. Es war mir deswegen klar, dass ich kein klassischer Pianist werden wollte, sondern in Richtung Popmusik und später Rock gehen würde. Nach wie vor finde ich es enorm wichtig, für andere Musikrichtungen offen zu bleiben, Einflüsse zuzulassen, aus dem eigenen etablierten Stil auszubrechen. Wenn man sieben Alben herausbringt und alle klingen gleich, dann finde ich es schade . Man muss sich jedes Mal ein bisschen neu erfinden und ein neues Puzzlestück hineinsetzen.
Auch mein Gesangsunterricht mit Chris Thompson, dem Sänger von der „Manfred Mann“ Band verlief in der klassischen Art und Weise: Ich lernte beispielsweise, wie man korrekt atmet, wie man die Stimme entspannt, welche Übungen sich eignen, damit die Stimme gesund bleibt. Relativ früh habe ich dann angefangen, mit Produzenten zu arbeiten.
Es war eine gute Schule, ich konnte viel lernen und ausprobieren. Sicherlich habe ich auch viel gemacht, was nicht unbedingt meine Richtung war - aber so entdeckt man, was man eben nicht machen will. Mit 16 hatte ich meinen ersten Plattenvertrag mit Warner und später EMI und auf ihren Vorschlag nahm ich am Vorentscheid für den Eurovision Contest hier in Deutschland teil. Es war eine sehr gute Erfahrung.
Danach habe ich auch an anderen Wettbewerben teilgenommen, bin in Klubs und Konzerthallen aufgetreten und habe mit vielen Produzenten weitergearbeitet. Eben diese Arbeit gab mir mit der Zeit das Gefühl, dass ich nicht genug Einfluss hatte, die Songs genau so zu erstellen, wie ich sie mir vorstellte. Also habe ich mich mit Produktion und Technik auseinandergesetzt, habe ein kleines Homestudio eingerichtet, das nach und nach größer wurde, und habe begonnen, für diverse Leute Songs zu schreiben.
Parallel habe ich immer noch mit meinen Produzenten gearbeitet, habe aber auch sozusagen „abgeguckt“, wie sie das machten und was für Geräte sie benutzten. Mittlerweile habe ich vor zwei-drei Jahren mit einem Freund ein gemeinsames Studio eingerichtet. Wir haben als Komponisten etliche Produktionen beim Eurovision Contest gehabt. Vor drei Jahren haben wir eine Nummer für Paula Seling geschrieben, mit Litauen sind wir voriges Jahr ins Finale gekommen.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Wir sind gerade dabei, das Studio auszubauen. Grund dafür ist die Tatsache, dass es in München viel zu wenig Proberäume und Aufnahmemöglichkeiten für Bands gibt. Von der hiesigen vielfältigen Kulturszene ist nämlich sehr viel importiert. Ganz anders als Köln oder Berlin ist München entweder sündhaft teuer oder die Räume sind zu klein für professionelle Proben und Aufnahmen. Außerdem bemängele ich am deutschen Schulsystem, dass man zwar Musikunterricht hat, junge Bands aber nicht genügend unterstützt werden.
Deutschland ist nach wie vor ein riesiges Kulturland, aber eher aus Privatinitiative. Wenn man bereits erfolgreich ist und ein gewisses Niveau erreicht hat, dann kann man mit einer gewissen gesellschaftlichen Akzeptanz rechnen. Davor aber bleibt der Beigeschmack bestehen, dass einem gesagt wird: „Na ja, dafür ist kein richtiger Beruf da.“ Das muss sich erst einmal in den Köpfen der Menschen ändern.
Wir sind gerade dabei, ein Areal mit Proberäumen und Möglichkeiten für Videoclip-Aufnahmen und Tonproduktion aufzubauen. Das wäre unser Zukunftsprojekt. Nebenher nehme ich mit meiner Band gerade ein neues Album auf – wir haben die Singles schon fertig. Bald soll auch die überarbeitete Homepage freigeschaltet werden , sowie die Facebook-, MySpace- und Twitter-Auftritte. Ab Januar oder Februar – hoffentlich ist bis dann unser Album fertig – sollen die Konzerte losgehen.
Wer spielt in deiner Band?
Ein Schlagzeuger, eine Bassistin, ein Gitarrist und eine Klavierspielerin, also zwei Damen und zwei Herren, die alle absolute Oberklasse sind. Auch live ist es ein Hochgenuss, mit diesen Menschen aufzutreten, denn egal was passiert, kann man mit einem schönen Klang rechnen. Das letzte Album habe ich mit Studio-Musikern aufgenommen – es waren fantastische Musiker, aber wir arbeiteten nur projektbezogen zusammen.
Ich hatte mir deshalb schon länger eine Band gewünscht, deren Mitglieder die Musik gut finden und hinter den Songs stehen, mit denen man menschlich klar kommt, sich auch privat trifft und Spaß hat und nicht nur arbeitstechnisch zusammenkommt. Das merkt man sofort – der Klang der neuen Songs ist echter.
Wie kam es zur Schauspielerei?
Das war von mir aus gar nicht groß geplant, es ist einfach „passiert“. Als Musiker lernt man auch viele Schauspieler oder Regisseure kennen. Mit 15 wurde ich zu einem Casting eingeladen. Als ich mit auswendig gelerntem Text ins Zimmer kam, stand plötzlich Katja Riemann vor mir! Ich war dermaßen aufgeregt, dass ich es nur noch „überstehen“ wollte, ohne mich komplett zu blamieren. Ich wollte nur weg! Nach einer Woche riefen sie an, dass ich die Rolle bekommen hatte.
Wie ging es weiter im Filmbereich?
Meine Mutter ist Englischlehrerin und hat mit mir schon immer Englisch gesprochen, sodass ich es akzentfrei sprechen kann. Als man begann, in den großen Studios in Bukarest amerikanische Produktionen zu drehen, bekam ich auch einige Castings. Ich habe dann fast nur noch in englischsprachigen Produktionen gespielt – oder u. a. in Werbespots für die UEFA Kampagne, die in Deutschland gedreht wurden. Es ist neben meiner Musik eine schöne begleitende Tätigkeit; ich finde aber, dass man nicht beides gleich gut machen kann. Wenn schon, dann abwechselnd. Wenn ich mich für eins der beiden entscheiden müsste, dann wäre es ganz klar die Musik.
Mehrere rumänische Filmproduktionen der letzten Jahre halte ich für besonders gelungen – mit gut geschriebenen und ausgearbeiteten Storys, guter Kinematografie und natürlichen Schauspielern. Das einzige woran es fehlt, ist das Geld. Wobei Rumänien damit auch gezeigt hat, dass man mit wenig Mitteln große Preise erhalten kann. Wenn sie in dieser Branche in Rumänien so weiter machen, könnten sie den Status erreichen, den Frankreich früher hatte: parallele Filmnation zu den Vereinigten Staaten. Zumindest kann man sich das wünschen, aus Nationalstolz.
Bei der Auswanderung warst du sieben oder acht Jahre alt. Sprichst du noch Rumänisch?
Selbstverständlich! Mittlerweile können auch meine Freunde aus München ein paar Sätze. Meine besten Kumpels waren alle schon in Rumänien und kennen die Städte zum Teil besser als ich. Ich bin oft dort, es ist auf jeden Fall Heimat, München aber selbstverständlich auch.
Welches sind die Schwierigkeiten in deiner Karriere oder was ist dir unangenehm?
Schwierigkeiten macht man sich oft selbst, man steht sich selbst im Weg.
Und wo stehst du dir im Weg?
Ich bin wahnsinnig perfektionistisch. Ich könnte schneller arbeiten und mir im Jahr bestimmt ein-zwei Monate Arbeit sparen. Ich hasse es aber, unvorbereitet oder unsicher zu sein. „Gut genug“ ist für mich eben nicht „gut genug“. Manchmal „quäle“ ich die Musiker mit diesem Perfektionsdrang, andererseits erweist es sich als Vorteil, denn man geht an seine Grenzen. Was generell heute schadet, ist der enorme Zeitdruck, unter dem man arbeiten muss.
Wenn das der einzige Stress ist, den man als Musiker hat, ist es schon in Ordnung. Bei aller Liebe für viele Kollegen muss ich sagen, dass die meisten Künstler so wahnsinnig wehleidige Menschen sind, dass man das Gefühl hat, sie machen den schwersten Beruf auf diesem Planeten. Es ist nicht der einfachste, aber man müsste diese Leute mal in die Fabrik schicken, dass sie 17 Wochen am Stück Schrauben drehen, dann würden sie nicht mehr jammern. Wenn man Musik nicht gerade nur für Geld macht, dann ist es ja auch eine Leidenschaft. Sicherlich eine, die mit sehr viel Arbeit verbunden ist.
Man ist bestimmt ausgebrannt, wenn man 200 Tage im Jahr tourt, aber was geschieht, wenn man 30 Jahre lang in einem Büro sitzt? Alles in allem bin ich heilfroh, dass ich Geld verdiene, mit dem, was mir Spaß macht.