Bisher waren seine Bücher meist theologischer oder religiöser Natur wie seine beiden Werke über den orthodoxen Theologen Dumitru Stăniloae oder der Band über den Islam in Rumänien. Mit seiner neuesten Buchpublikation wechselt der evangelische Pfarrer, Buchautor und frühere Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, Dr. Jürgen Henkel, aus Selb in Bayern nun das Genre. So hat er jüngst im renommierten Kunstverlag Josef Fink ein Stadtporträt über Hermannstadt veröffentlicht.
Der 80 Seiten starke Band bietet zwei ausführliche Rundgänge durch die Altstadt mit Beschreibung aller relevanten Sehenswürdigkeiten sowie vier Porträts lohnenswerter Ziele außerhalb des historischen Zentrums. Hinzu kommt eine Zeittafel, die die bewegte Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart nachzeichnet. Henkel kennt sich in Hermannstadt bestens aus, hat er doch zehn Jahre dort gelebt – in den 90er Jahren fünf Jahre als Student und Doktorand, von 2003 bis 2008 dann als Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen.
Doch wie kommt der Pfarrer aus Bayern dazu, ausgerechnet einen Kunstführer zu einer Stadt in Rumänien zu schreiben? Henkel erläutert: „Der Verleger Josef Fink kam auf mich zu. Sein Verlag hat über 1200 Titel veröffentlicht mit einer Millionenauflage. Ich wurde ihm als Autor empfohlen aufgrund meiner Arbeit an der Evangelischen Akademie Siebenbürgen bis 2008 und von Presseartikeln über Rumänien und Hermannstadt. Unser Ziel ist es, dass jeder mit diesem Büchlein in der Hand die Stadt erkunden kann.“
Henkel will „für eine breite Leserschaft“ schreiben und wissenschaftlichen Anspruch mit guter Lesbarkeit verbinden. Er betont: „Mich selbst nerven Reise- und Kunstführer, die in trockener und langweiliger Sprache geschrieben sind oder in denen Kunstbeschreibungen in einer nur technischen Fachsprache daherkommen. Mein Ziel war es, einen allgemeinverständlichen, anschaulichen und dabei noch unterhaltsamen Stadtführer zu schreiben. Ob das gelungen ist, haben die Leser zu beurteilen.“
Freilich war der Pfarrer und ausgebildete Journalist auch begeistert über die Gelegenheit, ein solches Stadtporträt zu verfassen. Denn am bestehenden Angebot übt er Kritik: „Die bisherigen Stadt- und Kunstführer zu Hermannstadt beschränken sich zu sehr auf die Altstadt. Dabei gibt es auch außerhalb des Zentrums viel zu sehen, wie etwa das Stadtviertel Neppendorf mit der Kultur der aus Österreich deportierten evangelischen Landler, die Sammlung alter Dampflokomotiven oder auch das Freilichtmuseum Astra. Das alles kommt in den bisherigen Reiseführern kaum oder gar nicht vor.“
Einen eigenen Stadtführer für Hermannstadt zu schreiben, war für Henkel also „eine große Chance und echte Herausforderung zugleich, hier auch etwas Neues zu bieten. Ich habe dabei selbst noch viel über die Stadt gelernt.“ So hat er zum Beispiel auch ein Kapitel zum Bauernmarkt eingebaut, auf dem heimische regionale Produkte von würzigem Schafskäse bis feurigem Paprika verkauft werden. Er betont: „Wer eine geschichtsträchtige an Kultur und wertvoller historischer Bausubstanz so reiche Stadt wie Hermannstadt nicht nur wie ein Museum besichtigen, sondern wirklich kennenlernen und erleben will, der sollte auch von den Kneipen bis zu den Konzertsälen ins pralle Alltagsleben der Stadt eintauchen. Genau aus diesem Grund sollte sich kein Reisender einen Besuch auf dem Zibinsmarkt entgehen lassen.“
Jürgen Henkel gerät bei Hermannstadt schnell ins Schwärmen. Er hat als Student in historischen Gemäuern wie dem evangelischen Stadtpfarramt gewohnt. Dieses Gebäude und die Fenster seiner früheren Studentenbude sind sogar auf dem Titelfoto zu sehen. Eine besonders urige Studentenkneipe, die er schon als Student gerne besucht hat, empfiehlt er im Buch als „besonderen Tipp“. Die politische, wirtschaftliche und touristische Entwicklung der Stadt kennt Henkel seit 1991 aus eigener Anschauung. „Hermannstadt ist für mich eine der schönsten Städte der Welt“, fasst er seine Begeisterung zusammen.
Hermannstadt hat neben seiner großen Geschichte seit dem Mittelalter und seiner besonderen Bedeutung als jahrhundertelange Hauptstadt der Siebenbürger Sachsen heute als moderne Großstadt mit 150.000 Einwohnern, als orthodoxe und evangelische Bischofsstadt, als Universitäts- und Kulturstadt mit Theaterbühnen und Philharmonie wie auch als Wirtschaftsstandort viel zu bieten. „Die Stadt brummt und boomt. Das unterscheidet die quirlige siebenbürgische Metropole auch von den nur gemütlich wirkenden deutschen Fachwerkstädten wie Rothenburg ob der Tauber, die manchmal wie ein Museum erscheinen. Ich hoffe, den Zauber dieser quirligen Metropole auch gut rüberzubringen.“
Wie schön die Stadt tatsächlich ist, wird an den knapp 80 eindrucksvollen Hochglanzfotos deutlich, die zumeist von dem Münchner Fotografen Martin Eichler stammen. Einige Bilder hat Henkel selbst beigesteuert. „Besonders schön war es, den alten Stadtplan aus der Habsburgerzeit von 1904 für den Druck aufzutreiben, der die Stadt noch auf Deutsch darstellt“, berichtet Henkel.
Im Rahmen einer Unternehmerreise der Handwerkskammer für München und Oberbayern nach Rumänien, an der Verleger Josef Fink und Jürgen Henkel kürzlich teilnahmen, hat der Band seine „Feuerprobe“ bestanden. Fink und Henkel übergaben der Oberbürgermeisterin von Hermannstadt Astrid Fodor im Beisein von Dr. Evelin Friedrich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin sowie Präsident Franz Xaver Peteranderl von der Handwerkskammer für München und Oberbayern die ersten Exemplare des Buches. Fodor zeigte sich sehr angetan von dem neuen Stadtporträt.
Bleibt es für Henkel bei diesem Ausflug in das Genre der Reiseführer? Wohl nicht. „Diesen Band zu schreiben hat richtig Spaß gemacht. Das bisherige Echo ist überwältigend positiv. Das setze ich gerne fort und hoffe, dass im Kunstverlag Josef Fink weitere Stadtführer etwa über Schäßburg, Temeswar und Kronstadt folgen können“, so der Autor.