Findet man in unserer schnelllebigen Welt überhaupt noch die Zeit, zu sinnieren? Ja. Allerdings nur, wenn man in den Bergen auf einem Sessellift vergessen und allein gelassen wird. Das widerfährt Georg Karner, der Figur aus Klaus Eckels Komödie „Après Ski – Ruhe da oben!”. Die einstündige One-Man-Show ist die neueste Vorstellung des Deutschen Staatstheaters Temeswar und legt einen ganz besonderen Fokus auf das Schlagwort „One-Man-Show”. Denn Schauspieler Niko Becker übt sich hier auch als Regisseur und verantwortet für alle Aspekte der Produktion: von der Auswahl des Textes bis zum Bühnenbild.
Das jüngste Mitglied des DSTT-Ensembles dürfte kein unbekanntes Gesicht für Langzeitbesucher des Deutschen Staatstheaters sein. Schon in seiner Schulzeit wurde er in großen Produktionen wie etwa der Herta-Müller-Adaption „Niederungen” besetzt. 2020 hat Becker sein Studium abgeschlossen und „Aprčs Ski – Ruhe da oben!” dürfte seine Feuertaufe werden. Besonders weil man ihm für die einstündige Vorstellung freie Hand gelassen hat.
„Es ist kompliziert, weil du das, was du auf der Bühne machst, auch von außen sehen musst”, so Becker. „Du musst das Ganze in eine Struktur einbauen, damit es auch irgendwie funktioniert. Ich musste mir von Anfang an den Text gut strukturieren, Dynamik reinbringen, damit es nicht schnell monoton wird.”
Überhaupt kann sich der Schauspieler auf nichts stützen, außer auf sich selbst. So wie seine Figur Georg Karner sitzt auch Niko Becker als Schauspieler für rund eine Stunde im Sessellift fest. Der metaphorische Sessellift bedeutet eine Rückkehr zu den Basics: pures Schauspiel ohne Krücken.
„Es ist eine große Herausforderung”, erklärt Becker. „Dadurch, dass es immer der gleiche Ort und die gleiche Situation ist, kann es schnell langweilig werden. Ich habe versucht dagegen zu arbeiten, indem ich die einzelnen Szenen so unterschiedlich wie möglich gestaltet habe. Was macht ein Mensch in so einer Lage? Er denkt sich Taktiken aus. Man kann jemanden anrufen, doch Georg Karner fällt schon in der ersten Szene das Handy runter. Man kann versuchen, auf sich aufmerksam zu machen, indem man ruft, schreit. Jeder dieser Taktiken hilft, um der Eintönigkeit entgegenzuwirken.”
Therapie im Sessellift
In Klaus Eckels „Aprčs Ski – Ruhe da oben!” geht es nicht nur um Situationskomik. Je aussichtsloser Karners Lage wird, desto mehr sieht er sich gewillt, sein Leben Revue passieren zu lassen. Schließlich kann eine eisige Nacht alleine in den Bergen ungeahnte Folgen haben. Die Ungewissheit, was vor einem liegt, zwingt ihn zurückzuschauen. In Eckels Originaltext ist Karner Mitte Vierzig. Somit schleichen sich auch die obligatorischen Sinn-Fragen ein, die man sich in diesem Alter stellt. Hat er nun sein Leben vergeudet? Hätte er vieles besser machen können? Eckel bringt diesen Gedankengang seiner Figur durch einen Monolog zum Abschluss.
Der 21-jährige Niko Becker ist ganz weit von Georg Karners 40 Plus entfernt. Darum hat der junge Schauspieler auch die Figur angepasst. Statt 40 ist Karner in der DSTT-Produktion gerade Mal 25. Und der Abschluss-Monolog wurde von Becker neu geschrieben, eben um die Probleme eines Zwanzigjährigen zu behandeln. Probleme, die Becker auch eher nachvollziehen kann.
„Es ist ein schöner Monolog, der aber eine Midlife Crisis thematisiert”, so Becker über den Originaltext. „Und das kann ich mit meinen 21 Jahren kaum dem Zuschauer verkaufen. Ich habe darum den Text umgeschrieben aus Sicht eines 25jährigen, der sich andere Fragen stellt: Wie baue ich mein Leben auf? Wie bleibe ich finanziell stabil?”
Es geht also letztendlich in „Après Ski – Ruhe da oben!” nicht um ein Ende, sondern um einen Neuanfang. Eine Message, die in Zeiten einer Pandemie durchaus willkommen ist. Letztendlich sitzen wir alle in einem metaphorischen Sessellift fest. Karners Hilflosigkeit und Isolation betrifft momentan jeden Menschen, der wegen Corona zu Hause festsitzt. Aus demselben Grund ist auch ein typischer Theaterbesuch nicht mehr möglich. Leider findet die Erstaufführung von „Après Ski – Ruhe da oben!” daher nur online statt. Die Vorstellung wird am Freitag ab 19.30 Uhr auf der Plattform eventim.ro gezeigt. Karten können ab sofort gekauft werden. Vor der Vorstellung erhalten Besucher einen Link via E-Mail, welcher die Videoübertragung freischaltet. Es klingt vermutlich besonders für ältere Theaterbesucher futuristisch und ja, es geht etwas Wesentliches verloren: die Reaktion eines Publikums in Echtzeit.
Aber, so wie Georg Karner, muss auch der Theaterbesucher ausharren und auf einen Neuanfang hoffen. Denn irgendwie kommen wir gemeinsam mit Georg Karner vom Sessellift runter. Wichtig dabei ist, was wir aus dieser Erfahrung lernen.