(Fortsetzung vom 22. Oktober 2011)
Am 16. November 1846 brachte der Siebenbürger Bote die Ankündigung des Konzertes von Liszt in Hermannstadt: „Franz Liszt, der weltberühmte Klavierheros, der in Temeschwar und Arad bereits mehrere Konzerte mit dem ungeheuersten Beifallsjubel gegeben hat, wird den 19. d. M. in Hermannstadt eintreffen und am 20. im hiesigen Redouten-Saal ein Konzert veranstalten, worauf wir alle Verehrer dieses seltenen, man möchte sagen einzigen Talentes hiermit vorläufig aufmerksam machen.“
Lange, bemerkenswerte Berichte sind in den deutschen Blättern Hermannstadts und Kronstadts über die Konzerte der jungen Pianistin Sophie Bohrer erschienen, doch nur wenige Zeilen über Franz Liszt. So schrieb man im Satellit des Siebenbürger Wochenblattes: „Zwei musikalische Koryphäen haben im Laufe der Woche die große Mehrheit der Hermannstädter in Anspruch genommen. Nämlich Franz Liszt und Sophie Bohrer. Schon einige Tage vor dem persönlichen Erscheinen Liszts, suchte sein Sekretär Jean durch die mannigfaltigsten Anstalten die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Klaviervirtuosen zu lenken. Dem Sekretär Liszts wollte es durchaus nicht einleuchten, dass gar keine Anstalten zu einem würdigen Empfange vorbereitet wurden, wie dieses in anderen Städten der Fall gewesen.“
Der Konzertbericht im Satellit des Siebenbürger Wochenblattes ließ nicht lange auf sich warten. Obzwar sich darin das Lob in Grenzen hielt, ist keinerlei Anlass bezüglich Protesten oder politischer Polemik zu entnehmen: „Das Concert fand Freitag statt und eine geraume Zeit vor dem Anfang strömte alles in den Saal, um nur einen guten Platz zum Hören und Sehen zu bekommen. In der Mitte des Saales, auf einer Erhöhung, standen 2 Pianos auf denen Liszt abwechselnd spielte. Bei seinem Eintritt in den Saal erhob sich ein ungeheures Geklatsche und man stimmte ein stürmisches Éljen und Lebehochrufen an. Eine Anzahl Magnaten, Grafen und Barons umgab den Virtuosen, und man kann ohne Übertreibung behaupten, dass die höchsten Staatsbeamten kein glänzenderes Geleite haben können. Liszts Spiel lässt mehr Staunen und Bewunderung als Zufriedenheit und Befriedigung im Zuhörer zurück. Man hat gar nicht Zeit, alles zu erfassen, denn kaum lässt er im Piano sich hören, so folgt plötzlich ein starkes Donnern, so dass alle Töne sich verwischen und das Ganze wie ein Wirrwar erscheint.“
Am 23. November 1846 ging die Reise weiter nach Klausenburg. Auf dem Weg dorthin verweilte er auch in Aiud, spielte hier anlässlich einer Feierlichkeit den Rákóczy-Marsch und wurde am nächsten Tag durch eine Delegation des Klausenburger Konservatoriums unter der Leitung des Direktors Georg Ruzitska (1789-1869) begrüßt. Liszt wird hier die Urkunde als Ehrenmitglied der Musikgesellschaft überreicht, gab vier Konzerte und hörte die berühmte Zigeunerkapelle des Laci Pócsi, deren Weisen er in einige seiner Werke eingearbeitet hat. Nachdem er am 8. Dezember ein Konzert im Gasthof von Aiud gegeben hatte, machte er auf seinem Weg nach Bukarest eine Zwischenstation auch in Hermannstadt. Hier blieb das zweite Konzert aus und auch die Kronstädter hatten das Nachsehen, wie aus einem kurzen Bericht im Satellit des Siebenbürger Wochenblattes zu lesen war: „Franz Liszt ist am 11. Dec. von Klausenburg abgereist und hat seinen Weg über Hermannstadt direct nach Bukurest genommen. Wir Kronstädter sind also durchgefallen und haben den Meister der Klavierspieler nicht zu hören bekommen.“
Ungar und Weltbürger
Liszt wurde auf seiner Konzertreise durch das Banat, Siebenbürgen und bis Bukarest von seinen drei Freunden, den Grafen Sándor Teleki, Gábor Bethlen und Guido Karácsonyi begleitet. Graf Teleki und Gábor Bethlen werden 1848 eine wichtige Rolle in der Revolution spielen, Guido Karácsonyi war ein Jugendfreund Liszts und besaß in Banlok (Banat) ein Schloss wie auch ein prächtiges Gestüt. Später wird noch Baron Ambrozy dazukommen, der unweit von Temeswar, in Remetea Mare, seine Felder und ein imposantes Landhaus besaß. Sie begleiteten Liszt auf Schritt und Tritt und trugen zum organisatorischen Gelingen dieser Konzertreise wesentlich bei. Außer in Hermannstadt. Hier waren die Spannungen zwischen den deutschen und ungarischen Schichten der Bevölkerung bereits zu spüren.
Im selben Jahr 1846 schrieb Leopold Maximilian Moltke sein Siebenbürgenlied, das später gemeinsam mit Hedwigs Musik (komponiert 1845) zur Hymne der Siebenbürger Sachsen wird. In dieser Zeit kannte man bereits in den ungarischen Kreisen Siebenbürgens die Reformbestrebungen des Barons Miklós Wesselényi, des Grafen István Szechényi und Ludwig Kossuths. Diese strebten eine Autonomie Ungarns gegenüber den Habsburgern an und wollten, dass auch die Deutschen Ungarns – also auch die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben – ihre kulturelle Identität in den Dienst dieses Gedankens stellen sollten. Nur durch die Magyarisierung der Kultur der Minderheiten könne sich das Land gegenüber der drohenden Gefahr von außen behaupten. Wesselényi behauptete in seinen Schriften, dass die ungarische Nationalität für die Sachsen nicht feindlicher, sondern schützender Natur sei. Außerdem solle man sich überlegen, statt der „ungeschlachten sächsischen Sprache“, lieber die deutsche als Muttersprache zu verwenden, „die bei uns Ungarn in hoher Achtung steht“.
So kann man auch die Reaktionen der deutschen Blätter und Kulturkreise Siebenbürgens verstehen, wenn z. B. in einem Feuilleton des Siebenbürger Boten festgestellt wurde: „Hermannstadt ist in Gefahr; das Deutschtum in Siebenbürgen ist verloren! Ein Heer zieht gegen sie zu Felde – ein Heer von Journalisten. Sie hat sich unterfangen, dem Klavier-König Liszt Ferencz seinen Hochmuth gegen die Zuhörerschaft übel zu nehmen und nicht zu gestatten, dass er auf diese mit Gewalt, wie auf die harmlosen Tastenkasten losschlage.“ Als diese Zeilen veröffentlicht wurden, befand sich Liszt bereits auf dem Weg nach Kiew und Konstantinopel. Doch vergessen hat er seinen Hermannstädter Aufenthalt keineswegs.
Das Siebenbürger Wochenblatt brachte am 24. Dezember 1846, also nach Liszts Ankunft in Bukarest, eine ironische Bemerkung bezüglich der drei ungarischen Magnaten aus dem Gefolge des Künstlers: „Franz Liszt ist am 16. Dec. in Bukarest in Begleitung von drei Siebenbürger Kavaliere, welche sich in der Gesellschaft des genialen Künstlers so gefallen, dass sie sich nicht von ihm trennen zu können scheinen, angekommen.“
Liszt war ein eifriger Anhänger der ungarischen Reformbewegung um 1848. In unzähligen schriftlichen Dokumenten bekräftigte er sein Ungarntum. Schon der Text der Ankündigung seines ersten Konzertes in Pest aus dem Jahre 1823 beginnt mit den Worten „Ich bin ein Ungar…“, obwohl seine Muttersprache Deutsch war. Durch seine französische Erziehung, die er sich in Paris angeeignet hat, ist ein Großteil seiner Briefe in französischer Sprache verfasst. Selbst während dieser letzten großen Konzertreise 1846-47 durch Ungarn wird er sich auf der Bühne in französischer Sprache beim Publikum bedanken, was einer seiner Begleiter ins Ungarische übersetzt hat. Trotz seiner jahrelangen Aufenthalte in Paris, Weimar oder Rom, wird er stets seinen ungarischen Wurzeln treu bleiben, was auch in seinen Werke zu spüren ist.
(Fortsetzung folgt am Samstag, dem 5. November 2011)