In Klausenburg interpretierte Francesco Ionaşcu (Jahrgang 1991) am vergangenen Freitagabend, dem 21. April, das Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 cis-Moll, op. 129 von Dmitri Schostakowitsch, begleitet vom Sinfonieorchester der „Transilvania“-Staatsphilharmonie unter der Leitung von Zsolt Jankó. Die Uraufführung dieses Opus durch David Oistrach am 26. September 1967 in Moskau liegt fast 40 Jahre zurück, doch kann sich nach wie vor niemand der rauen Tonsprache entziehen, welche der vom sowjetischen Regime gepeinigte Komponist in all seine Orchesterwerke verpflanzt hat. Einen Schostakowitsch ohne todtrauriges Drama, ohne heuchlerische Satire wird es im Konzertsaal niemals geben, selbst dann nicht, wenn die politische Ausrichtung seiner Sinfonien und Solokonzerte nicht interessiert, oder man gar versucht, sie zu verdrängen, die ironisch auf das Notenpapier gedruckte Schelte auf die kommunistische Partei. Wer sich an Schostakowitsch heranwagt, muss seelisch äußerst belastbar sein, da das Konzerterlebnis durch einen dunkel-pessimistischen Tunnel führt.
Für den jungen Francesco Ionaşcu, dessen Kindheitserinnerungen nicht in die Zeit des kommunistischen Regimes hineinreichen können, mochte sich die Aufführung des 2. Violinkonzerts von Dmitri Schostakowitsch als heikle Aufgabe ausnehmen. Aber selbst dem zweiten Satz, einem aus horizontalen Melodien und Begleitstrukturen bestehenden düsteren Adagio, war der junge Solist gewachsen. Er entging der Gefahr, sich in eine emotionale Sackgasse zu verirren, aus der wieder herauszufinden, fast unmöglich ist. Unendlich viel Seele muss in die Interpretation einfließen, ein Stückchen Seele aber auch zurückbehalten werden, um nach der Aufführung geistig regenerieren zu können. Aus genau dieser vorgegebenen Begrenzung gestaltete Francesco Ionaşcu etwas Großartiges, holte maximalen Ausdruck aus dem Stück heraus und hatte nach 30 Minuten nervenaufreibendem Schostakowitsch sogar noch genügend Feinmotorik in Fingern und Armen übrig, um den „Csárdás“ von Vittorio Monti zur eigenen und allgemeinen Erheiterung darzubieten. Sorin Gerbanovschi, Solo-Bratscher des begleitenden Orchesters, setzte sich kurzerhand an den Flügel, um Francesco Ionaşcu stilsicher und auswendig zu begleiten – eine Zugabe nach Art zweier mit Leib und Seele musizierender Kameraden.
Ebenso eindrücklich der Lebenslauf des jungen Solisten, worin Namen wie Sir Roger Norrington, Vladimir Ashkenazy, Pinchas Zukerman und Daishin Kashimoto stehen. Francesco Ionaşcu hat am Londoner Royal College of Music studiert und holt sich derzeit den letzten Schliff an keinem anderen Ort als der Gheorghe-Dima-Musikakademie Klausenburg. Wird noch der für Osteuropa typische Unterrichtsdrill hinzugerechnet, gleicht der im Programmheft abgedruckte Lebenslauf einem meisterhaften Plan zur Ausbildung leistungsstarker junger Musiker. Alles lässt sich durch unendlichen Fleiß erlernen, nur eines nicht: wie man seinen persönlichen Stil findet, auf eigenen Füßen steht, und sich seiner künstlerischen Selbstständigkeit erfreut. Letztere hat sich Francesco Ionaşcu hart, aber dauerhaft erarbeitet. Wer in jungen Jahren schon so gut spielt, dem steht der Zugang zur Weltklasse offen.
Was die Streicher des Sinfonieorchesters der „Transilvania“-Staatsphilharmonie Klausenburg erklingen lassen, braucht international ebenfalls keinen Vergleich zu scheuen. Die Aufgabe, das 2. Violinkonzert von Schostakowitsch zu eröffnen, lastet auf den Celli und Kontrabässen, die unisono ein Motiv im unangenehmen cis-Moll spielen müssen. Als Zuhörer eines Provinz-Orchesters ist man es gewohnt, am Abend im Konzert anstelle einer derartigen Passage nicht nur ein undeutliches Gemurmel von den tiefen Streichern, sondern auch ein stilles Stoßgebet zu hören, das Orchestermusiker vor technisch schwierigen Ecken gerne vorausschicken. Nicht so bei den Klausenburger Philharmonikern, die ständig darum bemüht sind, ihre Visitenkarte auf Hochglanzpapier zu drucken, qualitative Druckerschwärze zu verwenden und beim Verarbeiten nicht zu kleckern. Sechs Celli, vier Kontrabässe, aber nur ein einziger, sauberer Streicher-Sound, der auch nichts von seiner Reinheit einbüßt, sobald sieben Pulte 1. Violine, sechs Pulte 2. Violine, fünf Pulte Bratsche und weitere zwei Celli, bzw. zwei Kontrabässe hinzukommen. Weshalb ist die kompakte Einheit in Klausenburg leicht machbar, woanders aber nur schwer zu erreichen, obwohl hier wie dort Menschen den Klang erzeugen? Von allen Faktoren ist der menschliche am widerspenstigsten, mangelhaftes Benehmen und innerer Schweinehund ersticken die Qualität im Keim.
Zu Beginn des Abonnement-Konzerts bestritt das Orchester mit sichtlich großer Spielfreude die Uraufführung der 2017 entstandenen Suite aus der Ballettmusik „Tulburarea apelor“ von Cristian Bence-Muk, gegenwärtig Dozent für Formenlehre und Musikalische Analyse an der Gheorghe-Dima-Musikakademie und ehemaliger Schüler in der Kompositionsklasse von Hans Peter Türk. An dem Erfolg des zeitgenössischen Programmpunkts sowohl bei Musikern als auch Zuhörenden erkennt man die Kulturstadt Klausenburg, wo Musik nicht nur nachgeschaffen, sondern auch Neues geschrieben und dem kritischen Publikum präsentiert wird.
Auch in Sachen klassischer Orchesterliteratur möchte ein hoher Standard geknackt werden: Die d-Moll-Sinfonie von César Franck auf dem Plakat der Klausenburger „Transilvania“-Staatsphilharmonie ist auch hier Ereignis, doch allein die Tatsache, dass sie aufgeführt wird, noch keine Garantie für sicheren Erfolg. Der Klausenburger Zuhörer möchte mehr als einfach nur den romantischen Brocken hören. Der große Streicherapparat, den das Orchester aufbieten kann, war dem Stück angemessen, doch die Regie des Dirigenten, die Holzbläser dynamisch oft zurückzunehmen, keine glückliche Entscheidung. Insbesondere die Klarinetten und Fagotte hätten ein Mehr an klanglicher Freiheit gut gebrauchen können, um sich ungehemmt in die Gestaltung der Sinfonie einbringen zu können. Offensichtlich schien Zsolt Jankó den Holzbläsern nicht zu gestatten, statt pianissimo ein einfaches piano zu spielen, absolutes Befolgen des in der Partitur Notierten war unter seinem Dirigat striktes Gebot.
Ein starres Prinzip, welches Altmeister Petre Sbârcea all seinen Schülern, zu denen auch Zsolt Jankó zählt, mit auf den Weg gab. Die d-Moll-Sinfonie von César Franck ging technisch und intonatorisch wie eine Eins über die Bühne, die Blechbläser taten stolz ihr Übriges, aber dem großen Opus fehlte das packende Element, was einen genau hinhören macht. Für die Holzblasinstrumente gibt es eine dynamische Schwelle, unterhalb derer man technisch noch sehr leise spielen kann, dafür aber auf den Ausdruck verzichten muss. Und der musste zwangsläufig zu kurz kommen. Ungerecht zu behaupten, dass ausgerechnet das Sinfonieorchester der „Transilvania“-Staatsphilharmonie Klausenburg nicht fähig ist, ein wahres Feuerwerk aus der d-Moll-Sinfonie von César Franck schießen zu lassen. Ein Zuviel an gut gemeinter Vorsicht vonseiten des Dirigenten, und schon mag sich der „Aha“-Effekt im Konzert nicht einstellen.