Levente Rostás, ein ungarischer Schriftsteller in der Midlifecrisis, weilt auf einer Kur in Harkány, wo er sein kaputtes Kreuz kurieren soll. Doch sein Ego ist genauso angeknackst wie sein Rücken. Die unerfüllte Liebe zu Piroska, die ihn über Jahre phasenweise liebt, manchmal sogar das Bett oder die Badewanne mit ihm teilt, und ihn dann doch endgültig versetzt, wird in Szilárd Rubins „Eine beinahe alltägliche Geschichte“ zum Thema eines kleinen, aber feinen Romans.
Die Budapester Künstlerzirkel waren Leventes Milieu in Erfolgszeiten, Piroska seine große Liebe, doch die Liaison ein Desaster. Er langweilt sich auf dieser Kur aber nun so, dass er nur noch mehr an die verflossene Geliebte denkt. Dabei haben ihm seine Freunde diese Auszeit zur Ablenkung eingebrockt. Doch der Kuraufenthalt wird zur Dauerreminiszenz an die fatale Liebe zur flatterhaften Frau, die keinen Bestand hat, über die er nicht hinwegkommt, die Geliebte freilich sehr wohl.
Der wiederentdeckte ungarische Autor Szilárd Rubin (1927-2010) schildert die Szenen dieser einseitigen Liebe seiner beiden Hauptakteure, die vieles sind, nur keine Helden, als melancholische Miniaturen einer unerfüllten Leidenschaft zwischen Budapest, Karlsbad und Mogoşoia. Der Schriftsteller, der viele Frauen hätte haben können, kapriziert sich auf seine aussichtslose Amour fou zu dieser Piroska. Doch diese befriedigt ihn nach einer anfänglichen Verliebtheit gelegentlich höchstens noch zum Zeitvertreib auf der Durchreise, während sie für ihn die große wie unerreichte ewig Begehrte bleibt, die ihn am Schluss sogar noch zu ihrer Hochzeit mit einer Zufallsbekanntschaft einlädt.
Levente liebt und leidet sich in die Depression hinein. Er denkt an Reisen mit der Geliebten und den Freunden nach Siebenbürgen und Kronstadt, aber auch nach Snagov und Mogo{oaia „in der unermesslichen Stille der Walachei“ zurück und an seine erste Kur im mondänen böhmischen Karlsbad. Alles Erlebte bezieht er auf die Stimmungslagen seiner Beziehung zu Piroska. Szilárd Rubin spannt diese Erzählung amourösen Scheiterns augenzwinkernd fast wie eine Tragikomödie aus. Dazu serviert er immer wieder absurde Szenen, etwa wenn sich Piroska mitten im Liebesakt nach seiner Schuppenflechte erkundigt.
Der bei Rowohlt erschienene Roman ist durchaus lesenswert, auch wenn Szilárd Rubins Sprache und Dramaturgie nicht an die Dramatik der Gefühlswelt und die Tiefe bei den Dialogen und Szenen zwischen den Liebenden oder den Hauptakteuren in den Werken seines ebenfalls wiederentdeckten ungarischen Zeitgenossen Sándor Márai (1900-1989) heranreichen.
Die Figuren bleiben in mancher Hinsicht zu blass, um den Vergleich mit Márai zu bestehen, auch wenn die deutsche Kritik Rubin überschwänglich gefeiert hat. Von Piroska etwa erfährt der Leser zu wenig Persönliches, außer dass sie geschieden ist und in einer Zahnarztpraxis arbeitet, Kakteen züchtet und Bücher über Porzellan sammelt. Der Roman lebt vor allem von der Darstellung des alternden Schriftstellers und den Seitensträngen der Erzählung.
Szilárd Rubin: „Eine beinahe alltägliche Geschichte“ (Roman), Rowohlt Taschenbuch Verlag/rororo: Reinbek beim Hamburg 2012, 160 Seiten, ISBN 978-3-499-25543-4