Bereits als junger Nachwuchswissenschaftler fand der bundesdeutsche Wirtschafts- und Sozialgeograph sudetendeutscher Herkunft Wilfried Heller Anfang der 1970er Jahre ein besonderes Interesse an Rumänien, das ihn sein gesamtes späteres wissenschaftliches Leben begleiten sollte. Dass er dabei auch eine „Zielperson“ der Securitate wurde, wie er in seinem 2014 erschienenen, akribisch recherchierten und sehr sachlich analysierenden Buch zeigte („Von `Horia` zu ´Hans´. Irrungen und Wirrungen der Securitate Rumäniens im Spiegel zweier Akten”, Schiller Verlag, Hermannstadt-Bonn, 2014), blieb dabei nicht aus.
Wichtiger erscheint heute, dass dieses nachhaltige Interesse an Rumänien zu einer Vielzahl von Forschungsvorhaben, Forschungen mit Kollegen vor Ort und Veröffentlichungen führte, die Heller als einen der bekanntesten deutschen wirtschafts- und sozialgeographischen Kenner Rumäniens ausweisen. Mit dem hier vorliegenden, reichlich bebilderten Band wird dies im wörtlichen Sinne anschaulich unterstrichen.
Die über mehrere Jahrzehnte der sozialistischen wie auch der postsozialistischen Zeit reichenden 738 Bildaufnahmen beziehen sich auf weitläufige Landschaften und Ortschaften, auf historische Städte, auf repräsentative und monumentale Gebäude, auf Denkmäler, auf Kirchen und Klöster wie auch auf Dörfer und ländliche Gassen, auf alltägliche Arbeits- und Lebenswelten der Menschen, auf Feste und Trachten und nicht zuletzt auf Angehörige ethnischer Minderheiten und ihre spezifische Kultur. Die Textpassagen des Buches sind gegenüber dem reichlichen Bildmaterial eher knapp gehalten, aber fachlich gründlich und präzise in den Angaben und entsprechend informativ.
Klug durchdacht erscheint die historischen Räumen folgende geographische Gliederung des Bandes, durch die gewisse Gemeinsamkeiten wie gleichermaßen auch naturräumliche und kulturelle Unterschiede und Besonderheiten der einzelnen Regionen Rumäniens, wie auch die Spuren der einzelnen ethnischen Bevölkerungsgruppen, nicht zuletzt die der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen, deutlich erkennbar werden. Die Betrachtungen und photographisch festgehaltenen Motive und Impressionen beginnen mit der Großregion Siebenbürgen und mit dem Banat. Es folgen das Kreischgebiet/}ara Cri{urilor im extremen Westen Siebenbürgens, an der ungarischen Grenze, und Sathmar und Maramuresch im Nordwesten und Norden Rumäniens. Gesondert betrachtet werden die Südbukowina, neben der Moldau, und ebenso die große und kleine Walachei wie auch die Dobrudscha und das Donaudelta.
Im Teil über Siebenbürgen, dem Land der „Sieben Stühle“, begegnen uns die eindrucksvollen Karpaten, Menschen in ihrem Festtagskleidern und Trachten, Straßen- und Angerdörfer, Wehrkirchen, Angehörige einzelner ethnischer Gruppen, Zeugnisse historischen Wirtschaftens und der Zünfte und nicht zuletzt bekannte und weniger bekannte Impressionen der wichtigsten alten siebenbürgischen Städte Klausenburg/Cluj-Napoca, Hermannstadt/Sibiu und Kronstadt/Brașov, ebenso ländliche Eindrücke der Almwirtschaft und touristischer Sehenswürdigkeiten. Begleitet wird dies – wie auch in den anderen Teilen des Buches – von jeweils sachkundigen demographischen, kultur-, sozial- und wirtschaftsgeographischen sowie landeskundlichen Informationen.
Die Darstellung des Banats beginnt mit Angaben zum Namen wie auch den naturräumlichen Gegebenheiten und Ressourcen und zur „bewegten Geschichte“ dieser Region. Wir begegnen dem Wallfahrtsort Maria Radna, bekommen die Eindrücke einzelner Dörfer wie Lenauheim, Guttenbrunn und Rekasch sowie der Ortschaften im Banater Bergland Franzdorf/Văliug und Wolfsberg/Gărâna vermittelt. Ebenso werden uns bekannte Gebäude und Straßenzüge der Städte Temeswar/Timișoara und Arad wie auch Impressionen aus der Industriestadt Reschitza und manches mehr vorgestellt.
Die Photographien aus der Landeshauptstadt Bukarest ragen zum Teil auffällig urban und modern hervor, heben sich ab. Die aus anderen Landesteilen, wie der Maramuresch, der Moldau mit den Klöstern, der Südbukowina, der kleinen Walachei oder der Dobrudscha und dem Donaudelta, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann, wirken indes zum Teil archaisch und zugleich pittoresk, eben wie aus „verlorenen Zeiten“.
Mit seinem scharfsinnigen und fachlich vielseitig geschulten Blick gelingt es dem Verfasser, das Typische und Ausdrückliche der einzelnen Gegenden und ihrer Menschen wie aus der sozialistischen und postsozialistischen Sozialwirklichkeit und gleichermaßen das besonders Zeitspezifische zu erfassen bzw. in dem ausgewählten, übrigens sehr gut aufbereiteten Bildmaterial, anschaulich werden zu lassen. So prägt sich die nahezu magische Schönheit und Vielfalt, aber auch die Widersprüchlichkeit, Armut und Weltverlorenheit Rumäniens durch den distanzierten und trotzdem warmen Blick bzw. die Photographien und Kommentare eines fremden Freundes und wissenschaftlichen Kenners und Verstehers des Landes eindrucksvoll in unsere Erinnerung.