Eine sprunghafte, komplizierte Handlung vertonte Verdi in seinem Meisterwerk „Il trovatore“ („Der Troubadour“): In dem rohen, mitleidlosen Text geht es um eine Zigeunerin, die aus Versehen nicht den Sohn des missliebigen Landesherrn, sondern das eigene Kind in die Flammen wirft – die Grenzen zwischen Realität, Erinnerung, Wahnvorstellung und Obsession sind fließend, böse Vorahnungen, überwältigende Gefühle und schicksalhafte Ereignisse wachsen zu einer unruhigen, düsteren Oper zusammen.
Die Seele der zum Feuertod verurteilten Mutter von Azucena ist wie ein Spuk im gesamten Werk präsent und verfolgt in Form von chromatisch-bedrohlichen Orchesterphrasen und dissonanten Akkorden die Figuren auf der Bühne. Das Feuer steht als Leitmotiv im Zentrum des Geschehens: Nicht nur der Scheiterhaufen und die grauenerregende Menschenasche, sondern genauso die Glut der Liebe, des Hasses, der Rache, der Eifersucht, und schließlich das Feuer der Hölle ziehen sich wie ein roter Faden durch die Oper.
Zu Beginn erzählt Hauptmann Ferrando seinen Soldaten von dem Feuertod der alten Zigeunerin; in Biscaya versammelt sich die Zigeunerbande ums Feuer und singt den berühmten Chor „Le fosche notturne spoglie“; Azucena ist besessen von dem Tod ihrer Mutter und beklagt immer wieder deren Leid in den Flammen („Stride la vampa“); auch ihr vermeintlicher Sohn Manrico spürt „das Feuer dieses Scheiterhaufens“ in seinem Innern. Graf Luna, Manricos ärgster Gegner, fühlt sich von „entsetzlicher Glut“ und „rasenden Furien“ verzehrt. Allein Leonora hebt sich von den anderen durch ihre Zartheit und Eleganz ab – doch auch sie empfindet für den Troubadour brennende „Liebe, die den Tod überwindet“. Zum Schluss nimmt sie Gift und singt von dem Brand, der ihre Brust verschlingt.
Viel musikalisches Feuer und glühende Lebensenergie jenseits von stimmlichem Leistungssport erzeugte auf der Bühne das Ensemble der Oper in Kronstadt/Braşov in der „Troubadour“-Aufführung vom 21. März. Ein exzellentes Solisten-Quartett – Sänger mit Bühnenerfahrung, glanzvollem Gesang und gründlicher Kenntnis der italienischen Opernfeinheiten – führte schwungvoll-leidenschaftlich durch den Abend.
Der junge Gasttenor Cristian Bălăşescu von der Nationaloper Temeswar/Timişoara erbrachte als Manrico eine bezaubernd lyrische Spitzenleistung, ohne sich auch nur einmal sichtbar anzustrengen. Seine kriegerische Interpretation von „Di quella pira l’orrendo fuoco“ war beeindruckend. Adrian Mărcan hatte sich beim Publikum im Voraus für seine Indisponiertheit entschuldigen lassen, von der man allerdings nichts merkte – im Gegenteil: Der Bariton steht auf dem Höhepunkt seiner stimmlichen und schauspielerischen Qualitäten und gab auch an diesem Abend einen wütenden und stolzen Graf Luna.
Die Partie der Azucena – eine geliebte und gefürchtete, auf allen Ebenen anspruchsvolle Feuerprobe für jeden Mezzosopran – wurde überzeugend von Carmen Topciu dargeboten. Sie dominierte zu Recht das Geschehen und wechselte problemlos zwischen schauderhaften Bildern („Condotta ell’era in ceppi“) und reinster Mutterliebe, zwischen samtigen Pianissimi, fleischigen, reifen Mezzo-Klängen und einwandfreien Höchsttönen. Ebenbürtig war ihr Leonora, gesungen von der Sopranistin Cristina Radu, die erst sehr kurzfristig für eine erkrankte Kollegin einspringen musste. Leonora ist technisch und schauspielerisch wie für Cristina Radu geschrieben – das Publikum verfolgte von der ersten bis zur letzten Note wie gebannt die Figur in allen ihren Gefühlsaufwallungen. Dies gelang der Sängerin unter anderem dank der Aufmerksamkeit, die sie dem Text schenkt: Sie schafft es, mit einer liedähnlichen, makellosen Aussprache den Fokus weg von dem reinen Belcanto hin zum intensiven Seelenleben Leonoras zu lenken. Mit Sonia Hazarian und Marian Reste waren auch die Partien Ines bzw. Ferrando passend besetzt.
Am Pult begleitete Giuseppe Carannante die Sänger in einem italienisch-verspielten Verdi-Dirigierstil, was für das Publikum eine Kostprobe von Musikalität war, von den Solisten aber vor allem in den langsamen Arien viel Flexibilität und verlässliche Atemtechnik forderte. Das kleine Orchester der Kronstädter Oper meisterte diesmal bewundernswert die Balance zwischen großzügiger Verdi-Sinfonik und kammermusikalischer Klarheit.
Klassisch-minimalistisch (und höchstwahrscheinlich mit reduzierten Mitteln) setzte Regisseurin Anda Tăbăcaru-Hogea die Handlung um, sodass die Figuren genug Raum für ihre psychologische Entwicklung bekamen und die verworrene Handlung verständlicher wurde. An manchen Stellen hätte man sich mehr Dynamik gewünscht: Schließlich beginnt die Oper mit den Worten „All‘erta, all‘erta“ (in der deutschen Fassung des Librettos „Nur munter! Nur munter!“) und sollte dies schon in der ersten Szene ausstrahlen. Sehr gelungen – bildlich wie musikalisch – waren die Klosterszene („Ah! Se l’error t’incombra“) in blendendem Weiß und das tragische Finale vor dem überdimensionierten Gefängnistor, das die Menschen vor ihrem Schicksal noch machtloser erscheinen ließ. Ein hervorragender Opernabend.