Die bekannte, aus Siebenbürgen stammende Autorin Dagmar Dusil hat im November letzten Jahres ihren neuesten Prosaband „Wie die Jahre verletzen“ im Johannis Reeg Verlag in Bamberg veröffentlicht. Im ersten Teil des Buches schildert sie vorwiegend aus der Perspektive eines Kindes – sie ist selbst 1948 in Hermannstadt/Sibiu geboren und aufgewachsen, hat mithin dort die prägendsten Jahre, die Kindheit, verbracht – die gerade für die deutschstämmigen Sachsen schwere Zeit während und nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Siebenbürgen.
Das Kind übernimmt die Ängste der Erwachsenen, geboren aus dem Erleben der Kriegs- und Nachkriegszeit, dem Umbruch hin zu einer neuen Gesellschaftsordnung, die für die Menschen jener Zeitperiode neben Deportation, Gefangenschaft und Zwangsarbeit auch Enteignung bedeutete, und erlebt und verarbeitet diese Angst, wie es eben nur Kinder tun. So bekommen die Wände in „Verstrickungen“ Ohren: „Sie stellte sich Wände aus Schweineohren vor, aus Kuhohren und langen Hasenohren. Renate dachte, dass die Hasenohren außerordentlich wertvoll sein müssten, weil sie besonders viel hören konnten. Sie blickte oft die Wände an und begann sich in der Nacht zu fürchten.“
Das Zentrum des Buches, die zehnte von insgesamt achtzehn Erzählungen, stellt „Bilder einer Kindheit“ dar. Sie fungiert als Bindeglied zwischen den Beschreibungen Dusils aus der „alten“ Heimat Siebenbürgen und der „neuen“ Heimat Deutschland, in die zu gelangen der alles bestimmende Wunsch des Siebenbürger Sachsen nach den erlittenen Repressalien zu sein scheint: „Viktoronkel sagt, oben sei so etwas kein Problem. Mit oben meint er Deutschland, das kaum einer Deutschland nennt, sie sagen oben, oder man fährt hinauf, ins Reich.“
Dagmar Dusil zeigt im zweiten Teil des Buches auf, dass Wunschtraum und Realität sehr gegensätzlich sein können und die Wurzeln der Vergangenheit mitunter tief wurzeln, auch über Landesgrenzen hinweg. So werden die Protagonisten von ihrer eigenen Lebensgeschichte eingeholt, beziehungsweise ist es ihnen unmöglich, mit dieser, nach ihrer Ausreise „nach oben“, abzuschließen. Doch Dagmar Dusil erbarmt sich des Lesers – und es muss sich dabei nicht unbedingt um einen Siebenbürger Sachsen handeln – und weist ihm in der letzten Erzählung „Waterloo“ einen Weg, den eigenen Seelenfrieden zu finden: Bleib ich mir selbst treu und gehe den Weg, der mir der richtige erscheint, dann werde ich, ebenso wie die Englischlehrerin aus eben jener Kurzgeschichte, „... feel like I win when I lose.”
Das Vorwort zu „Wie die Jahre verletzen” stammt von der bekannten, in den Vereinigten Staaten lebenden rumänischen Dichterin Ioana Ieronim.
Dagmar Dusil: „Wie die Jahre verletzen. Prosatexte“, Johannes Reeg Verlag, Bamberg 2012, 136 S.