Noch von Gerüsten verborgen, wird sich das „Franz Marschall“-Palais in Kürze in seiner vollen Pracht zeigen. Das historische Gebäude an der Tudor-Vladimirescu-Uferstraße Nr. 12, App. 3, in unmittelbarer Nähe der Temeswarer Innenstadt, durchläuft derzeit eine Sanierung. Im Erdgeschoss wurde jedoch im vergangenen Jahr ein großzügiger Raum für Kunst geschaffen. Die „Mmmerit Gallery“ wurde kurz vor dem Ende des Kulturhauptstadtjahres eingeweiht und wartet derzeit darauf, entdeckt zu werden.
Die erste Ausstellung mit dem Titel „Colour Me Intrigued“ wurde Mitte November in der neuen Galerie eröffnet. Über 200 Menschen besuchten die Vernissage und erkundeten die internationale Kunstausstellung, die Neugierde wecken, zum Nachdenken anregen und den Dialog durch ein Kaleidoskop leuchtender Farben und unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen inspirieren sollte. Elf Künstler aus dem In- und Ausland präsentierten ihre Werke, darunter kräftige und lebhafte Farben, subtile Zeichnungen, nuancierte Arrangements und interaktive Elemente, die die Ausstellung in eine visuelle Symphonie für alle Sinne verwandelten (die ADZ berichtete). Der Raum wird nun für eine zweite Ausstellung vorbereitet. Mitte Mai wird der US-amerikanische Fotograf Daniel Murtagh, derzeit wohnhaft in Berlin, seine Werke dort präsentieren.
„Die Mmmerit Gallery ist nicht einfach nur eine weitere Kunstgalerie. Unser Ziel ist es, uns über traditionelle Kategorisierungen hinwegzusetzen und ein inklusives Konzept zu verfolgen, das die fesselnde, ansprechende und herausfordernde Natur der Kunst feiert, die Verbindung zwischen Kunst und Betrachter vertieft und zur Wahrnehmung der eigenen Emotionen anregt“, sagt die Mitbegründerin der Galerie, Julia Micko (32). Die Deutsche hat Temeswar zu ihrer Wahlheimat erkoren. Sie kommt aus dem Raum Baden-Württemberg und machte den Übergang von einem Notarbüro in London, wo sie vier Jahre lebte, zur Galeriekustodin in Temeswar. Seit knapp drei Jahren wohnt Julia Micko in der Bega-Stadt zusammen mit ihrem Partner, dem rumänischen Künstler Adrian Mălăieț.
Temeswar – ein neues Zuhause
„Schnell und ungeplant“ – so kam der Umzug nach Rumänien für das Paar. „Im Februar 2021 sind wir hierher gezogen. Wir wollten irgendwann nach Temeswar ziehen, das war geplant, aber dann kam die Pandemie und in London der Lockdown. Dadurch habe ich meinen Job verloren, weil das Büro, in dem ich arbeitete, komplett geschlossen wurde. So kam es schneller dazu als vorgesehen“, erinnert sich Julia Micko zurück. Die gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte hat einen sehr theoretischen Hintergrund, sehr am Buch, am Wort des Gesetzes entlang. Durch Adrian Mălăieț kam sie in die Kunstszene.
„Ich hatte vorher mit Kunst nicht wirklich viel zu tun. Ich hab zwar hobbymäßig immer mal gezeichnet, gemalt, aber nichts Spezifisches. Und da er Künstler ist, habe ich dann so den Einstieg gefunden und mehr über Kunst gelernt. Ich habe ihn dann in seiner Karriere immer mehr unterstützt. So wurde mir auch schnell klar, wie schwierig es ist, auf dem Markt als Künstler etwas zu erreichen. Und generell die Haltung der Galerien, vor allem der großen Galerien, ist immer so ein bisschen unnahbar. Wenn ein Künstler nicht schon bekannt ist, wenn man nicht bereits die richtigen Leute kennt, nicht die richtigen Verbindungen hat, dann kommt man einfach nicht rein. Und die, die dann übrig bleiben, sind fast immer diese Vanity Galleries, wo man dann 500, 600, 700 Euro oder auch mehr für einen Wandplatz zahlt, aber eigentlich nicht wirklich was davon hat. Das hat mich über die Jahre sehr frustriert“, erzählt Julia Micko.
Aus dem Frust wurde Motivation: „Es wäre doch schön, wenn wir das vielleicht ändern könnten. So kam die Idee, wir wollen eine Galerie von Künstlern für Künstler sein“. Als neue Temeswarer war das Kulturhauptstadtjahr ein weiterer Anstoß für das Paar. Gleich drei Kräfte haben sich dann dabei zusammengetan – Julia Micko, Adrian Mălăieț und die Künstlerin Malvina-Carola Liuba. Sie sind die drei „M“ im Namen der Galerie.
Künstler für Künstler
Kunstschaffende sollen hier unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Erfahrung oder ihrem Studienstatus einen Platz finden, solange ihre Kunst aussagekräftig ist. Das bleibt der Grundgedanke hinter ihrem Konzept. „Diesen Bruch zwischen Künstler und Galerie zu überbrücken. Wir versuchen eben das, was uns selber vorher nicht gefallen hat, jetzt besser zu machen“, sagt die deutsche Galeriemitbegründerin.
In knapp einem Jahr wurde der Kunstraum eingerichtet. Dass die Einweihung kurz vor dem Ende des Kulturhauptstadtjahres stattfinden sollte, war für die drei Mitbegründer selbstverständlich. Mitte November war es dann soweit. Was eigentlich eine Fünf-Künstler-Expo sein sollte, wurde zu einer Elf-Künstler-Ausstellung, denn „nachdem andere Künstler gehört haben, was wir da machen wollen, hat sich alles lawienenartig entwickelt. Und auf einmal hatten wir ganz viele Anfragen von Künstlern aus Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland u. a., die teilnehmen wollten“, erzählt Micko. „Colour Me Intrigued“ zeigte ein breites Spektrum an Kunstwerken, das von Gemälden, Skulpturen, Installationen und Videokunst bis hin zu einer Selfie-Ecke reichte und für einen ganzen Monat den Besuchern ein dynamisches und spannendes Erlebnis bot.
Das Feedback war positiv. Das Statement steht: Es besteht Nachfrage. „Wir wollen wirklich ein Anlaufpunkt für alle sein, so dass sich jeder inkludiert fühlen kann. Du kannst hier sehen und gesehen werden. Und ich denke, da haben wir jetzt genau den richtigen Moment erfasst“, sagt die Galerieinhaberin. Das Kulturhauptstadtjahr hat bloß eine Tür geöffnet, sagt sie. „Ich hatte einfach das Gefühl, jetzt ist die Zeit, wo der Durchbruch für Kunst hier in Temeswar so richtig ins Rollen kommt. In Temeswar gibt es jetzt immer mehr auch kleinere Ausstellungen, auch unbekanntere Künstler, die immer mal wieder hier und da auch mit Pop-Ups und ähnlichem auftauchen. Und ich denke, dass wir da mit unserer Galerie den Puls der Zeit treffen. Das einfach nochmal zu zeigen, auch den Leuten hier in der Gegend, ob Kunst interessiert oder Künstler“, schließt Julia Micko.
Dieser neue großzügige Raum in unmittelbarer Nähe des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar soll in Zukunft auch ein Ort für Treffen, Workshops, Debatten usw. sein. Am 17. Mai steht die Eröffnung einer neuen Ausstellung „Anima“ an. Fotografien von Daniel Murtagh sollen gemeinsam mit seiner Poesie und seiner Musik ausgestellt werden und damit seine Kunst auf ganz neue Art und Weise zum Leben erwecken.