Pour out your power and love as we sing holy, holy, holy... Mit diesen Versen im Gedanken und der passenden Musik dazu ging mein Samstag am späten Abend zu Ende. Ein großes Durcheinander herrschte in meinem Kopf und irgendwie konnte ich mich nur an die Melodie von zwei Songs, die ich an dem Tag gelernt hatte, erinnern. „Experiment gelungen, Patient gestorben“, besagt eine Redensart. Ganz anders war das bei dem Experiment „Timişoara Gospel Project“, das am 22. Oktober in Temeswar über die Bühne ging.
Denn der Patient war nicht nur heil und bei Kräften, sondern bewies auch, dass er das Unmögliche schaffen kann. Nämlich in nur einigen Stunden mehr als 10 Songs zu lernen und sie in Form eines öffentlichen Konzerts darzubieten. Der „Patient“ war am Samstag eine Gruppe von mehr als 60 Menschen, die bei dem Experiment „Timişoara Gospel Project“ mitmachten.
Sieben Stunden, 60 Menschen, eine Band und ein beherzter Dirigent: Das war der Schlüssel zum Erfolg. Initiator des Experiments war Dominic Samuel Fritz, der speziell aus Deutschland angereist war, um spontan und bereits zum zweiten Mal dieses Jahr einen Chor auf die Beine zu stellen.
Und weil die Proben nur an einem Tag stattfanden, konnten diesmal auch Leute mitmachen, die des Öftern im Publikum gesessen waren, als das „Timi{oara Gospel Project“-Konzert, immer im Sommer, eine der Temeswarer Kirchen mit Gospel-Musik füllte. Auch für die Presse war es eine Herausforderung, sich mal das Projekt von innen anzuschauen.
So menschenvoll war die Mansarde der Theresienbastei um 11 Uhr, dass zusätzliche Bänke gebracht werden mussten, damit alle Choristen einen Sitzplatz hatten. Die Proben standen vor Startschuss. Ich hatte mich seelisch auf einen Marathon von Gospel-Songs vorbereitet. Sopran, Alt, Tenor – jeder sollte sich zu der Gruppe gesellen, von der er dachte, dass er dazugehört.
Da ich das Gefühl hatte, nicht hoch singen zu können, setzte ich mich zu den Altistinnen. Es war eine gute Wahl, doch so leicht, wie es ursprünglich schien, war es schließlich doch nicht. Aus Unwissen hatte ich mich an die Grenze zwischen Bass und Alt gesetzt – ein grober Fehler für eine Anfängerin in Sachen Singen. Das führte dazu, dass ich mich ab und zu von den anderen beeinflussen ließ und so richtig daneben sang. Doch das sollte letztendlich auch nicht mehr so wichtig sein. „Ihr müsst einfach Spaß haben“, hatte uns Dominic Samuel Fritz ermuntert. Diese Worte nahm ich mir auch zu Herzen. Meine Stimme konnte ich kaum hören, doch in dem Sturm von Tönen ließ ich mich einfach von der Melodie hinreißen und sang mit.
Mehr als zehn Songs lernten wir an dem Tag. Geduldig sang sie uns Dominik vor und lehrte uns, wie wir sie auf Stimmen zu singen haben. Es waren so viele Lieder, dass ich schließlich das Gefühl hatte, keines mehr richtig zu können. Zum Glück ist man aber nicht allein in einem Chor. Wenn sich einer an die Melodie nicht mehr erinnert, gibt es ganz bestimmt mehrere, die das Lied singen können. Man schwimmt halt mit dem Strom mit.
Der Höhepunkt des Abends war das Konzert. Unser Konzert. Ein Konzert, vor dem man als Chorist den Eindruck hat, sich an nichts mehr erinnern zu können. „Spaß haben“, hatte Dominic gesagt. „Einfach Spaß haben“, wiederholte ich in Gedanken die Worte des Dirigenten. Mit leichtem Lampenfieber schwamm ich mit dem Strom auf die Bühne, vor das Publikum, in dem Familie und Freunde saßen. Und es klang gar nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte. Ganz im Gegenteil: Es glich fast einem Wunder, dass Songs, die innerhalb von nur sieben Stunden gelernt wurden, so klangen, als hätten die Choristen tagelang geprobt. Es klang fast professionell.
Noch einmal bewies Dominic Samuel Fritz, dass nichts unmöglich ist. Hauptsache, man glaubt ganz fest daran.