Dieses Jahr feiern Deutschland und Rumänien ihren 30-jährigen Freundschaftsvertrag – Ein offizielles Dokument, das den Wunsch nach Vertiefung des partnerschaftlichen und freundschaftlichen Austausches miteinander bekräftigt. Doch auch einzelne Menschen aus Rumänien und Deutschland begegnen sich immer öfter: 2018 war Rumänien zum ersten Mal das Herkunftsland mit der größten Anzahl von Zuwandernden nach Deutschland. Schon seit Jahrhunderten miteinander verbunden, z. B. durch kulturelle Minderheiten in beiden Ländern und spätestens seit seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union, stehen sich Rumänen und Deutsche einander näher denn je. Dies gibt Anlass und Motivation, die persönlichen Per-spektiven dieser Verbundenheit und wechselseitigen Migrationsgeschichte ins Zentrum zu stellen.
Das Bukarester Goethe-Institut hat durch die Fotoausstellung „NOI 2/ WIR 2 - Deutsch-rumänische Duos im Porträt“, 30 Duos aus Deutschland und Rumänien, die diese bilaterale Freundschaft mit Leben füllen, anhand von journalistisch-narrativen Texten und künstlerischen Fotografien porträtiert. Diese konnte vom 23. Juni bis zum 21. Juli in der Bukarester 2/3 Galeria besucht werden und soll diesen September auch im Rumänischen Kulturinstitut Berlin gastieren.
Jeweils eine Person aus Rumänien und eine aus Deutschland bilden ein Duo. Vielseitig, oft ungewöhnlich, im Berufs-, Freizeit-, oder Privatleben: Ihre diversen Geschichten spiegeln wider, was diese Verbundenheit tagtäglich bedeutet und wie sie sich auf das reale Leben und die Identität der Einzelnen auswirkt. Dokumentiert von zwei Fotografen, Patricia Moroșan und Adi Tudose, und fünf Autorinnen aus Deutschland und Rumänien, Diana Meseșan, Venera Dimulescu, Manuela Klenke, Anne Reinert und Ioana Casapu, erzählen die Duos auf unterschiedliche Weise vom gemeinsamen Glück, aber auch von Herausforderungen, prägenden Zufällen und aktiver Zusammenarbeit, abseits stereotyper Darstellungen von Migrationsgeschichten.
„NOI 2/WIR 2 – Deutsch-rumänische Duos im Porträt“ ist ein am Goethe-Institut Bukarest entstandenes und vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland finanziertes Projekt und wurde in Zusammenarbeit mit den Deutschen Kulturgesellschaften in Hermannstadt/Sibiu, Klausenburg/Cluj-Napoca und Temeswar/Timișoara sowie dem Rumänischen Kulturinstitut Berlin, mit Unterstützung der 2/3 Galeria und des Astra Museums ins Leben gerufen.
Ein Professorenehepaar stellt sich vor
Zwei der deutsch-rumänischen Duos waren bei der Ausstellungseröffnung in Bukarest anwesend: zwei befreundete Teenager, die sich seit ein paar Monaten ihre Erfahrungen und Lebensgeschichten gegenseitig erzählen, und das Germanisten-Ehepaar Ioana Crăciun-Fischer und Markus Fischer. Die Fotosession, welche das Professorenehepaar in ein „Exponat“ der Ausstellung verwandeln sollte, hat einen halben Tag gedauert. Der Fotograf Adi Tudose war mit keinem der Fotos zufrieden und ganz am Ende, als das Ehepaar zermürbt und müde war und und nicht mehr weitermachen wollte, sagte der Fotograf: „Das ist das Foto, das ich von Ihnen haben wollte!“ „Bei der totalen Erschöpfung!“ – lachte Prof. Fischer. Kennengelernt hatten sie sich 1985 vor der Universitätsmensa in Tübingen, wo sie ihre Promotionsarbeit unter der Leitung desselben Doktorvaters schrieben. Nach zwei Jahren heirateten sie und fünf Jahre später sind sie zusammen nach Rumänien gekommen. Sein Berufsleben führte Markus Fischer über den Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD nach Rumänien, dann an die Universität Kairo in Ägypten, und wieder zurück nach Heidelberg. Ioana Crăciun-Fischer kam über Stipendien nach Deutschland, zu germanistischen Symposien nach Kairo und schließlich zu ihrer Stelle an der Universität Bukarest. Seit 2008 wohnt das Paar in Bukarest. Hier schreiben und übersetzen sie Bücher und unterrichten an der Fremdsprachenfakultät. Nach einem lebenslangen Hin und Her haben sie zusammen in Bukarest Wurzeln geschlagen.
Ioana Crăciun-Fischer nennt ihre Erfahrung eine Odyssee und betont, dass sie als deutsch-rumänisches Duo auf zwei Kontinenten gelebt und manch-mal sogar zwischen diesen gependelt sind. Außerdem gehören sie unterschiedlichen Konfessionen an.
Ihre Beziehung ist zweifelslos eine Erfolgsgeschichte. Es ist kein Wunder, dass sie für dieses Projekt angesprochen wurden. Markus Fischer bestätigt: „Wenn man Erfolg dadurch definiert, dass man gemeinsam etwas realisiert, dann haben wir Erfolg. Wenn man das tun kann, was man möchte, ist das schon Erfolg genug.“
Ob es nicht schwierig gewesen sei, eine eine Ehe als Fernbeziehung aufrecht zu erhalten?
Ioana Crăciun-Fischer meint hierzu, sie wisse nicht, ob es so etwas wie eine erfolgreiche Ehe gebe. „Eine Ehe ist harmonisch, zufriedenstellend, schön. Die Ehe besteht, oder sie besteht nicht, sie überlebt oder sie überlebt nicht. Erfolgreich kann eine Arbeit, eine Anstrengung sein, aber nicht eine Ehe“, stellte sie klar. „Diese erfordert jedoch Arbeit. Arbeit an einer gemeinsamen Idee, aber auch an sich selbst.“
„Ehe ist Ordnung“, zitiert Markus Fischer dann den deutschen Schriftsteller Theo-dor Fontane. „Wobei die Ordnung sowohl weiblich als auch männlich ist“, stimmte Ioana Crăciun-Fischer zu. Zum Schluss verriet sie das Geheimnis des Bestands ihrer Ehe: alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen.
Die meisten der insgesamt 30 Geschichten sind herzerwärmend und überraschend vielfältig – vor allem vom sozioprofessionellen Ursprung her. Sie reicht von eifrigen Ärzten und begeisterten Architekten hin zu Künstlern, Sportlern, Aktivisten für Rechte der Roma sowie der LGBT-Minderheit, philosophierenden Vogelbeobachtern und engagierten Politikern, in Deutschland als auch in Rumänien.
Zwei engagierte Politiker-Duos
Das bekannteste deutsch-rumänische Duo in der rumänischen Politik sind wahrscheinlich der Bürgermeister Temeswars, Dominik Fritz, und sein Stellvertreter Ruben Lațcău, beide von der USR-Partei. Dominik Fritz hat sein ehrenamtliches Jahr 2003 vor seinem Studium in Temeswar im Dienst von institutionalisierten Waisen und Halbwaisen verbracht. Der stellvertretende Temeswarer Bürgermeister Ruben Lațcău hat sich 2017 der Partei aus dem Wunsch, Inkompetenz, Korruption zu bekämpfen, angeschlossen. Die ersten beiden Amtsjahre haben ihnen gezeigt, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Temperamente sehr gut zusammenarbeiten, wenn sie diese in den Dienst ihrer gemeinsamen Werte stellen.
Die Entdeckung ihrer engagierten Amtskollegen in Deutschland, die ebenfalls ein deutsch-rumänisches Duo auf dienstlicher und freundschaftlicher Grundlage bilden, wird den Besuchern der Ausstellung in Berlin überlassen… Nur soviel sei verraten: einer ist der Bürgermeister der am weitesten östlich gelegenen deutschen Stadt und der andere ein Bundesminister. Beide sind Mitglieder der CDU.
Künstlerische Erkundung der Intimität
Ein beeindruckendes professionelles Duo besteht aus der rumänischen, in Deutschland wirkenden, bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2018 mit dem Goldenen Bären ausgezeichneten Regisseurin Adina Pintilie und dem deutschen Performer und Aktivisten für die Gleichberechtigung von Personen mit Behinderung, Christian Bayerlein.
„Du bist ein anderes Ich – eine Kathedrale des Körpers“ ist der Titel des Kunstprojekts, an dem beide zusammengearbeitet haben, welches Rumänien bei der 59. Auflage der Kunstbiennale in Venedig vertritt. Die Kunstbiennale ist noch bis zum 27. November geöffnet.
In unterschiedlichen Konfigurationen erkunden die Protagonisten darin gemeinsam Intimität, indem sie sich durch Gespräche, Fürsorge, Tanzen oder Berührungen in Beziehung setzen. So arbeitet „Du bist ein anderes Ich“ mit Körpern, die zärtlich zueinander sind, sich gegenseitig in Selbstfindungsprozessen unterstützen, anderen das Gefühl, attraktiv und begehrt zu sein, geben und die Konflikte in Beziehungen akzeptieren, indem sie den anderen als sich selbst verstehen.
Sehnsucht nach einer unbekannten Heimat
Im Rahmen der Fotoausstellung „Noi 2/Wir 2“ hat das Goethe-Institut Bukarest in Zusammenarbeit mit „Filmkultur“ den autobiografischen Dokumentarfilm „Sehnsucht nach einer unbekannten Heimat“ (Deutschland/Rumänien, 2021) in der Regie von Holger Gutt, der zusammen mit seinem Vater Andreas Gutt zu den Porträtierten der Fotoausstellung gehört, gezeigt. Der Film ist weit mehr als eine persönliche Spurensuche. Er öffnet für jeden Zuschauer den Raum, sich in Holgers Fragen und Gedanken selbst wiederzufinden, vor allem für Generationen, die als Nachfahren von Heimatvertriebenen zwischen zwei Kulturen aufgewachsen sind.
Finissage mit Künstlergespräch
Anlässlich der Beendigung der Fotoausstellung haben die Veranstalter ein Künstlergespräch mit den ausstellenden Fotografen Adi Tudose und Patricia Moroșan organisiert, welches von der Gründerin der 2/3 Galeria, Claudia Rețegan, und Joachim Umlauf, Direktor des Goethe-Instituts, moderiert wurde. Dabei haben die Gastsprecher über ästhetische und kulturelle Unterschiede, Porträtfotografie als ästhetische Kategorie, die Herausforderungen von Repräsentation und Konzept bei der Planung und Einrichtung der Ausstellung „Noi2/Wir2 - Rumänisch-deutsche Porträts“ diskutiert.
Die gesamte Veranstaltung zeichnete sich als ein gründlich recherchiertes Projekt aus, das die spannenden Geschichten dienstlicher, freundschaftlicher, Liebes- oder Familienbeziehungen 30 deutsch-rumänischer Duos reicher sozioprofessioneller Vielfalt anhand von verschiedenen Medien präsentiert hat und beim rumänischen Publikum sehr gut angekommen ist.